Joachim Senger, Bundestagskandidat der AfD im Schwarzwald-Baar-Kreis. Foto: Eich

Bei Wanderung mit AfD-Bundestagskandidat Joachim Senger wird kontrovers diskutiert.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Dunkle Wolken und anfangs rauer Wind weht, als der AfD-Bundestagskandidat Joachim Senger mit dem Schwarzwälder Boten zur Wanderung an den Kirnbergsee aufbricht. Rauer Wind, wie er der AfD auch sonst entgegenschlägt?

Nein, der Wahlkampf verlief in den Augen des Kandidaten Joachim Senger bislang sogar recht harmonisch. "Wahlkampf", sagt er und blickt zweifelnd drein. Er hadert mit diesem Ausdruck – schließlich kämpfe er nicht gerne, sagt er später beim gemütlichen Ausklang der Wanderung im Lokal Sternen-Post am Kirnbergsee.

Die eigene Sprachregelung ist bei der AfD offenbar ohnehin ein ganz besonderes Thema. Wo andere Parteien von der "Bevölkerung in Deutschland" sprechen, ist bei der AfD schon gerne, etwas antiquiert wirkend, vom "deutschen Volke" zu lesen, und während andere schlicht die "Geburtenrate" erhöhen möchten, fordert AfD-Frau Frauke Petry, die "Schrumpfung des deutschen Volkes" zu verhindern. "Das ist auch nicht unsere Sprachregelung", stellt Joachim Senger klar. Und sein Unterstützer Jürgen Efinger erläutert: "In den neuen Bundesländern gewinnt man Stimmen mit so einer Sprache. Uns hier ärgert das genauso."

Trotzdem zuckte kaum jemand, als sich der AfD-Gemeinderat Martin Rothweiler aus Villingen-Schwenningen beispielsweise bei der AfD-Wahlveranstaltung über die "Innere Sicherheit" in Villingen im Zusammenhang mit Flüchtlingen in der Verwendung einer Floskel in den Augen mancher Zuhörer grob vergriff: "Bevor das Kind in den Brunnen fällt, oder ins Mittelmeer", sagte Rothweiler dort.

Ein so laxer Sprachgebrauch, wo es um das Leben unschuldiger Kinder geht, ließ Beobachter innerlich zusammenzucken. Den Bundestagskandidaten Joachim Senger auch? "Nein, wer soll sich daran stoßen?", fragt er zurück. In so einem Fall sei natürlich Hilfe angesagt und "man hilft gerne, insbesondere den wirklichen Flüchtlingen", darüber brauche man gar nicht zu diskutieren.

"Da können unsere Landwirte gar nicht mithalten"

Diskutieren aber ist es, was Joachim Senger und seine Mitstreiter, von denen fünf an diesem Dienstagnachmittag mit auf Tour sind, derzeit ganz besonders aktiv tun. "Wir reden alle gerne mit den Leuten draußen, wir wollen einfach wissen, was los ist, wo der Schuh drückt", erklärt Joachim Senger.

Landwirtschaft ist so ein Thema, dem er sich verschrieben habe. Ein weites Feld ist das, sogar innerhalb des Wahlkreises 286. Die Bauern an der Schweizer Grenze hätten ganz andere Probleme als die Kinzigtal-Bauern. "Durch die vielen Flächen, die von Schweizer Landwirten angepachtet oder gar gekauft werden", seien die grenznahen Landwirte arg gebeutelt. Die Eidgenossen bauten dort Korn an, "kriegen dann bei Grenzübertritt die Mehrwertsteuer hochgerechnet erstattet und verkaufen den Weizen für den sechs- bis siebenfachen Preis in der Schweiz". "Da können unsere Landwirte nicht mithalten, die gehen einfach vor die Hunde hier", so Senger und sieht nur einen Ausweg: das Deutsch-Schweizer Abkommen auseinanderzunehmen und gegebenenfalls einzelne Vereinbarungen aufzukündigen.

