Der Buchbinder Helmar Keller hat in seiner Sammlung viele handgemachte Schmuckstücke. Foto: Kauffmann Foto: Schwarzwälder-Bote

Altes Handwerk: Helmar Keller liebt seinen Beruf, bis heute gibt er Kurse an der Volkshochschule

Architekt hat er werden wollen. Als Buchbinder war Helmar Keller aber so erfolgreich, dass er es nie bereut hat. Er lernte das Handwerk in einer Zeit, in der Bücher noch mit Nadel und Faden von Hand hergestellt wurden. Im Regal hat er ein ganz besonderes Exemplar stehen.

VS-Villingen. Schwer wiegen die Kisten, die Helmar Keller hereinträgt. Ihr Inhalt? Ein Schatz, kunstvolle Handarbeit: "Das ist jetzt etwas ganz Besonderes", sagt er. Es ist das dritte von insgesamt gerade einmal 90 handgebundenen Büchern: Keller schlägt das Buch auf – und zeigt wieder auf abstrakte Kunstwerke. In seiner Gallerie in der Niederen Straße in Villingen hatte er sie Ende der 1980er-Jahre ausgestellt, bevor er sie in einem großformatigen Buch zusammenfasste.

Zu sehen sind Radierungen in blau, rot und braun auf dickem Papier: "Das bringt Tiefe", sagt Keller – und fordert geradezu zum Probieren auf. Wer mit den Fingern über das Büttenpapier fährt, tastet sich entlang von Gräben und Hügeln. Ein echter Hingucker zum Anfassen. "Das ist was Herrliches", schwärmt Keller.

Mappen für Staatsverträge

Sogar die Buchstaben haben Tiefe: "Das sind Bleibuchstaben, das gibt’s heute ja nicht mehr so. Da merkt man mit den Händen richtig die Schrift." Das ist ein Buch, dem man die Handarbeit schon ansieht. Die Seiten werden einzeln gefaltet und mit Nadel und Faden zusammengebunden. Aber Bücher sind nicht alles, was Helmar Keller in seinem Leben als gelernter Buchbinder hergestellt hat.

Mappen für die Staatsverträge der Bundesregierung aus Zeiten der Bonner Republik kommen aus seiner Produktion. "Ich habe auch eine Bibel aus dem 16. Jahrhundert restauriert. Das war schon was Besonderes." Unzählige Unikate sind während seines Berufslebens entstanden – und das, obwohl er ursprünglich Architekt werden wollte. "Ich war als Buchbinder so erfolgreich, dass ich es nie bereut habe", blickt der 80-Jährige zurück.

In seinen Beruf startet er kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Goslar. Dort absolviert er eine Ausbildung zum Buchbinder, legt danach Stationen in Braunschweig, Bonn und München ein. Danach kommt er dauerhaft nach Villingen, um die Buchbinderei und Einrahmungswerkstätte seiner Großeltern zu übernehmen.

Galerie in der Paradiesgasse

Mitte der 80er-Jahre eröffnet er zusätzlich eine Galerie für zeitgenössische Kunst in der Paradiesgasse. In dieser Zeit startet er mit Buchbinderkursen ander Volkshochschule. "Es ist erstaunlich, wie viele Laien diesen Beruf mögen, sonst hätte ich ja keine Schüler mehr", sagt er schmunzelnd.

Wer allerdings heute Buchbinder werden will, habe es schwer: "Früher hat es in jedem Dorf eine Buchbinderei gegeben." Heute müsse man lange suchen bis man eine Lehrstelle finde. Alleine in Villingen habe es in den 1950ern drei Buchbinder gegeben. Dennoch: "Buchbinder sind nach wie vor gefragt", wenn auch nicht in dem Ausmaß wie einst. Vor allem, wenn es um Restaurationen alter Bücher oder die Herstellung von Musterbänden gehe.

"Früher haben wir auch die Abschlussarbeiten von Uni-Absolventen gebunden, heute macht man das mit einem USB-Stick", sagt er lachend.

Kleidung, Bücher, Uhren: Mit kunstvoller Fingerfertigkeit wurden diese Alltagsgegenstände hergestellt – jedes ein Unikat. Es ist jedoch lange her, dass es für solche Produkte eigene Ausbildungsberufe gab. Was einst Handarbeit war, ist bis heute günstig und massentauglich für Millionen Abnehmer geworden. Grund genug für den Schwarzwälder Boten, altes Handwerk in einer Serie aufzugreifen, die nicht nur die Berufe beschreibt, sondern auch Menschen aus Villingen-Schwenningen, die ihn beherrschen.