Dekan Fischer: nach Gewissen entscheiden

Villingen-Schwenningen (uwk). Soll mit Stolpersteinen an das Schicksal jüdischer Bürger in VS erinnert werden? Ja, heißt es in zahlreichen Meinungsbeiträgen. 45 Bürger haben einen Leserbrief unterzeichnet, in dem sie sich klar für die Initiative aussprechen. Nein, sagen bislang CDU und FW. Morgen entscheidet der Gemeinderat.Wie emotional über die "Stolpersteine" diskutiert wird, zeigt Renate Breuning auf. Über sie sei ein "Shitstorm" an E-Mails, eine Flut an meist negativen Nachrichten, niedergegangen. Mehr will die Fraktionssprecherin der CDU zwei Tage vor der Gemeinderatssitzung nicht zu diesem hochemotionalen Thema im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten sagen. Erst will sie ihre Fraktion informieren. Die Öffentlichkeit soll später über ihr Konzept erfahren. Auch Erich Bißwurm, Sprecher der Freien Wähler, will der Fraktionssitzung von gestern Abend, nicht vorgreifen.

Anders Klaus Martin, Chef der CDU-VS, der insbesondere dafür plädiert, über das Thema eines Erinnerns an die Opfer der Nazi-Zeit zu diskutieren. Dafür hätte er mehr Zeit benötigt. Denn: Vielleicht hätten sich völlig neue Ideen ergeben, meint Martin. Nachdenkenswert sei eine Stele am Rathaus auf dem Münsterplatz, die keinesfalls in einem dunklen Eck stehe, wie in Leserbriefen behauptet.

Josef Fischer, Dekan im katholischen Dekanat Schwarzwald-Baar und Münsterpfarrer, ist einer der fünf Theologen, die sich für die Stolpersteine aussprechen. Die Reaktionen seien überwiegend positiv. "Ich erlebe eine große Unterstützung", sagt er und ergänzt: "Wir wollen bewusst einen Anstoß geben." Letztlich sei das Thema Sache der Bürger. Die Argumente aus CDU und FW könne er gedanklich nachvollziehen, jedoch nicht inhaltlich.

Die Kirchenvertreter seien in die Sitzung morgen Nachmittag eingeladen und sie seien auch bereit, ihre Initiative zu begründen, wenn sie die Gelegenheit dazu erhalten sollten. Und noch eines: Fischer hofft, dass jeder einzelne Gemeinderat abseits von Parteipolitik nach seinem Gewissen entscheidet. Dies wünscht sich der Dekan.

Und wenn sich die Mehrheit nicht für die Verlegung von Stolpersteinen ausspricht? Dann ist es für Fischer eine demokratische Entscheidung. Für Klaus Martin die Fortsetzung einer Debatte, die seines Erachtens geführt werden muss.

Klar ist: Die Entscheidung im Gemeinderat wird ähnlich knapp ausfallen wie im Verwaltungs- und Kulturausschuss (sechs zu sieben). SPD, Grüne und FDP sprachen sich für die Stolpersteine aus, CDU und FW dagegen.

Weitere Informationen: Die Gemeinderatssitzung beginnt morgen, Mittwoch, 16.05 Uhr, im Münsterzentrum in Villingen.

Eine Initiative von Kirchenvertretern in VS hat anlässlich des 75. Jahrtages der Reichspogromnacht in einem Schreiben an OB Rupert Kubon und die Fraktionen des Gemeinderats beantragt, dass die Stadt das Kunstprojekt Stolpersteine unterstützt. Damit soll der ehemaligen Bürger jüdischen Glaubens und ihrer Familien, wie anderer verfolgter und ermordeter Menschen, gedacht werden. Nach den Recherchen gab es in Villingen 21 und in Schwenningen sechs Häuser, die früher in jüdischem Besitz waren oder damals von jüdischen Bürgern bewohnt wurden. Finanziert wird die Aktion durch private Spenden und Patenschaften. Ein Stein, (Planung, Fertigung und Verlegung) kostet 120 Euro.