Die Babyklappe in Villingen-Schwenningen hat wieder einmal ein Leben gerettet. Foto: Pohl

Junge am Schwenninger Franziskusheim abgelegt. Drittes Kind in den vergangenen sieben Jahren. Mit Kommentar

Villingen-Schwenningen - Die Babyklappe in Villingen-Schwenningen hat wieder einmal ein Leben gerettet. Am Sonntagnachmittag wurde ein Neugeborenes im Schwenninger Franziskusheim abgelegt. Es ist das dritte Kind in den vergangenen sieben Jahren.

Es war 16.22 Uhr, als bei der diensthabenden Pflegefachkraft im Wohnbereich I des Franziskusheims in Schwenningen das Mobiltelefon klingelte. Es war der automatische Alarm, dass die Babyklappe am Gebäude geöffnet wurde. Wie Heimleiter Lothar Schropp beim Pressetermin am Montagvormittag erklärt, sei mittlerweile eine Kamera auf das Bettchen in der Babyklappe gerichtet, sodass über ein Bildtelefon im Dienstzimmer sofort geschaut werden kann, ob tatsächlich ein Säugling abgelegt wurde.

"Der Bildausschnitt ist natürlich so fokussiert, dass sonst nichts zu erkennen ist", sagt Schropp. Die Anonymität der Person, die das Kind ablegt, bliebe selbstverständlich gewahrt. "Allerdings hatten wir allein in diesem Jahr schon 17 Fehlalarme, bei denen die Klappe aus irgendwelchen Gründen geöffnet wurde", schildert Schropp die Gründe für die Kamerainstallation.

Doch an diesem Tag handelte es sich nicht um einen Fehlalarm. In dem Bettchen lag tatsächlich ein Säugling. Der Junge, der nach Angaben von Klinikkinderarzt Matthias Henschen 4430 Gramm schwer und 55 Zentimeter groß ist, wurde in einem Badetuch eingewickelt in das Bettchen gelegt. "Er ist wohlauf und derzeit bei uns im Klinikum und wird dort versorgt", berichtet Henschen.

Es ist das dritte Kind, dessen Leben die Babyklappe in Villingen-Schwenningen wohl gerettet hat. Die ersten beiden Säuglinge, ein Junge und ein Mädchen, wurden 2012 beziehungsweise 2013 dort abgelegt. Joachim Spitz, Initiator der ProKids-Babyklappe, sieht sich den Helfern zum Dank verpflichtet: "Es hat alles so funktioniert, wie es in einem solch emotionalen Moment funktionieren soll. Ich bin froh, dass die Klappe erneut ihren Zweck erfüllt hat."

Etwas ist dieses Mal dennoch anders. Die Mutter habe persönliche Nachrichten hinterlassen. Darunter der Hinweis auf einem Zettel, dass das Kind am Sonntagmorgen um 7.10 Uhr zur Welt kam, sowie den Namen des Jungen. "Außerdem hat sie die gestrickten Kinderschühchen, die stets auf dem Bett in der Babyklappe liegen, mitgenommen und auch die dortigen Formulare mit Kontaktdaten des Jugendamtes", berichtet Lothar Schropp.

Kinderarzt Matthias Henschen ergänzt: "Das deutet zumindest daraufhin, dass die Mutter eine persönliche Bindung zu dem Säugling hat." Daraus zu folgern, dass sie sich deshalb melden werde, um ihr Kind doch wieder zu sich zu nehmen, sei aber gewagt. "Natürlich hoffen wir das alle, aber da niemand von uns die Frau, deren Alter und die Umstände für ihre Entscheidung kennt, ist das alles hypothetisch", sagt Joachim Spitz.

In erster Linie sei das Kind erst einmal gut aufgehoben. "Und wir wollen der Mutter ganz vorsichtig die Hand reichen und ihr signalisieren, dass sie Unterstützung bekommen kann, wenn sie sich doch noch umentscheidet", sagt Spitz. Aus diesem Grund seien die Verantwortlichen bisher und auch in diesem Fall an die Öffentlichkeit gegangen, in der Hoffnung, dass das Ablegen der Kinder ein vorerst anonymer Hilfeschrei sei. In den ersten beiden Fällen meldete sich jedoch niemand, wie Sabine Braun, stellvertretende Leiterin des Amtes für Jugend, Bildung, Integration und Sport (JuBIS), berichtet.

Wenn der Junge das Schwarzwald-Baar-Klinikum verlassen wird, was bei seinem "gesundheitlich tollen Zustand", wie ihn Henschen beschreibt, wohl nur ein paar Tage dauern werde, kommt er zu einer Pflegefamilie. "Wir haben Familien für solche Notfälle, die sich dann vorübergehend um diese Kinder kümmern", erklärt Sabine Braun.

"Die nächsten zwei, drei Wochen werden wir erst einmal Ruhe bewahren und schauen, ob sich die Mutter meldet." Sollte das nicht der Fall sein, werde ein entsprechendes Verfahren eingeleitet, um die Zukunft des Kindes zu klären. Hier gebe es viele Möglichkeiten, allerdings sei bei einem Säugling immer das Ziel, eine Adoptionsfamilie zu finden. "Das ist aber nie die Pflegefamilie", betont Braun, dass hier klar differenziert werden müsse.

Die Verantwortlichen wollen jedenfalls ein deutliches Signal senden: Die Mutter hat keinerlei Konsequenzen zu fürchten, weil sie ihr Kind in der Babyklappe abgelegt hat. Ganz im Gegenteil. Sie dürfe laut Sabine Braun im Fall einer Kontaktaufnahme mit dem Jugendamt oder mit wem auch immer, mit Unterstützung jeglicher Art rechnen.

Kommentar: Einzige Chance

Von Michael Pohl

Die Babyklappe der ProKids-Stiftung war anfangs äußerst umstritten. Nachdem sie seit ihrer Einrichtung im Jahr 2010 bereits drei Säuglingen das Leben gerettet hat, gibt es glücklicherweise kaum noch Kritiker. Im jüngsten Fall allerdings missfällt einigen Leser des Schwarzwälder Boten, dass dieses Thema medial aufgegriffen wurde und dadurch angeblich die Anonymität der Mutter verloren ginge. An dieser Stelle will betont sein, dass die Verantwortlichen der Babyklappe diese Berichterstattung begrüßt haben. Und das aus gutem Grund: Das Weggeben des eigenen Kindes ist eine höchst emotionale Sache und in den meisten Fällen die allerletzte Lösung in einer aussichtslos wirkenden Situation. Der Gang an die Öffentlichkeit ist aber keinesfalls das Bloßstellen der Mutter, sondern der vielleicht einzige Weg, um einem unbekannten Menschen Hilfe anzubieten.