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Konstantin Wecker fordert in der Neuen Tonhalle auf, mit dem Herzen zu denken

Von Birgit Heinig

Der bayerische Liedermacher Konstantin Wecker füllte die Neue Tonhalle in Villingen komplett. Gekommen waren all jene, die sich, wie er, weigern, den Traum von einer "herrschaftsfreien und harmonischen Gesellschaft" aufzugeben.

VS-Villingen. "An meiner anarchistischen Haltung hat sich nichts geändert", versicherte der 68-Jährige mit jahrzehntelanger Bühnenerfahrung deshalb gleich zu Beginn des Konzertes, um zu signalisieren: Ich bin immer noch der, der mit euch um Frieden und Freiheit kämpft. Äußerlich ergraut, ist Wecker innerlich tatsächlich der junge Nörgler geblieben, der sein Herz mit rollendem "R" auf der Zunge trägt: Ein "alternder Poet", wie er sich selbst nennt, mit einem "großen Herzen für Träumer und Versager".

Vor allem aber ist Wecker ein Liedermacher, Sänger und Pianist, der sein Handwerk versteht und an diesem Abend astreine Bühnenarbeit ablieferte. Mit seiner vollen und inbrünstigen Stimme, seinen Texten, mal scharf und treffend gereimte Anklagen, mal weiche und einfühlsame Liebeslieder sowie seinem beherzten Tastengriff begeisterte er sein Publikum. Mit seiner jungen Band – Sängerin und Gitarristin Cynthia Nickschas ist genau 40 Jahre jünger als er – versteht er es, sich selbst aufzuwerten – in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur, dass mit jugendlich unbändigem Spiel seine Lieder, die alten wie die neuen, noch bombastischer rüberkommen – er gehört auch zu den weisen Künstlern, die der musikalischen Jugend Türen und Tore öffnen. Im Falle von Cynthia, die dem DSDS-Team eine Absage erteilte und lieber unter Weckers Fittiche schlüpfte, eine hörbar gute Wahl.

"Die feine Gesellschaft am Ende des Abgrunds hat immer noch alles im Griff. Sie stehen am Ruder und lieben die Klippen und verlassen als Erste das sinkende Schiff" – Wecker liebt es, zu provozieren. Mit Liedern wie "Absurdistan", "Vaterland", dem "Waffenhändlertango" und "Uns geht es gut" legt er mit Wonne und starker Stimme den Finger in die Wunden der Besitzenden und Herrschenden.

"Gibt es einen, der in Kriegen nicht verlor?" fragt er mit den Worten Georg Heims und mahnt in seinen Zeilen, mit denen er dessen Gedicht erweiterte und vertonte: "Zweimal kam der große Krieg mit aller Macht – und sie sind zum dritten Mal nicht aufgewacht".

Eindeutige Position bezieht er in der Flüchtlingsfrage und fordert die Akteure auf, "mit dem Herzen zu denken", denn: "Ich will in einer grenzenlosen Welt leben". Doch Wecker kann auch anders, sanft und melancholisch. Das Titellied seines neuen Albums "Ohne Warum" ist so eines, in dem es um Dinge geht, die man tut, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten.

Klar, die Eintrittspreise an diesem Abend waren nicht von Pappe – doch als wolle er das soeben Gesungene unterstreichen, gab Wecker unaufgefordert eine Zugabe nach der anderen, und selbst als einige Zuhörer nach dreistündigem Konzert schon ihre Mäntel geholt hatten, kehrte er erneut auf die Bühne zurück.