Den Mindestlohn aufkündigen wolle die AfD übrigens nicht, "im Gegenteil, die AfD möchte unbedingt den Mindestlohn erhalten", betont Senger. Aber: "Jetzt gibt es Bereiche, denen schadet der Mindestlohn ohne Ende", so Senger und führt als Beispiel Erntehelfer aus Rumänien oder Bulgarien an. Erntehelfer, wie sie beispielsweise bei einem Landwirt aus der Höri, der in Bad Dürrheim den Markt beschicke, engagiert seien. "Und jetzt muss er die mit 8,84 Euro bezahlen." Diese Erntehelfer seien zwei bis drei Monate hier, verdienten in dieser Zeit so viel Geld, "dass sie den Rest des Jahres daheim den Bauch in die Sonne strecken können". Erntehelfer aus der Region seien nicht zu bekommen. "Die Erntehelfer könnten auch für 4,50 Euro die Stunde arbeiten und aller-, allerbestens leben", schlägt Senger vor. Aber heißt das nicht im Umkehrschluss, dass die Landwirte dann von vornherein gar keine deutschen Erntehelfer mehr engagierten oder sich zumindest um diese bemühten, wenn Erntehelfer aus den östlichen Nachbarländern ohnehin billiger zu haben seien? Joachim Senger zögert, wägt ab und meint dann: "Ja, das stimmt, das Argument lasse ich gelten."

"Ich wäre schon vor der Frau Weidel gegangen"

Ähnlich wie bei diesem Thema entspinnt sich an diesem Nachmittag immer wieder eine äußerst rege und zumeist auch kontroverse Diskussion zu den verschiedensten Themen. "Wir reden alle gerne mit den Leuten draußen, wir wollen einfach wissen, was los ist, wo der Schuh drückt", meint dann auch der Bundestagskandidat des Wahlkreises.

Dass die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel hingegen fluchtartig die ZDF-Wahlrunde mit Marietta Slomka verlassen hat, versteht Senger: "Ich glaube, ich wäre schon vor der Frau Weidel gegangen." Er finde es einfach "ungehörig", wenn Fragen gestellt werden, aber dem Antwortenden ständig ins Wort gefahren wird – "und dann kamen natürlich die massiven Angriffe von dem Herrn Scheuer", schildert Senger die Auseinandersetzung mit dem CSU-Generalsekretär und meint mit Blick auf Weidels Ausbruch: "Ich kann das sehr gut nachvollziehen."

Nicht nachvollziehbar ist es hingegen für ihn, wenn von dem AfD-Programm "Fit 4 Return" für Flüchtlinge kaum die Rede ist. Demnach sollten, so Senger, Migranten die deutsche Sprache lernen und sollten ihnen möglichst schnell verkürzte handwerkliche Ausbildungen zukommen, um ihnen eine Perspektive mit auf den Rückweg in ihre Heimat zu geben. "Die kommen ja nicht zu uns, weil es ihnen dort gut geht, sondern weil sie dort keine Perspektive haben." Darüber hinaus müssten die Flüchtlinge dann natürlich auch in ihrer Heimat betreut werden – er selbst habe bei den Flüchtlingsbetreuern bereits seine Dienste angeboten und wolle "in Nigeria, vor Ort, die Leute unterstützen".

Mit viel Herzblut steht Joachim Senger hinter diesem AfD-Projekt, das die FAZ Ende 2016 vor allem dafür kritisiert hatte, dass laut einer der FAZ vorliegenden Kurzfassung des Papiers die Asylbewerber "in ›Communities‹ auf ihre Rückkehr vorbereitet werden" sollten und "eingeschränkte Grundrechte" hätten. Doch die Grundzüge des Programms, Hilfe zur Selbsthilfe und Entwicklungshilfe in der Heimat zu geben, seien gut, ist Senger überzeugt. Immer wieder erwähnt er es an diesem Nachmittag am Kirnbergsee und ärgert sich mächtig, "weil nirgends darüber berichtet wird". "Warum denn?", will er wissen, "es ist ein guter Vorschlag – jetzt kommt er halt dummerweise von der AfD", wittert er einen Grund dafür und erklärt im gleichen Atemzug sein Wahlmotto "Vernunft statt Ideologie".

Aber Joachim Senger hat Hoffnung, kämpft um jede Stimme, auch wenn er das Wort "kämpfen" eigentlich gar nicht mag, und glaubt: "Die Leute sind jetzt grad am Aufwachen."