Die BEA in Villingen bietet 949 Flüchtlingen Unterschlupf – trotzdem sehnen Sie nichts mehr herbei, als endlich registriert zu werden. Foto: Eich

BEA: Vollständig ist Infrastruktur für Flüchtlinge noch lange nicht. Mit ihnen kommen die Erwartungen an das gelobte Land.

VS-Villingen - Das Leben ist nicht schwarz oder weiß. Erst recht nicht in der BEA, der Bedarfsorientierten Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in der Villinger Dattenbergstraße. "Die" Flüchtlinge gibt es hier nicht.

Stattdessen leben dort derzeit 949 Menschen. Sie leben hier auf Zeit. Und jeder von ihnen bringt seine eigene Geschichte mit. Jetzt aber wedeln sie mit ihren Laufzetteln vor Ansgar Fehrenbachers Nase herum. Alle reden durcheinander, pochen mit Zeigefingern auf Stempel mit ihrem Einreisedatum. Und sie drängen darauf, endlich in Karlsruhe registriert zu werden – manche warten schon seit drei Monaten. Sobald sie beim Presse-Rundgang mit dem Leitenden Regierungsdirektor Ansgar Fehrenbacher vom Regierungspräsidium Freiburg über das Gelände der BEA die Chance dazu wittern, stellen sie die immer gleiche Frage: "Wann werden wir in Karlsruhe registriert?"

Mancher vermisst in ihren ungeduldigen Fragen genervt die Dankbarkeit gegenüber Deutschland und ein Hauch von Verständnis für das von Flüchtlingen völlig überrannte Land. Doch die hoffnungsvollen Blicke sprechen Bände: Viele der Flüchtlinge kamen mit enormen Erwartungen an das starke Deutschland, wollen hier Träume verwirklichen, ein neues Leben beginnen. Da passt das Herumgeschubse zwischen Grenzen, Unterkünften, BEA und der Landeserstaufnahmestelle LEA ebenso wenig ins Bild wie bürokratische Hürden.

"Dieser Mann hier ist gekommen, weil er mit Ihnen reden will", sagt die Einrichtungsleiterin Rahma Abouahmed den Pressevertretern und deutet auf einen Tunesier. "Ich habe eigentlich nichts Negatives zu sagen, nur, dass es schneller gehen soll", sagt der 37-Jährige. Er sei vor zwei Monaten vor den IS-Terroristen aus Tunesien geflohen. Sie seien noch nicht in seiner Stadt gewesen – aber er habe Angst gehabt, dass sie kommen könnten und er in den Krieg ziehen müsse. Seine Frau und seine elf und neun Jahre alten Kinder ließ er zurück. Ja, wenn er hier erst einmal sein Leben im Griff habe, wolle er sie vielleicht nachholen. Wovon er leben wolle, was er gelernt habe? Er zuckt mit den Schultern. Die Schule habe er nur bis zur sechsten Klasse besucht.

Ein Flüchtling wie er Hetzern in Zeiten der Flüchtlingskrise Nahrung verleihen könnte. Doch dann trifft man in der Villinger BEA auch auf Menschen wie ihn: einen 34-jährigen Syrer und Vater dreier Kinder auf der Flucht vor der Armee des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad: "Die kennen nur schwarz oder weiß, entweder Du gehörst dazu oder Du bist dagegen." Er selbst war nichts davon, nur zur falschen Zeit am falschen Ort: auf der Straße in seiner Heimatstadt Hama. Die Armee wollte seinen Ausweis sehen – "wer zu Assads Armee gehört, hat einen bestimmten Ausweis". Er gehörte nicht dazu. Man habe ihn ins Gefängnis gesteckt. Mit 24 anderen Gefangenen in einem Raum von zweieinhalb auf zweieinhalb Metern. Das Toilettenwasser sei für alles da gewesen – zum Trinken, zum Duschen und Händewaschen. Zu essen gab es Verdorbenes. Und eine Woche vor der Verhandlung täglich Schläge; bei verbundenen Augen mit hinter dem Rücken gefesselten Händen. Er sollte unterschreiben – was genau, weiß er nicht. Aber er weigerte sich, eine Waffe für Assad zu tragen, erzählt er, und als er nach seiner Freilassung erneut einbestellt werden sollte, ergriff er die Flucht. Mit dem Schlepper für 3000 Euro über die Türkei in 15 Tagen nach Deutschland. Ankunft: 1. August. Jetzt ist er da und ebenfalls Einer, der hofft, dass das mit der Registrierung schnell voran geht. Aber nicht aus purer Ungeduld, sondern weil er seine Kinder und seine Frau wiedersehen will, mit welchen der Krankenpfleger derzeit nur per Internet verbunden ist.

Sonst fehlt es den Flüchtlingen in der BEA objektiv betrachtet an nichts, außer etwas mehr Platz. Sie bekommen Kleidung und zu essen, können sich über gemeinnützige Arbeit sogar 1,05 Euro pro Stunde verdienen. Täglich ist ein Doktor vor Ort, und bald soll es in der früheren Französischen Schule nicht nur Gemeinschaftsräume für Sprachkurse und Sportangebote geben, sondern sogar einen Kindergarten, betrieben von der European Homecare, der Organisation, die den Betrieb der BEA führt.

Aber vollständig ist die Infrastruktur für die Flüchtlinge in Villingen trotzdem noch lange nicht, lässt Ansgar Fehrenbacher wissen. Die Reihenhäuser gegenüber der Französischen Schule sollen noch belegt werden. Und obendrein sind noch die Standorte Mangin und Lyautey in der Prüfung. Selbst dort, wo noch vor Monaten niemand Menschen wohnen lassen wollte, wird umgedacht, erzählt Fehrenbacher: "Unsere Ansprüche sinken von Tag zu Tag."

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