Anderen Kulturen Raum geben, auch dieser Gedanke steckt hinter der interkulturellen Kulturarbeit. Foto: Anspach Foto: Schwarzwälder-Bote

Multikulti: Emotionale Debatte zu interkultureller Arbeit / AfD’ler outet sich als Mann mit Migrationshintergrund

Zur äußerst emotionalen Debatte geriet am Mittwoch im Gemeinderat die Diskussion über die Interkulturelle Kulturarbeit.

Villingen-Schwenningen. In der Kulturentwicklungsplanung soll die interkulturelle Kulturarbeit vertieft werden. Schließlich ist Villingen-Schwenningen mittlerweile die Heimat für Angehörige von 135 verschiedenen Nationen. Der skizzierte Weg war für die Stadtverwaltung klar: Man möchte möglichst viele Nationen einbinden und beispielsweise das Programm um Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund erweitern und Räumen für Begegnungen bereitstellen.

Doch mit den Emotionen, die ein solcher Plan entfachen kann, hat wohl keiner gerechnet: CDU-Fraktionssprecherin Renate Breuning machte am Mittwoch den Anfang und erklärte zwar die grundsätzliche Zustimmung ihrer Fraktion zur Vertiefung der interkulturellen Kulturarbeit, aber sie haderte auch mit dem Integrationswillen einiger Mitbürger. Wenn bei einem Konzert einer türkischen Musikgruppe viele Frauen mit Kopftuch gesichtet würden, sei das zwar schön – "die Integration aber wäre dann erreicht, wenn diese auch kommen, wenn eine amerikanische, deutsche oder andere Bands auftreten", so Breuning. Dann auch das Kopftuch abzunehmen, wolle sie ja gar nicht verlangen. Wenn ihre Fraktion auch Ja sage zum Ausbau der interkulturellen Kulturarbeit, dafür aber mehr Geld auszugeben aber komme für sie nicht in die Tüte.

Bertold Ummenhofer von den Freien Wählern preschte mit einer deutlichen Kritik vor: In dieser Form der interkulturellen Kulturarbeit sehe er sogar "eine Verhinderung der Integration". Die Villingen-Schwenninger aus anderen Nationen sollten in die bereits bestehenden Vereine in der Stadt gehen, in einem hiesigen Chor mitsingen oder ähnliches – "Integration funktioniert am besten in schon bestehenden Vereinen", war er sich sicher.

Martin Rothweiler von der AfD outete sich gar als Mann "mit Migrationshintergrund", der schon lange Jahre im Ausland gelebt habe und sogar mit einer Frau einer anderen Nation verheiratet sei – er habe wahrscheinlich mehr Migrationshintergrund als die Grünen-Gemeinderätin Elif Cangür, der CDU-Mann Antonio Piovano oder dessen Kollegin Maria Noce, so der AfD-Gemeinderat, der Breuning vorwarf, mit ihrem Statement Bundestagswahlkampf zu betreiben.

Auch Jürgen Schützinger (DLHV) sah beim Thema interkulturelle Kulturarbeit eine Gelegenheit, seiner politischen Haltung Ausdruck zu verleihen.

"Ich bin froh, dass Ihr nicht die Mehrheit seid hier im Gemeinderat"

Da juckte es schließlich auch Elif Cangür von den Grünen in den Fingern, sich zu Wort zu melden: "Wovor habt Ihr eigentlich Angst?", fragte sie deutlich und sichtlich emotional und konnte sich den folgenden Kommentar in Richtung Schützinger und Rothweiler dann auch nicht mehr verkneifen: "Ich bin froh, dass Ihr nicht die Mehrheit seid hier im Gemeinderat". Maria Noce von der CDU pflichtete bei und versuchte zu erklären, worum es ihr gehe: Sie wolle sich nicht abkapseln, sondern gerne beides – Raum, um sich mit ihren Landsleuten auszutauschen und deren Kultur zu pflegen, und sich gleichzeitig in der Kulturlandschaft Villingen-Schwenningens zurechtfinden.

Immerhin von Seiten des Pfarrers Frank Banse für die SPD gab es versöhnlichere Töne. Dieses Anliegen müsse unterstützt werden, so Banse, wobei jedoch die wichtigste Integrationsarbeit seiner Einschätzung nach in den Kindergärten und Schulen der Stadt passiere.

Für Joachim von Mirbach (Grüne) hat die interkulturelle Kulturarbeit nur sekundär etwas mit Integration zu tun – für ihn geht es hier vor allem um Respekt, Anerkennung, im Grund genommen offenbar darum, zu leben und leben zu lassen. "Integration ist keine Einbahnstraße", befand auch Marcel Klinge für die FDP. Mit der Intensivierung der interkulturellen Kulturarbeit "machen wir nichts Falsches, es ist ein Hände-Reichen", so Klinge. Eine Sicht, der sich am Ende einer emotionalen Debatte auch das Gros des Gemeinderates anschloss und mit mehrheitlichem Beschluss schließlich den Weg frei machte für mehr interkulturelle Kulturarbeit im Oberzentrum.