Marcel Klinge auf der Dachterasse seiner Wohnung. Foto: Schück

FDP-Kandidat Marcel Klinge übernimmt Verantwortung für elfjährigen Neffen. Bei fünf Prozent im Bundestag.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Diesmal will er es schaffen. Für die dritte Bundestagskandidatur rechnet sich Vollblutpolitiker Marcel Klinge gute Chancen aus. Er ist optimistisch: Die FDP müsste nur fünf Prozent schaffen, dann wäre er im Bundestag.

Der 36-jährige Villinger arbeitet zu dieser Jahreszeit gerne auf der großen Dachterasse unter dem Sonnenschirm. "Home office" nennt man das. Als Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion in Bremen hat der promovierte Sozialwissenschaftler inzwischen noch eine kleine Wohnung in Bremen. Die FDP-Politikerin Lencke Steiner hat ihm den Job vermittelt. "Es war eine harte Zeit, die vergangenen vier Jahre", erzählt Klinge. "Es interessiert sich niemand für dich, wenn du nicht im Bundestag bist."

Bei der FDP-Landtagsfraktion in Bremen sind zehn Mitarbeiter beschäftigt. "Wir sind wie ein Familienbetrieb", erzählt Marcel Klinge. "Bei uns gibt es Teamgeist. Ich muss ein Vorbild sein. Alle Regeln gelten auch für mich".

Welche denn zum Beispiel? "Jeder räumt sein Zeug selbst weg, wenn wir ein Meeting hatten", zählt er als Beispiel auf. "Der Job macht mir Spaß, und ich habe Budgetverantwortung." Inzwischen habe die FDP unter Christian Lindner auch zu einem neuen Stil gefunden, seit 2014 habe ein Leitbild-Prozess stattgefunden."Bei der FDP hat das Thema Bildung mehr Gewicht bekommmen."

Seit 15 Jahren politisch engagiert

Schon seit 15 Jahren ist Klinge, der in Villingen aufwuchs und an der Albert-Schweitzer-Schule sein Abitur gemacht hat, politisch engagiert. Zur Zeit als Gemeinderat und Kreisrat der FDP. Der südbadische FDP-Bezirksvorsitzende ist im Bundes- und Landesvorstand der Liberalen vertreten und zum dritten Mal am Start für den Bundestag in Berlin. Diesmal mit besseren Karten, wie er findet. Er steht auf einem guten Platz auf der Landesliste.

"Ich will was mit dem Thorsten Frei im Bundestag zusammen machen, und es wäre gut, wenn der Jens Löw auch noch reinkäme", sagt Marcel Klinge. Es gebe viele Themen, bei denen man gemeinsam für die Region kämpfen könnte. Verkehrsinfrastruktur zum Beispiel oder auch Fluglärm.

Er wohnt in Villingen zusammen mit seiner Mutter Elisabeth Klinge. Die beiden wollen jetzt ab September den elfjährigen Sohn einer Schwester von Marcel zu sich nehmen. "Man muss in der Familie ein bisschen zusammenhalten. Die Alternative wäre eine Pflegefamilie gewesen. Wir sind ein gutes Team", erzählt er. Mutter Elisabeth nickt. Sie ist zwar gerade in Rente gegangen und hatte sich diese Zeit eigentlich anders vorgestellt. Doch sie traut sich schon zu, den Enkel gemeinsam mit ihrem Sohn zu erziehen.

"Es ist wichtig, dass er ein positives männliches Vorbild hat", findet der Onkel "Ich bin mit drei Schwestern aufgewachsen und weiß, wie bedeutsam das ist." Elisabeth Klinge hat die vier Kinder seit 1990, als sie aus der ehemaligen DDR nach Villingen kam, alleine erzogen.

Umzug in Südstadt geplant

Die schöne Mietwohnung in der Goethestraße ist für die neue Familie allerdings zu klein. Deswegen ist Ende diesen Monats ein Umzug in die Villinger Südstadt angesagt. 110 Quadratmeter, zwei Bäder und ein Balkon. "Zwei Bäder waren mir wichtig", sagt Marcel Klinge. Sein Part ist es, mit dem Neffen "von Mann zu Mann" zu reden. Auch bei den Schulaufgaben will er helfen. Die Zeiten, zu denen Gemeinderat und Ausschusssitzungen stattfänden, seien allerdings nicht jugendfreundlich. "Ich möchte mal wissen, wie das Alleinerziehende machen, die ein solches Amt haben", fragt sich Klinge. Er interessiert sich jetzt noch mehr für Erziehungsthemen als vorher. "Ich würde mir wünschen, dass die Lehrer in der Grundschule besser bezahlt werden", sagt er zum Beispiel und hat "Respekt" vor allen Alleinerziehenden.

Zu seinem Neffen hat der Onkel ein positives Verhältnis und freut sich auf das Zusammenleben. "Er kommt manchmal und fasst meinen Bart an", sagt der eigentlich glattrasierte FDP-Bundestagskandidat und streicht sich über das Kinn.

Er hat viel zu tun. Nicht nur der Neffe, der Wahlkampf und die Landtagsfraktion, sondern auch die Einrichtung der neuen Wohnung fordern ihn. "Ich habe gar nicht gewusst, dass eine Kücheneinrichtung so viele Aspekte berücksichtigen muss", sagt er. Und fügt nachdenklich hinzu: "Man ist schnell 15 000 Euro für eine Küche los."

Der Tag beginnt für ihn "relativ früh". Marcel Klinge steht meist schon um 6 Uhr auf und joggt dann eine Stunde im Germanswald. "Im Wald, das ist toll. Ich jogge gerne." Wandern, so gesteht er, mag er nicht so gern. Um 10 Uhr ist dann entweder Telefonkonferenz oder in Bremen ein Meeting angesagt. Projekte werden besprochen, Texte bearbeitet und Angebote freigegeben. Danach finden Sitzungen in verschiedenen Gremien statt oder der Bezirksvorsitzende ist unterwegs im Verbreitungsgebiet. Abends beantwortet er dann E-Mails und Briefe. "Ich bin sehr fleißig", sagt der Kandidat über sich. Er wohnt gerne im Schwarzwald-Baar-Kreis: "Ich finde die Region hier toll. Wenn ich aus Bremen zurückkomme, kaufe ich mir als erstes eine Butterbrezel, das haben die in Norddeutschland nicht", erzählt er.

Als Bezirksvorsitzender muss Marcel Klinge weit fahren, und das auf eigene Kosten. Apropos Auto: Das Familienauto ist jetzt auch zu klein geworden. Mit seinem Neffen und der Mutter ist gemeinsamer Urlaub angesagt, zum Beispiel nach Österreich. Obwohl der 36-Jährige auch mal allein verreist.

Im Wohnzimmer auf dem Boden liegt ein Wahlplakat. Das Foto ist schwarzweiß, die Schrift peppig. 1000 Plakate werden ab dem 14. August großflächig in der Region verteilt.

An Infoständen will Marcel Klinge mit Helfern präsent sein. Und wenn die FDP tatsächlich in die Regierungsverantwortung kommen sollte, wird sie diesmal bei ihren Wahlverprechen bleiben? "Es geht bei der FDP nicht um Positionen, sondern um Inhalte", sagt Marcel Klinge ernst. Und er versichert: "Es gibt eine klare inhaltliche Linie, wenn das nicht erfüllt wird, machen wir das nicht."