Sie beschäftigen sich mit der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen (von links) Andrea Klumpe-Burghardt und Gabriele Storz (Caritas) Diakonie-Geschäftsführerin Anita Neidhardt-März, Max Prümm (Caritas) und Norbert Grulke. Foto: ewx Foto: Schwarzwälder-Bote

Psychische Erkrankungen sind Volkskrankheit Nummer eins

Schwarzwald-Baar-Kreis. (ewk). "Psychische Erkrankungen sind heute die Volkskrankheit Nummer eins", sagt Sozialdezernent Jürgen Stach. Insbesondere bei den Eingliederungshilfen und Grundsicherung, für die die Kreise aufkommen, rechne man mit stark steigenden Kosten. Seit dem Januar ist der Kreis verpflichtet, Strukturen für eine gemeindenahe bedarfsgerechte Versorgung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder Behinderung zu schaffen, was vermutlich zusätzliche Kosten bedeutet. Der Bildungs- und Sozialausschuss befasste sich ausführlich mit der Versorgungssituation von psychisch kranken Menschen im Kreis, ließ sich vom Ärztlichen Direktor der Luisenklinik Bad Dürrheim, Norbert Grulke, Risikofaktoren erläutern und die Angebote der Tagesstätte für psychisch kranke Menschen "Die Brücke" vorstellen.

Ängste, Depressionen, Ess-, Zwangs- und Persönlichkeitsstörungen und Borderline sind die bekannten Erscheinungsbilder psychischer Erkrankungen. Grulke zeigte dazu die typischen Risikofaktoren im Kinder- und Jugendalter auf: Familienkonflikte, Sucht und andere psychische Erkrankungen der Eltern, alleinerziehende sehr junge Mütter aus zerbrochenen Familien, niedriger sozioökonomischer Status und Bildungsstand und wenig personale, familiäre und soziale Ressourcen. Sorge macht die Entwicklung der Fallzahlen. Im Kreis stieg die Zahl der Personen, die aufgrund von psychischen Verhaltensstörungen stationär behandelt wurden, von 2002 bis 2013 von 1897 auf 2408 Behandlungen. Die Zahl der Menschen mit seelischen Behinderungen, die im Landkreis eine Eingliederungshilfe erhielten, stieg von 160 Personen im Jahr 2006 auf 323 Personen 2014. Bei den damit steigenden Kosten kommt dem Ausbau ambulanter Hilfen im Vorfeld eine entscheidende Rolle zu.

Medizinische Leistungen werden von den Krankenkassen finanziert. Betreuung und Versorgung im Sozialbereich, psychosoziale Hilfen wie Beratung und Begleitung, berufliche Rehabilitation und Beschäftigung, Hilfen zum Wohnen, Unterstützungsangebote für Angehörige und ergänzende Hilfen finanzieren die Kommunen. "Wo sind die Grenzen unseres Systems?" fragte Robert Strumberger (CDU). Er kritisierte den "Verschiebebahnhof in kommunale Richtung" und forderte die Politik ein. "Viele Dinge an der Grenze zu Kassenleistungen werden von uns wahrgenommen", pflichtete Henning Lichte (FW) bei. Und "Prävention und Reparation müssten in eine Hand" meinte Anton Knapp (SPD) bevor Beate Berg-Haller mahnte, "Es geht um Menschen und wir reden über Geld". Diese Diskussion solle man nicht auf dem Rücken psychisch Kranker austragen. "Wir haben eine Auffangfunktion und bei der Eingliederungshilfe und Jugendhilfe keine Entscheidungsmöglichkeiten", stellte Landrat Sven Hinterseh fest, aber der Landkreis könne "nicht alles komplett auffangen". Heute gehe es um Information und Sensibilisierung. "Was können wir machen und was nicht", sei eine Frage der politischen Willensbildung.