Interview: Rolf Schofer, Rektor der Hochschule Furtwangen, zeigt Perspektiven / Forschung soll gestärkt werden

Schwarzwald-Baar-Kreis. Rolf Schofer, Rektor der Hochschule Furtwangen, gibt im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten einen Ausblick auf die Zukunft der Bildungseinrichtung. Die Hochschule Furtwangen sei ein Garant dafür, dass die Region sich noch mehr zu einem wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Zentrum zwischen Metropolregionen entwickele.

Wie verändert Industrie 4.0 die Studieninhalte und eventuell die Lernbedingungen der Hochschule?

Das Thema "Industrie 4.0" ist inhaltlich schon längere Zeit in vielen Studiengängen verankert, beispielsweise in den Bereichen Maschinenbau, Wirtschaftsingenieurwesen, Informatik, Wirtschaftsinformatik oder Wirtschaft. Es handelt sich hier um ein typisches Querschnittsthema, zu dem in Zukunft verstärkt gemeinsame Module verschiedener Studiengänge angeboten werden können. Themen aus dem Bereich der Informationstechnologie, wie zum Beispiel die Verarbeitung großer Datenmengen und Fragen der Datensicherheit werden innerhalb der Studiengänge noch weiter an Bedeutung gewinnen. Diese Themen werden in unterschiedlichen Studiengängen behandelt. Es handelt sich dabei nicht um eine Revolution der Lerninhalte, sondern um eine Veränderung der Lehrinhalte, zum Beispiel im Bereich der Fertigung. In einigen Jahren wird es eine Fertigung geben, bei der praktisch keine Mitarbeiter direkt in der Produktion tätig sind.

Welches Angebot hat die HFU für Migranten?

Bislang stellen wir keine vermehrte Nachfrage aus diesem Bereich fest. Die große Mehrheit der Flüchtlinge, die derzeit nach Deutschland kommen, bleibt aktuell nur kurze Zeit in unserer Region. Dennoch haben wir Angebote: In den Bachelorstudiengängen Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftsnetze (eBusiness) bieten wir beispielsweise Studierenden mit Migrationshintergrund Unterstützung im Hinblick auf Studienerfolg, Integration und Chancengerechtigkeit. Durch verschiedene Angebote und eine Beratung vor allem in den ersten Studiensemestern begleiten wir sie zum erfolgreichen Studienabschluss. Ein interkulturelles Mentoring richtet sich insbesondere an Studierende im ersten Semester und ermöglicht einen optimalen Start ins Studium. Firmenexkursionen, Seminare und vieles mehr ergänzen das Angebot. Vergleichbare Angebote gibt es auch in anderen Studiengängen. Auch inhaltlich beschäftigt sich die HFU mit aktuellen Fragen. Ein Studierendenprojekt des Studiengangs Angewandte Gesundheitswissenschaften, in dem die gesundheitliche Versorgung von Migranten am Beispiel des Kinzigtales untersucht wurde, hatte zum Ziel, bedarfsgerechte Angebote für die Zielgruppe zu schaffen, um so bestehende Barrieren im Zugang zum Gesundheitssystem zu senken und die Gesundheitssituation der Migranten zu verbessern.

Welchen Schwerpunkt sehen Sie als zukunftsweisend für die nächsten Jahre?

Einen Schwerpunkt in den nächsten Jahren bildet die weitere Stärkung der Forschungsleistung. Ein wichtiger Schritt war die Einrichtung von acht Forschungsinstituten innerhalb des Instituts für Angewandte Forschung Ende 2015. Der Antrag für ein Innovations- und Forschungszentrum der HFU am Standort Tuttlingen im Rahmen des RegioWin-Wettbewerbs ist ein weiterer Meilenstein. In dem neuen Zentrum sollen die Aktivitäten von Betrieben unterstützt werden. Forschungs- und Entwicklungsprojekte, Gründungsaktivitäten sowie Netzwerke und Weiterbildungen werden zu den Geschäftsfeldern gehören. Ein Erfolg im Rahmen des Bundesprogramms FH-Impuls für das Projekt "Connected Health in Medical Mountains" der HFU wäre ein weiterer Meilenstein. Immerhin hat es die HFU unter 80 Anträgen unter die bundesweit 20 Finalisten gebracht. Bis Mai muss nun ein detailliertes Strategiekonzept eingereicht werden. Beides wollen wir zu einer Gesamtstrategie verknüpfen, um die Kompetenzen der Hochschule im Forschungs-, Transfer- und Innovationsprozess für Unternehmen in der Region besser nutzbar zu machen. Ein weiterer Schwerpunkt der nächsten Jahre liegt im Bereich der Weiterbildung. Letztes Jahr konnten wir erstmals Weiterbildungsprogramme in Berlin im Rahmen einer sogenannten Externenprüfung neu anbieten. Möglich macht dies eine Kooperation mit dem in Berlin ansässigen Institute for Cultural Diplomacy (ICD). Wer im Bereich internationale Wirtschaft und Diplomatie Karriere machen möchte, für den stehen in Berlin vier neue Masterstudiengänge zur Wahl. In den nächsten fünf Jahren werden wir außerdem die Zusammenarbeit in der Weiterbildung mit der Universität Freiburg unter dem Titel "Weiter in Südbaden" ausbauen. Gefördert wird dieses Projekt durch Mittel des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg und des Europäischen Sozialfonds. Neben dem Thema "Industrie 4.0", das wir schon angesprochen haben, wird auch die Mobilität als Querschnittsthema über alle Fakultäten einen Schwerpunkt der nächsten Jahre bilden.   Ziel eines  vom Ministerium für den Ländlichen Raum mit 300 000 Euro geförderten Projektes "Mobilität an Hochschulen im Ländlichen Raum"   soll es sein, die spezifischen Mobilitätsbedürfnisse von Studierenden und Beschäftigten in ländlichen Hochschulen zu analysieren.  Anschließend soll im Rahmen eines Praxisversuchs  getestet  werden, durch welche innovativen und "maßgeschneiderten" Mobilitätsangebote die Erreichbarkeitsdefizite gegenüber urbanen Hochschulstandorten auf ein akzeptables Maß verringert werden können.

