GHV-Vorsitzender Günter Rath dankt Werner Mezger für seinen Vortrag. Foto: GHV Foto: Schwarzwälder-Bote

Werner Mezger spricht bei Geschichts- und Heimatverein über Advents- und Weihnachtsbräuche

VS-Villingen. Advents- und Weihnachtsbräuchen war die letzte Vortragsveranstaltung des Geschichts- und Heimatvereins (GHV) in diesem Jahr gewidmet. Referent Werner Mezger sprach im fast voll besetzten Münsterzentrum.

Einleitend beschrieb Mezger das Kirchenjahr als das kulturelle Gedächtnis, in dem die meisten Feste und Bräuche aufgehoben sind. Dabei lassen sich verschiedene Ebenen unterscheiden: In die erinnerte Abfolge des Heilsgeschehens sind vorchristliches antikes Erbe, aber auch Erfahrungen aus der bäuerlichen Lebenswelt eingeflossen. So fällt das Fest Allerheiligen auf das Patrozinium des ehemaligen Pantheons in Rom, das als Kirche St. Maria zu den Märtyrern dem Gedenken aller christlichen Blutzeugen umgewidmet wurde. Mit dem St. Martinstag begann eine 40-tägige Fastenzeit, in der nicht geschlachtet werden durfte. Außerdem waren Federn als Kissenfüllung und Schreibwerkzeuge begehrt: Also ging und geht es an diesem Tag den Gänsen an den Kragen. Im Rheinland erzeugt das bevorstehende Fasten den Ausbruch des Karnevals, der von der Elf als närrischer Zahl noch beflügelt wird.

St. Nikolaus zeigt sich doppelgesichtig: als Wohltäter von Schülern und jungen Frauen sowie Schutzpatron der Seefahrer – den aber allerlei finstere Gesellen begleiten, die die Kinder verstören und an manchen Orten in den Alpen fast schon die öffentliche Ordnung bedrohen.

In Bezug auf Weihnachten entfaltete Mezger anhand von Gemälden van der Weydens und Grünewalds die theologische Tiefendimension: Krippe und Kreuz gehören zusammen, in der Geburt ist das kommende Leiden bereits mitgedacht. Und die Menschwerdung des Gottessohnes rückt die Frage nach seiner Mutter in den Vordergrund. Diese Sicht auf Weihnachten hat im fünften Jahrhundert die Tradition der Marienverehrung begründet. Andererseits ist Weihnachten an vielen Orten auch ein unruhiges Fest mit allerhand Schabernack. In der säkularisierten Gesellschaft schieben sich zwei Diskurse in den Vordergrund: Weihnachten als Konsumereignis sowie die "weiße Weihnacht", eine "Alpinisierung" des Fests, die auch in der ausgeprägten Weihnachtsfolklore des Alpenraums einen Ursprung hat.

Bräuche sind laut Mezger vielschichtig und unterliegen der Veränderung. Viele sind vom alten römischen Messbuch inspiriert. Es schrieb zum Beispiel für den Martinstag den Schrifttext vom Licht, das nicht unter den Scheffel gestellt werden soll, vor; daher halten die Kinder an diesem Tag Umzüge mit Laternen ab.

Manchmal schafft nicht die Legende den Brauch, sondern der Brauch erfordert eine Legende. Weil am Martinstag traditionell Gänse geschlachtet werden, erfand man die Geschichte vom heiligen Martin, der vor Verfolgern in einen Gänsestall flüchtete, aber von ihrem Geschnatter verraten wurde und sich nun in alle Ewigkeit an ihnen rächt.

Manche Bräuche sind jünger, als man vermuten würde. Der heilige Martin hoch zu Ross kommt aus dem Rheinland und ist erst seit dem Zweiten Weltkrieg im Südwesten unterwegs. Der Adventskranz stammt aus dem 19., der Adventskalender aus dem frühen 20. Jahrhundert. Beide sind übrigens im evangelischen Milieu entstanden, und es dauerte seine Zeit, bis sie auch in den katholischen Bereich Eingang fanden.

Gerade die Bräuche der Adents- und Weihnachtszeit, so Mezger, seien mehr als Kitsch und Kommerz, nämlich ein kulturelles Kapital, und das europaweit. Er stellte den Zuhörern anheim, es gegen Hektik und Konsumtrubel zu nutzen und statt weihnachtsmannfreie Zonen zu fordern, daraus ein vertieftes Verständnis der Jahreszeit zu entwickeln.