Theater: Württembergische Landesbühne führt "Agnes" von Peter Stamm auf

VS-Villingen. "Agnes" von Peter Stamm ist der Roman einer Liebe in unserer Zeit: Zwei Menschen lernen einander in einer Bibliothek kennen, kommen ins Gespräch, gehen in die Wohnung des Mannes und landen rasch in seinem Bett. Sie wissen wenig voneinander. Agnes hat Angst vor dem Tod. Der Mann, ein Möchte-gern-Schriftsteller, tastet nach Worten, hat aber wenig Erfolg.

Nach einiger Zeit zieht Agnes zu ihm – was ist Glück? Ein Ausflug in die Natur mit Picknick? Der Besuch einer Kunstausstellung? Auf Wunsch der Frau versucht der Mann, die Geschichte der beiden aufzuschreiben – die Beziehung wird dadurch vergewaltigt und beschädigt. Agnes korrigiert das Geschriebene, aber das hilft kaum. Sie wird schwanger, er will das nicht, sie zieht aus. Er hat eine beruflich wichtige Affäre mit einer amerikanischen Verlegertochter. Agnes hat eine Fehlgeburt, kehrt danach zu ihm zurück. Sie versuchen gemeinsam Weihnachten zu feiern, sie zieht ihn ins Bett – aber es bleibt ein schaler Nachgeschmack.

Da sie sich krank fühlt, feiert er Silvester auswärts auf einer Party, verliert sich wieder in der Affäre. Sie liest in seinem Computer das Ende ihres Beziehungsromans. Am Neujahrstag ist sie fort.

Die Bühnenfassung des Romans von Katrin Enders in der Regie von Annette Dorothea Weber für die Württembergische Landesbühne Esslingen gelingt im Theater am Ring lebensecht und überzeugend. Sie stellt ein Studentenpaar dar, das seine Gefühle immer wieder kritischen Reflektionen unterwirft – das wird vor allem für Agnes unerträglich. Ihr nicht namentlich genannter Partner zeigt warme Gesten, aber das genügt ihr nicht.

Ihm bleibt stille Trauer

In seinem Computer liest sie, wie er sich das Ende ihres Beziehungsromans denkt. Das wirkt verhängnisvoll. Ihm bleibt am Ende nur stille Trauer.

Das Bühnenbild, eine zweckmäßige, aber ziemlich sterile Wohnung, lässt Annäherungen zwischen den Schauspielern Caroline Betz und Folkert Dücker als verkrampfte Flucht aus der modernen Nüchternheit erscheinen. Sind Emotionen, die von beiden Partnern immer wieder intellektuell hinterfragt werden, wirklich echt? Beide scheinen zu wissen, ob sie willens sind, eine tiefe und dauerhafte Bindung einzugehen. Zwar scheint es, als ob der Verlust des von Agnes erwarteten Kindes sie seelisch zusammenführt – aber diese Zuneigung ist nicht stark genug, den Mann der kranken Agnes zuliebe auf Party-Freuden verzichten zu lassen.

Die Abiturienten, die zu dieser Darbietung ihrer Pflichtlektüre das Theater am Ring füllten, klatschten brav Beifall – aber ob der von Herzen kam, darf bezweifelt werden.