Die absonderlichsten Geräusche entlockt das Ensemble Vandel den Instrumenten. Mit experimentellen Klängen begeisterten die jungen Künstler auch bei der Premiere ihrer Neuvertonung des Stummfilms "The Lodger" beim Innenhof-Festival. Foto: Streck Foto: Schwarzwälder-Bote

Innenhof-Festival: Ensemble Vandel feiert Uraufführung seiner Vertonung des Hitchcock-Thrillers "The Lodger"

Wie ein gellender Schrei hallt die Oboe im Dunkeln, ein über Gitarrensaiten kratzender Bogen erzeugt Gänsehaut: Nervenkitzel pur bei der Vorführung des Stummfilms "The Lodger" von Alfred Hitchcock, für den das Ensemble Vandel eine atmosphärisch dichte Klangebene geschaffen hat.

VS-Villingen. Eine gelungene Uraufführung feierten die Studenten der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen im Villinger Innenhof – eine Premiere im doppelten Sinn auch für die Festivalmacher. "Zum ersten Mal haben wir einen Kompositionsauftrag vergeben", versprach Richard Hehn einen besonderen Abend mit der neuen Filmmusik zum ersten Thriller des Altmeisters – nicht weniger als eine "Weltpremiere".

Und er sollte recht behalten. Was die vier Musiker und eine Oboistin da für einen Klangteppich entworfen haben, ist brillant. Kaum liefen die ersten Filmfrequenzen, ließ einen nicht nur der Londoner Nebel, in dem ein Frauenmörder immer wieder dienstags sein Unwesen treibt, schaudern, sondern auch die Geräuschkulisse, die durch den Hof waberte. Die Klänge untermauern die Bildsprache und steigern die Spannung, was es mit es dem Serienmörder und dem geheimnisvollen Untermieter auf sich hat, der mit der blonden Tochter des Hauses flirtet und sich nachts aus dem Haus schleicht. Die Musik nimmt eine ebenso wichtige Rolle ein wie die Bilder. Unheimlich und unheilverkündend kommen die Töne daher, ebenso wie die Verfolgungsjagden durch die düstere Metropole. Kaum geht es in die hellen Ballsäle und die Welt der Mannequins, stimmt das Ensemble tänzerische Melodien an. Leitmotivisch begleiten die einzelnen Tonsequenzen durch den Film. Immer wieder scheinen Herztöne zu klopfen, Türen zu quietschen und Treppen zu knarren.

Den Musikern gelingt es, die absonderlichsten Geräusche zu erzeugen. Sie hacken mit dem Bogen auf die Gitarrensaiten ein oder nutzen auf den Korpus als Schlaginstrument. "Wir haben vieles umgebaut und uns im Baumarkt eingedeckt", verrät Robert Menczel, wie solch ein Klangteppich entstehen kann. Zusammen mit György Michelberger, Martin Schäfer und Marius Schnurr hat er bereits mit den "Open Source Guitars" der Hochschule eine Neuvertonung von Friedrich Murnaus Stummfilmklassiker "Nosferatu" mit präparierten E- und Akustikgitarren, Sägen und Akkuschraubern entwickelt. Inzwischen haben sie mit der Oboistin Ximena Poveda das Ensemble Vandel gegründet.

Rund ein halbes Jahr haben sie in ihr Werk für den Innenhof gesteckt und auf "hausgemachte" Effekte gesetzt, die sie in einer Soundbibliothek im Computer gespeichert haben. "Wir wollten wissen, welche Klänge mit einer Gitarre überhaupt mögliche sind", beschreibt Menczel den experimentellen Ansatz des Quintetts. Solche Projekte seien für sie eine tolle Möglichkeit, sich neben dem Studienalltag auszuprobieren. Eine Spielwiese, auf der sich die jungen Künstler hoffentlich noch oft austoben, die Besucher waren jedenfalls begeistert von diesem einzigartigen Filmgenuss. Die Festivalmacher haben mit der Auftragskomposition ein tolles Erlebnis beschert, und dem Ensemble ist zu wünschen, dass es mit dem Film "The Lodger" auf Tournee gehen und noch vielen weiteren Zuschauern die Gänsehaut über den Körper treiben kann.