Die Hirschberg-Grundschule in der Paulinenstraße: Wie jetzt bekannt wurde, überschreitet die in fünf Räumen gemessene Formaldehyd-Konzentration den empfohlenen Richtwert. Foto: Bienger/Falke

Gefahr geht von Wänden in einigen Räumen aus. Eltern der Schüler besorgt und wütend.

VS-Schwenningen - Es ist unsichtbar, es riecht stechend, und es ist gesundheitsschädlich: Formaldehyd. Eine erhöhte Konzentration des mutmaßlich krebserregenden Gases wurde jetzt in der Bausubstanz der Hirschbergschule festgestellt. Schulleitung und Stadt sind alarmiert.

Alles begann mit einer Entzündung im Hals. Yvonne Kissendorfer, Rektorin der Hirschbergschule, klagte über Beschwerden, deren Ursache sie nicht zuordnen konnte. Weil die Hirschbergschule vor 15 Jahren schon einmal mit einer erhöhten Konzentration des Gases Formaldehyd zu kämpfen hatte, ordnete sie eine Messung der Luft in einigen Räumen der Schule an. Und siehe da: Die zulässigen Höchstwerte des toxischen Gases sind überschritten. Vor allem Sekretariat und Rektorat des in den 1960er-Jahren erbauten Schulgebäudes sind betroffen.

"Das Formaldehyd geht von der Holzvertäfelung der Wände aus", erläutert Kissendorfer. In der Tat sind Sekretariat und Rektorat großflächig mit den Spanplatten mit Holzfurnier verkleidet; auch die Decke ist aus Holz. Die Kombination aus dieser Bausubstanz in Verbindung mit der geringen Raumgröße führt zur erhöhten Formaldehyd-Konzentration. "Die Klassenzimmer sind ersten Erkenntnissen zufolge auch betroffen, aber nicht so stark, da die Wände dort aus Beton sind", sagt die Rektorin. Lediglich die Decke in den Klassenräumen sei ebenfalls hölzern. Kissendorfer betont: "Keines der Kinder und auch sonst niemand vom Personal hat über gesundheitliche Probleme geklagt. Es gab, außer bei mir selbst, keine Auffälligkeiten."

Bekannt wurde das Problem offiziell bei einem Eltern-Infoabend vor zwei Tagen, zu dem die Stadtverwaltung geladen hatte. Die Presse war nicht eingeladen. Die Eltern hätten ängstlich reagiert, erzählt Kissendorfer, und die Stadt habe versprochen, schnell zu handeln. Nicolas Lutterbach, städtischer Pressesprecher, bestätigt auf Nachfrage: "Als prophylaktische Sofortmaßnahme ist der vorläufige Einsatz von Luftreinigungsgeräten mit Feinst- und Aktivkohlefiltern in jedem der wahrscheinlich betroffenen Räume (insgesamt 18) vorgesehen, während parallel dazu ein umfassendes Sanierungskonzept erarbeitet wird." Die Filteranlagen, deren Beschaffungskosten sich auf rund 80 000 Euro summieren, sollen noch vor Weihnachten aufgestellt werden; zugleich werde sich der Technische Ausschuss in seiner Sitzung am 2. Dezember mit der weiteren Vorgehensweise befassen und ein Konzept für eine erste Probesanierung erarbeiten.

Denn: Noch weiß man nicht, wie viele Räume in der Schule genau betroffen sind. Überprüft wurden bei der von Kissendorfer veranlassten Untersuchung fünf, und auch wenn die Wände in den Klassenzimmern überwiegend aus Beton sind, so sind die Flurwände mit dem Träger des Formaldehyds – also mit der Holzvertäfelung – verkleidet. Lutterbach bestätigte, dass die Grundschüler im Laufe der Sanierungsarbeiten möglicherweise in die Friedensschule ausweichen werden müssen.

Die Redaktion hat sich gestern nach Schulschluss außerdem direkt bei den Eltern der Hirschbergschüler umgehört. Die Umfrage zeigt, dass die Mütter und Väter sehr besorgt über die Entwicklungen sind. Vor allem aber sorgt sie, dass nun noch Wochen ins Land ziehen werden, bis erste Maßnahmen überhaupt umgesetzt werden können.

Anna Fischer mit ihrer Tochter Inessa zeigt sich schockiert: "Vor allem auch darüber, dass das Problem schon so lange besteht und wir erst so spät informiert wurden. Ich hoffe, es wird schneller gehandelt als bis jetzt geplant ist. Nur mit Sorgen kann ich Inessa jetzt noch in die Schule schicken."

Deniz Demasi, Elternbeirätin, ist richtig zornig und spricht davon, dass sehr wohl einige Kinder Beschwerden gehabt hätten: "Nasenbluten, Kopf- und Bauchschmerzen haben Kinder beschrieben. Auch meine Tochter Alissa hat schon zwei bis drei Monate nach der Einschulung geklagt. Ein Kinderarzt hat mir gesagt, dass alle Kinder sofort aus der Schule raus müssten. In Container oder in die Friedensschule auszuweichen, wären eine Möglichkeit. Ich wollte schon eine Elternversammlung mit dem Beirat einberufen, aber eine Lehrerin meint, dass das nichts bringt."

Info: Formaldehyd

Das süßlich-stechend riechende Gas Formaldehyd (chemisch: Methanal) wird unter anderem als Konservierungsmittel für Lacke, Farben und Kosmetika verwendet und steckt beispielsweise in Möbeln, Textilien und – wie in diesem Fall – Holzspanplatten. Es kann zu Kopfschmerzen, Atembeschwerden und gereizten Schleimhäuten führen und steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Bei Kindern kann Formaldehyd hochdosiert sogar lebensbedrohlich sein. Ein verbindlicher Grenzwert für Innenräume existiert nicht, das Bundesgesundheitsamt empfiehlt jedoch, einen Wert von 0,125 Milligramm pro Kubikmeter nicht zu überschreiten.

Laut dem städtischen Pressesprecher Nicolas Lutterbach haben die Messungen in fünf Räumen der Hirschbergschule vor dem Lüften Werte zwischen 0,198 und 0,282 Milligramm pro Kubikmeter ergeben, nach dem Lüften lagen diese noch zwischen 0,116 und 0,182.