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Porträt/Beate Berg-Haller engagiert sich für Mitmenschen / Sozialarbeiterin leitet Pro Familia

Beate Berg-Haller macht den Mund auf. Das hat sie schon immer getan – damals in Freiburg als Hausbesetzerin, bis vor einem Jahr als Gemeinderätin in Königfeld und nach wie vor als Kreisrätin und Leiterin der Pro Familia-Beratungsstelle in Villingen.

VS-Villingen. Die 64-Jährige ist in Offenburg geboren und studierte in Freiburg Sozialarbeit. "Weil mich Menschen schon immer interessiert haben", sagt sie und erinnert sich an die 1970er-Zeit, in der Studenten für eine bessere Welt auf die Straßen gingen und das Studium der Sozialarbeit noch sehr politisch war.

Erste Anstellung in einem Heim für schwer Erziehbare

"Die 68er klangen nach, die Studentenvertretungen waren sehr aktiv und man brachte uns im Hörsaal bei, dass und wie man für seine späteren Klienten kämpfen muss und wie man das am besten anstellt". Teile ihres Studiums verbrachte sie in Indien und sammelte berufliche Erfahrungen sowohl in einem Gefängnis als auch in einer Einrichtung für psychisch Kranke. Ihre erste Anstellung erhielt sie in einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche. Sie lernte ihren Mann, einen gebürtigen Königsfelder, kennen und zog 1980 mit ihm in den Schwarzwald. 16 Jahre lang lebte die Familie – eine Tochter und ein Sohn wurden geboren – zusammen mit drei weiteren Familien in einer Wohngemeinschaft auf dem "Bühlhof" in Buchenberg. "Wir haben bis heute ein gutes Verhältnis und alle Paare sind noch zusammen", sagt Beate Berg-Haller augenzwinkernd. Kein Wunder, sollte man meinen, denn die Diplom-Sozialarbeiterin ist spezialisiert für Paar- und Sexualtherapie. Sie weiß: Alle seine Bedürfnisse nur auf eine Person, den Partner, zu fokussieren muss schiefgehen und daher rät sie zur Pflege eines stabilen Freundeskreises.

Seit 1983 arbeitet sie für die Beratungsstelle Pro Familia, die sie bald leitete. "Das ist bis heute mein Traumberuf", sagt sie, "ich habe noch keine Sekunde bereut". Und das, obwohl ihre Arbeit immer auch Kampf bedeutet: Kampf um mehr Mitarbeiter, Kampf um Zuschüsse, Kampf um Anerkennung der Notwendigkeit ihrer Arbeit. "Wir beraten und begleiten Menschen pränatal bis ins hohe Alter und in allen Lebenslagen", sagt Beate Berg-Haller. Dafür stehen inzwischen, einschließlich ihr selbst, vier Fachkräfte zur Verfügung. Ergebnis eines erfolgreichen Kampfes, denn: "Begonnen haben wir zu zweit". Ob Schwangerenberatung, Therapien für jugendliche Sexualstraftäter, Prävention gegen sexuelle Gewalt, Paarberatung und Sexualpädagogik in Schulklassen – die sie inzwischen der Authentizität wegen ihren jüngeren Kollegen überlässt – "mit unserer Arbeit sind wir immer am Puls des Lebens", sagt Beate Berg-Haller mit einem Glänzen in den Augen.

Zum Beginn im Gemeinderat als Frau und Grüne noch eine Exotin

Mit gleicher Leidenschaft brennt sie für die Politik, die ihr Vater, ehemals Mitglied im Wirtschaftsrat der CDU, ihr vererbte. 31 Jahre lang war sie Gemeinderätin in Königsfeld für die "Liste für Bürgerbeteiligung und Umweltschutz", später die Grünen, war abgeordnet in den Regionalverband, und Kreisrätin ist sie nach wie vor. Der soziale Bereich, Schulen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das sind ihre Themen. 1985 war sie noch ganz neu im Gremium und sei als Frau und Grüne noch belächelt worden, erinnert sie sich an die schwere Anfangszeit als Kommunalpolitikerin. Inzwischen sei zwar viel erreicht worden, aber es gebe immer wieder neue Herausforderungen, für die es zu kämpfen gelte. "Viele Menschen sind abgehängt worden und finden sich in der AfD wieder", bedauert sie aktuell und wirft den Volkspar teien vor, den Blick für das einfache Volk verloren zu haben und die Nöte der Menschen nicht mehr wahrzunehmen.

Sie selbst erhält bei ihrer täglichen Arbeit tiefe Einblicke in die Untiefen mancher Seele, in Schmerz und Einsamkeit. "Es gibt so viel Leid", weiß sie, wappnet sich dagegen mit professioneller Distanz, aber auch mit der Vermittlung von Nähe, Glück und Lust in Paarbeziehungen. Mit der konfessionell und politisch unabhängigen Beratungsstelle der Pro Familia bleiben Beate Berg-Haller und ihr Team immer am Ball. So habe man frühzeitig ein Programm für Sexualpädagogik für Flüchtlinge aufgelegt und ging damit in die Gemeinschaftsunterkünfte.

"Meine Arbeit erfüllt mich", sagt sie. Daher ist für sie das Thema Ruhestand noch keines. Einzig aus dem Königsfelder Gemeinderat hat sie sich zurückgezogen. Ihre Tätigkeit als Kreisrätin der Grünen in ihrer zweiten Legislaturperiode sowie die volle Stelle bei Pro Familia fordern allmählich ihren Tribut, sagt sie lächelnd. Schließlich will Beate Berg-Haller vor allem eins: "leidenschaftlich leben".