Über 2400 Gäste kamen gestern in die Messehalle nach Schwenningen, um beim IHK-Neujahrstreff dabei zu sein. Foto: Eich

Ministerpräsident Kretschmann positioniert sich für Freihandel. Pro und Contra E-Mobilität. Mit Kommentar

Schwarzwald-Baar-Kreis - Gut drauf war Mimisterpräsident Winfried Kretschmann am Mittwochabend und strafte das Gerücht von seiner Krankheit sozusagen mit Lügen, indem er trotz ernster Botschaft einen Witz nach dem anderen riss.

Wie schon in den Vorjahren, stieß die Veranstaltung auf riesiges Interesse. 2500 Gäste hatten sich in den Messehallen in Villingen-Schwenningen eingefunden, zum ersten Mal mit Festredner Winfried Kretschmann. Wenn er, so Kretschmann, krankheitshalber nicht weiterreden könne, habe ihm der ebenfalls anwesende Unionsfraktionschef Volker Kauder zugesichert, dass er einspringen werde. Überhaupt seien die Zeiten im Wandel, das könne man schon daran sehen, dass Kauder keine Krawatte habe, während er, so punktete Kretschmann, protokollarisch korrekt gekleidet sei. "Ja früher hatten wir keine Krawatten an im Landtag, da fragte die CDU: "Was sind denn das für Leute ohne Krawatten!"

IHK-Präsident Dieter Teufel zeigte Optimismus. Die selbstgestellte Frage, ob es überhaupt noch eine Chance auf ein "gutes" neues Jahr gebe oder "ob wir uns im Bereich der Träumerei bewegen", beantwortete er mit einem klaren "Ja". Schließlich könnten Deutschland, Baden-Württemberg und die Industrieregion von einer nachhaltig guten Wirtschaftslage sprechen. "Die Unternehmen erfreuen sich einer guten bis sehr guten Auftragslage. Die Exportquote liegt auf einem hohen Niveau", führte Teufel als Beweis an. "Es ging uns noch nie so gut wie heute. Das gibt uns den Mut und die Zuversicht für die Herausforderungen der Zukunft."

Doch der Ministerpräsident ist besorgt: "Der Freihandel ist die Grundlage des baden-württembergischen Geschäftsmodells. Er ist entscheidend für den Wohlstand in unserem Land", so Kretschmann. Wirtschaftliche Zusammenarbeit, so betonte der Ministerpräsident, sei ein höchst wirksames Mittel gegen militärische Konflikte. Die Europäische Union müsse ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bleiben. Lob hatte der Ministerpräsident für die IHK als "Erfolgsmodell der Re gion". Das sei der Verdienst von Teufel.

Die 150-jährige Geschichte der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg streiften IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Albiez und Teufel mit einem launigen historischen Dialog. Die Themen, so stellten sie fest, seien heute wie damals die gleichen: Standortqualität und Infrastruktur. 150 Jahre IHK, das sei eine Erfolgsgeschichte, stellte auch Kretschmann fest. Das könne man schon an den Rahmendaten der Region mit einer Arbeitslosenquote von weniger als drei Prozent ablesen. "Leuchttürme" seien ihm auf dem Weg nach Schwenningen aufgefallen. Besonders der neue Aufzugstestturm bei Rottweil, habe ihn, so Kretschmann beeindruckt. In 150 Jahren habe sich gezeigt, was die Region und ihre Organisation zu bieten hätten. Krisen seien bewältigt worden und Hidden Champions könnten die Geschichte einer Region erzählen, "die sich durch Technologiestärke, Branchenvielfalt, Wettbewerbsfähigkeit und Krisenfestigkeit auszeichnet."

Als weiteren Leuchtturm der Region lobte Kretschmann die Medizintechnik in Tuttlingen. Besonders beeindruckend finde er das Innovations- und Forschungszentrum der Hochschule Furtwangen, das momentan in Tuttlingen entsteht. Ein Lob von ihm erhielt auch das Schwarzwald-Baar-Klinikum. Angesichts der Digitalisierung der Medizin betonte der Politiker jedoch, dass es wichtig sei, "dass der Mensch dabei im Mittelpunkt steht". Mit künstlicher Intelligenz seien nicht nur in der Medizin Fortschritte denkbar, sondern auch Undenkbares, wie das autonome Fahren. Er lud die Mittelständler ein, sich das Cyber Valley Baden-Württemberg anzuschauen und zu überlegen, "ob man es nicht mit dem MedicalMountain oder dem TechnologyMountain kombinieren könnte". Schließlich bezeichnete der Ministerpräsident Elektromobilität als "Mobilität der Zukunft" und einen stark wachsenden Markt, von dem er überzeugt sei.

Diese Elektromobilität macht dem IHK-Präsidenten allerdings auch Sorgen. Sie stelle eine Herausforderung für die Automobilwirtschaft dar. Und schließlich, sei sie nicht immer umweltfreundlich. Automobilkonzerne dürften Investitionen in Verbrennungstechnik nicht vernachlässigen. Volksmusik in neuem Stil, dargeboten von der Musikhochschule Trossingen, zog sich wie ein rotes Band durch den Abend und erhielt viel Applaus. Unter den Gästen war viel "Prominenz", unter anderem der neue Polizeipräsident Gerhard Regele.

Kommentar: Da geht was!

Von Cornelia Spitz

"Wir bewegen was!" – dafür, sagt IHK-Präsident Dieter Teufel, steht die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg seit 150 Jahren. Auch gestern hielt sie Wort. Nicht nur, dass sich 2400 Gäste nach Schwenningen bewegten, nein: Auch am Rande des Neujahrstreffs entwickelte sich eine ganz eigene Dynamik. Da trafen Weltmarktführer und Hidden Champions auf Jungunternehmer und Chefs von Familienunternehmen, frische Ideen auf Erfahrung und Tradition. Technologiestärke, Branchenvielfalt, Wettbewerbsfähigkeit und Krisenfestigkeit – für Ministerpräsident Kretschmann ist klar, wofür die Region steht. Doch bei all dem, darf es am gegenseitigen Austausch nicht fehlen. Und so kam nach einem Jahr Pause eines gerade recht: das vermutlich größte Netzwerktreffen, das die Region je gesehen hat.