Eine weitere Kooperation mit dem Land gibt es schon seit längerem?

Ja, wir betreiben mit Unterstützung des Ministeriums für den Ländlichen Raum das Kompetenzzentrum Breitband. Wir haben die Stiftungsprofessur d Digitale Infrastrukturen im Ländlichen Raum in eine unbefristete Professur umgewandelt. Erforscht und durch Beratung unterstützt wird die Einrichtung neuer Infrastrukturen.

Wie sieht es aus mit Promotionen?

Das gemeinsame Promotionskolleg mit der Uni Freiburg wurde verlängert. Aktuell haben wir ungefähr 30 Doktorandinnen und Doktoranden im Haus. Auch außerhalb dieses Kollegs sind Promotionen möglich.

Welche neuen Studiengänge wird die Hochschule in diesem Jahr an den Standorten Furtwangen, Villingen-Schwenningen und Tuttlingen  anbieten?

Zunächst wird im Sommersemester 2016 am Standort Furtwangen der neue Masterstudiengang "Wirtschaftsingenieurwesen-Product Innovation" starten. Der Studiengang mit technischem Fokus vermittelt die erforderlichen Kompetenzen, um aktiv an der Umsetzung neuester Technologien und Methoden in Produktinnovationen mitwirken zu können – praxisnah und an einem konkreten Thema: der Mobilität. Im Oktober   wollen wir am Campus Villingen-Schwenningen einen völlig neuen englischsprachigen Bachelorstudiengang in der Fakultät Wirtschaft im Bereich der Wirtschaftspsychologie mit dem Titel "Business Management and Psychology" starten. Ebenfalls im Oktober wird am Hochschulcampus Tuttlingen der neue Masterstudiengang "Angewandte Materialwissenschaften" starten. Themen im neuen Masterstudiengang werden unter anderem Verbundwerkstoffe und Textilien, etwa für die Herstellung von künstlichen Blutgefäßen, sein. Zudem wird es um Funktionsmaterialien, Gläser für optische Technologien, Fertigungsverfahren von Implantaten, Funktionalisierung von Oberflächen, Funktionsmaterialien oder die Herstellung von elektronischen Bauelementen gehen.

Welche räumlichen Erweiterungen sind vorgesehen?

Am Standort Villingen-Schwenningen hoffen wir, ab 2017 endlich die ehemalige Karlschule komplett nutzen zu können. In Furtwangen sind vor allem Umbau- und Renovierungsmaßnahmen in bestehenden Gebäuden geplant. Für den Hochschulcampus Tuttlingen sind außer dem Innovations- und Forschungs-Centrum für 2016 keine weiteren Baumaßnahmen vorgesehen.

Gibt es sichtbare Erfolge durch Existenzgründungen von Absolventen in der Region?

Das Innovations- und Gründerzentrum der HFU am Campus Furtwangen betreut derzeit 108 Teilnehmende in 63 Projekten bei bislang 29 Gründungen.

Wie sehen Sie momentan die Bedeutung der Hochschule für die Region?

Die Hochschule Furtwangen ist mit derzeit über 6600 Studierenden in den Kompetenzgebieten Ingenieurwissenschaften, Informatik, Wirtschaft, Medien und Gesundheit die größte Hochschule der Region. Der Bedarf an akademisch ausgebildeten Mitarbeitern, an akademischen Weiterbildungsangeboten, aber auch an Unterstützung der Wirtschaft in Forschungs- und Entwicklungsprojekten wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Unsere Region wird als das wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Zentrum zwischen den Metropolregionen noch weiter an Bedeutung gewinnen. Zusammen mit den anderen Hochschulen und Hochschuleinrichtungen sind wir ein Garant für die Entwicklung.

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