Die Staatsanwaltschaft Mannheim will Licht ins Dunkel rund um den Bilanzskandal bei dem Leuchtenhersteller Hess bringen. Foto: Kienzler

Leuchtenhersteller in Zahlungsschwierigkeiten. Becker sucht nach Lösungen. Betriebsratsgründung im Gespräch.

Villingen-Schwenningen - Die Hess AG steckt in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten. Die Banken haben dem Villinger Unternehmen am Montag vorerst den Geldhahn zugedreht.

»Die finanzierenden Kreditinstitute haben die zugunsten der Hess-Gruppe bestehenden Guthaben vorsorglich eingefroren und die bestehenden Kreditlinien gesperrt. Aufgrund des Einfrierens der Linien haben verschiedene Tochtergesellschaften der Hess AG akuten Liquiditätsbedarf«, heißt es in einer Ad-hoc-Meldung, die das Unternehmen in der Nacht zum Dienstag an der Börse bekanntgab. Der Wert der im Herbst für 15,50 Euro ausgegebenen Aktien sank gestern auf 4,51 Euro. Der Vorstand setze alles daran, mit den Banken zu verhandeln und eine Stillhaltevereinbarung abzuschließen, um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden und das Unternehmen zu sanieren, schreibt der neue Vorstandsvorsitzende Till Becker.

Um die Zukunft der Firma zu sichern, seien jedoch erhebliche finanzielle Beiträge von Seiten des größten Aktionärs, der Hess Grundstücksverwaltungs GmbH & Co. KG, erforderlich. Deren größter Anteilseigner ist der vom Aufsichtsrat gefeuerte Vorstandsvorsitzende Christoph Hess. »Bis Montag Abend sahen die Signale so aus, dass kein Wille besteht, die im Raum stehenden Forderungen der Banken zu erfüllen«, fasst Unternehmenssprecher Marco Walz den Stand der Verhandlungen zusammen.

Die Zahlungsfähigkeit und die Fortführungsprognose der Gesellschaft sowie entsprechende Rechtsfolgen seien sorgfältig zu prüfen. Der Vorstand um Becker arbeite mit Hochdruck daran, eine Lösung zu finden, betont Walz. Ob Umstrukturierungen oder neue Investoren – zur Sanierung des Unternehmens denke der Vorstand über verschiedenste Rettungsansätze nach. Ziel sei es, die Firma möglichst schnell in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Die am sächsischen Standort Löbau noch ausstehenden Löhne wolle das Unternehmen noch diese Woche überweisen.

Das operative Geschäft der Hess AG laufe ganz normal weiter, erklärt Walz. Denn es gelte zu unterscheiden zwischen den Turbulenzen, in die das Unternehmen durch den Verdacht der Bilanzmanipulation seitens der geschassten Vorstandsmitglieder Christoph Hess und Peter Ziegler geraten sei, und der am Markt erfolgreichen Firma mit ihren 380 Mitarbeitern, die nach wie vor weltweit gefragte Produkte herstelle. Oberste Prämisse sei es, die Arbeitsplätze zu erhalten und möglichst schnell mit allen Beteiligten eine vernünftige Lösung im Sinne des Unternehmens und der Belegschaft zu finden.

Die denkt derweil über die Gründung eines Betriebsrats nach. Am Montag hatte die Verwaltungsstelle Villingen-Schwenningen der IG Metall nach mehreren Anfragen verunsicherter Mitarbeiter eine Beschäftigtenversammlung im Gewerkschaftshaus in Schwenningen organisiert und Flugblätter vor dem Firmengelände verteilt. Dass 50 Mitarbeiter gekommen sind, habe die Gewerkschaft dann doch überrascht, gibt Michael Ruhkopf, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall, zu. Bisher habe es keinen Betriebsrat gegeben, da die Mitarbeiter vieles mit dem Chef direkt geregelt hätten. Doch die Zeit der Verbundenheit mit einem Familienunternehmen sei vorbei. Ein Betriebsrat könne nicht alles verhindern und keinesfalls die Geschäftsführung übernehmen, aber immerhin den Arbeitnehmern in einer Situation zur Seite stehen, in der alle ihre Schäfchen ins Trockene bringen wollen. Die Belegschaft wolle sich nächste Woche entscheiden, ob sie diesen Schritt unternimmt, zu dem er nur raten könne. Wenn ja, sei mit einer Vorbereitungszeit von sechs bis acht Wochen zu rechnen, bis ein Betriebsrat im Amt sei.