Drama bei den Hess-Anlegern: Die Aktien haben mittlerweile 95 Prozent ihres ursprünglichen Wertes eingebüßt. Foto: Kienzler

Mit "Kriegskasse" geht’s voran. Vorläufiger Insolvenzverwalter beruhigt Lieferanten. Produktion fortgesetzt.

Villingen-Schwenningen - Der Verdacht der Bilanzfälschung hat den Aktienkurs der Hess AG ins Bodenlose fallen lassen, auf einen Wert von gerade Mal 80 Cent das Stück. Der vorläufige Insolvenzverwalter Martin Mucha sieht trotzdem eine Zukunft für das Unternehmen.

Der Stuttgarter Anwalt ist fast täglich in Villingen. Gestern scharte Mucha die Belegschaft von Hess um sich, rund 200 Mann, und erläuterte den Stand der Dinge. Demnach sei die "Kriegskasse" gesichert, es könne wieder eingekauft und produziert werden. Lieferanten des Unternehmens habe er versichern können, dass sie nicht auf Rechnungen sitzen bleiben. So werde die Produktion am Laufen gehalten. Das schaffe wiederum Einnahmen und fülle das eingerichtete Treuhandkonto.

Ziel Muchas ist es natürlich, dem in Zahlungsnot geratenen Unternehmen eine neue Perspektive zu eröffnen. Auf Spekulationen wollte er sich nicht einlassen, ob das Unternehmen selbst wieder auf die Beine kommt oder ein Investor das Zepter übernimmt. Hingegen gab sich der Anwalt zuversichtlich, dass der Leuchtenhersteller den Sturm, in welcher Form auch immer, überleben wird: "Die Hess AG hat tolle Produkte und genießt am Markt hohes Ansehen."

Wobei die Rettungs-Bemühungen Muchas auch die in Löbau bei Dresden beheimatete Hess Lichttechnik GmbH umfassen. Einer seiner Mitarbeiter sei gestern dort gewesen und habe die Situation vor Ort aufgenommen.

Auch wenn Mucha Zuversicht verbreitet, sind Hess-Aktionäre sehr verunsichert. So teilte die Verbraucherzentrale für Kapitalanleger gestern mit, sie prüfe gegenwärtig "für verschiedene Aktionäre und ehemalige Aktionäre mögliche Ansprüche". Die Verbraucherzentrale werde auch an der nächsten Hauptversammlung der Hess AG teilnehmen, um Interessen der Anleger zu vertreten. Die Aktie habe von anfänglich 15,50 Euro mittlerweile 95 Prozent ihres Wertes verloren.

Doch vielleicht sei nicht alles verloren, macht die Verbraucherzentrale Hoffnung. Möglicherweise seien die Aktionäre bei ihrem Kauf falsch informiert worden. So stehe der Verdacht im Raum, dass die Vermögens- und Ertragslage im Prospekt der Hess AG nicht korrekt dargestellt wurde. Wenn sich dieser Hinweis erhärten würde, könnten Verluste geltend gemacht oder Aktien zum Einkaufspreis zurückgegeben werden. Weitere Infos gibt die Verbraucherzentrale unter www.vzfk.de.

Der Lohn für die rund 360 Mitarbeiter an den beiden Standorten in Villingen und Löbau bei Dresden ist erst mal gesichert, konnte Mucha die Hess-Belegschaft beruhigen. Bis einschließlich April werde Insolvenzgeld bezahlt. Währenddessen arbeitet sich Mucha weiter in die Unternehmensstruktur ein. Ob er dabei auf Hinweise zu einer Bilanzfälschung gestoßen sei, wie sie derzeit von der Staatsanwaltschaft geprüft werden, wollte Mucha nicht sagen: "Kein Kommentar."