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Man muss nicht prominent sein und den Namen Jürgens tragen, um sich eine Schlammschlacht ums Erbe zu liefern.

Villingen-Schwenningen - Man muss nicht prominent sein und den Namen Jürgens tragen, um sich eine Schlammschlacht ums Erbe zu liefern. Auch im Oberzentrum "bekriegen sich normale Geschwister bis aufs Messer". Der, der das sagt, arbeitet seit über 30 Jahren als Erbrechtler.

Der Erbrechtler Gerhard Ruby eröffnet mit einer dramatischen Einschätzung das Gespräch. "Die Zahl der strittigen Erbfälle hat einen Quantensprung gemacht." Eine beachtliche Steigerung, die er nicht zuletzt mit dem "Zerfall der Familienstrukturen" und dem Aufkommen von Patchworkfamilien erklärt.

Mit dem Auseinanderbrechen von Familien zerbrechen häufig die Bande zwischen Eltern und Kindern und zwischen den Geschwistern, beobachtet er. "Nach dem Tod erleben wir unter den Hinterbliebenen ein Hauen und Stechen. Die familiäre Rücksichtnahme ist ein Fremdwort geworden. Früher waren drei von vier Testamenten unproblematisch, heute hat sich dieses Verhältnis genau umgekehrt."

Was sind die "Klassiker" seiner Arbeit in der Kanzlei geworden? Da sind zum einen Kinder, die sich durch einen Elternteil benachteiligt sehen und die sich, "zu Unrecht enterbt sehen und den Pflichtteil einklagen müssen, der ihnen gesetzlich zusteht". Solche Konflikte entstehen häufig nach einer Trennung: Ein nicht seltenes Szenario: Frau lässt sich scheiden, nimmt die Kinder mit, zieht sie auf ihre Seite. Der Ehemann heiratet wieder, die "Neue" bringt ebenfalls Kinder mit, und zieht den Partner auf ihre Seite.

Die Kinder aus erster Ehe? "Da spielt sich dann oft eine völlige Entfremdung ab", skizziert Ruby das Bild vom Ende einer Ehe, wie es sich nicht abspielen sollte. Andererseits beobachtet Ruby als Folge der häufigen Ehe-Konflikte "eine Renaissance der Vor- und Nachbarschaft, will sagen: Großeltern trauen den Partnern ihrer Söhne oder Töchter nicht mehr über den Weg und vererben das Erbe gleich den Enkeln, falls das eigene Kind stirbt. "Wir sehen ein großen Misstrauen in den Bestand einer Ehe." Weitere Gründe, warum Eltern ihre Kinder vom Erbe ausschließen: Sie sind insolvent, verschuldet, arbeitslos oder leben von der Sozialhilfe.

Andere problematische Konstrukte, die sich auftun: Eine von Rubys Zuhörerinnen fragte bei einem Erbrechtsvortrag, was sie machen solle. Sie habe nur ein Haus, aber drei Kinder und wolle diese gleich bedenken. Außerdem habe sie gehört, dass das Modell einer Erbengemeinschaft nicht gut sei. Eine Bekannte hätte ebenfalls drei Kinder gehabt. Das Haus sei in die Erbengemeinschaft gefallen und eine der Miterben habe es zwangsversteigern lassen. Er habe dann das Haus im Wert von 300 000 Haus für 90 000 Euro ersteigert, so dass die anderen Kinder nur 30 000 Euro bekommen hätten.

Dieser Fall zeigt für Ruby die Problematik der Erbengemeinschaft auf. Jeder Miterbe könne grundsätzlich die Versteigerung des Familienheims beantragen. "In der Zwangsversteigerung kann das Haus im ersten Termin mit der Hälfte des Verkehrswertes versteigert werden. Im zweiten Termin gibt es keine Wertgrenzen mehr." Hier gibt es nach Auskunft des Anwalts jedoch verschiedene Möglichkeiten die Zwangsversteigerung des Hauses zu verhindern, damit alle Kinder gleich bedacht werden. Denkbar sei ein Ankaufsrecht.

Rubys Lieblingslösung für solche Fälle findet sich etwas versteckt im Bürgerlichen Gesetzbuch. So könne der Erblasser anordnen, dass die Auseinandersetzung nach dem "billigen Ermessen eines Dritten" erfolgen soll. Dieser Dritte könne auch ein Testamentsvollstrecker sein. "Billig heißt in diesem Fall natürlich nicht, dass der Testamentsvollstrecker das Haus zu einem niedrigen Preis verkaufen soll, sondern zum gerechten Preis. Dies wären im vorliegenden Fall dann eben 300 000 Euro gewesen."

Ruby würde jederzeit wieder Erbrechtler werden: "Das ist eine spannende Sache." Hohe Vermögenswerte sieht er eher differenziert. "Besitz ist nicht immer ein Segen. Je mehr da ist, desto rücksichtsloser wird oft gegeneinander Krieg geführt."