An dieser Kreuzung ist der tragische Unfall passiert, bei dem ein Schwenninger Rentner sein Leben verlor. Foto: Vinci

Nach tödlichem Unfall in Schwenningen: Lkw-Fahrer kommt glimpflich davon. Angehörige geschockt über Strafmaß.

VS-Schwenningen - Recht und Gerechtigkeit sind manchmal zweierlei: Vergangenes Jahr hat ein Schwenninger Rentner die Unachtsamkeit eines Lastwagenfahrers mit dem Leben bezahlt. Der Strafbefehl macht den Angehörigen nun zu schaffen.

Wer kennt das nicht? Am Steuer den gewünschten Radiosender suchen, die Heizung einstellen oder kurz die CD auswechseln – für wenige Sekunden ist der Fahrer abgelenkt, ehe er sich wieder auf den Verkehr konzentriert. Solch eine Fahrlässigkeit kostete einen 69-Jährigen vergangenen September das Leben. Nun leiden die Angehörigen nicht nur unter dem Verlust eines lieben Angehörigen, sondern sind über das verhängte Strafmaß fassungslos. Auf Bitten der Familie verzichten wir auf Nennung von Namen.

Was ist passiert? Es ist Montag, der 28. September 2015, gegen 12.30 Uhr, als sich der 69-Jährige auf seinem Motorroller der Kreuzung August-Bebel-/Eschachstraße nähert. Zur selben Zeit hält der Unfallverursacher mit seinem Lastwagen kurz an, um den linken Seitenspiegel einzustellen. Als er wieder anfährt, übersieht er das von links auf der Eschachstraße herannahende Kleinkraftrad und nimmt ihm die Vorfahrt.

Sohn: "Er hat unser Leben zerstört"

Die Folge: Das Moped prallt gegen die vordere linke Ecke des Lasters. Dabei wird der Rentner so schwer verletzt, dass er nur wenige Stunden danach im Schwarzwald-Baar-Klinikum stirbt. "Er hat unser Leben zerstört", sagt der Sohn des Getöteten über den Lastwagenfahrer. Und zu allem Elend sei das Strafmaß auch noch viel zu mild ausgefallen – ein Schock für die Angehörigen.

Die Konsequenzen: Wegen fahrlässiger Tötung muss der Beschuldigte nach dem Urteil des Amtsgerichts eine Geldstrafe in Höhe von 1800 Euro bezahlen, einen Monat den Führerschein abgeben sowie die Kosten des Verfahrens tragen. "Das ist unter aller Sau", kommentiert der Sohn das Strafmaß. "Es scheint so, als ob ich härter bestraft werde, wenn ich geblitzt werde, als wenn ich jemanden umbringe", meint der Schwenninger.

Der Strafbefehl sei den Angehörigen einfach zugeschickt worden. "Es gab keine Anhörung", berichtet die Tochter des Unfallopfers. Dabei wollte die Mutter unbedingt die Rolle der Nebenklägerin einnehmen und dem Unfallverursacher gegenübertreten. "Er sollte sehen, was er uns angetan hat", erklärt der Sohn weiter. Auch, wenn kein Strafmaß dem tragischen Verlust gerecht werden könne, "wäre es wünschenswert gewesen, wenn er nie mehr fahren dürfte", meint die Tochter. "Wir haben das Vertrauen ins deutsche Rechtssystem verloren", erklärt der Sohn.

Nach Informationen der Familie hat ihr Anwalt Klaus Schilling, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Verkehrsrecht aus Schwenningen, ihnen von einer Zivilklage abgeraten. Grund: Das Verfahren könne sich jahrelang hinziehen und die Familie sei weiterhin einem hohen psychischen Druck ausgesetzt.

"Ich verstehe, dass das Strafmaß für Betroffene zu gering erscheint. Das Strafmaß liegt aber im üblichen Bereich", erklärt Rechtsanwalt Schilling im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten.

Warum wurde der Fall nicht vor Gericht verhandelt? Bei einem Strafbefehl handelt es sich um ein vereinfachtes Verfahren, indem es regelmäßig zu keiner mündlichen Anhörung vor Gericht kommt, sagt der Fachanwalt. Die Entscheidung darüber, das Strafbefehlverfahren zu wählen, liege bei der Staatsanwaltschaft. Gründe für diese Wahl könnten unter anderem sein, dass der Fall keine wesentlichen Fragen offen lasse oder das zu erwartende Strafmaß einen bestimmten Rahmen nicht überschreite, zum Beispiel auch wegen eines nicht sehr hohen Schuldgehalts.

Dann könne die Staatsanwaltschaft beim zuständigen Amtsgericht, in diesem Fall in VS, einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls stellen. "Die Staatsanwaltschaft hätte auch Klage erheben können, aber das liegt in deren Ermessen", sagt Schilling.

Der Unfallverursacher habe sich einer fahrlässigen Tötung im Straßenverkehr schuldig gemacht, wobei das Gesetz hierfür ein breites Strafmaß vorgebe. So sehe es bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe vor. "Es war ein Unfall", sagt Schilling, ein vorsätzliches Handeln war definitiv nicht gegeben.

Die tragische Besonderheit in diesem Fall sei trotz der jeweils geringen Geschwindigkeiten der Verkehrsteilnehmer der tödliche Ausgang gewesen – und das, obwohl der verunglückte Mopedfahrer einen Helm getragen hatte. Der tödliche Ausgang sei sicher einer Vielzahl besonders unglücklicher Umstände geschuldet, fasst Schilling den tragischen Fall zusammen.