Die beiden Museumsleiter Anita Auer und Michael Hütt begrüßen die Archäologin Claudia Rohde (von links). Sie stellte bei ihrem Vortrag in Villingen in Frage, dass der keltische Grabhügel am Magdalenenberg ein frühkeltisches Kalenderwerk darstellt.  Foto: Heinig Foto: Schwarzwälder-Bote

Claudia Rohde wirft kritischen Blick auf keltischen "Kalenderfund" am Magdalenenberg

Villingen-Schwenningen (bn). Fast eineinhalb Jahre nach dem Aufsehen erregenden Vortrag von Allard Mees, der herausgefunden haben will, dass die Anordnung der Gräber um den Grabhügel am Magdalenenberg ein frühkeltisches Kalenderwerk darstellt, sorgte die Archäologin Claudia Rohde für Ernüchterung. Waren es im Februar 2012 rund 300 Zuhörer, die dem Oberkonservator am Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz an den Lippen hingen, so kamen am Mittwochabend rund 70 Interessierte ins Franziskanermuseum, um dem Ergebnis der Forschungsarbeit von Claudia Rohde zu lauschen. "Es scheint überall Kalender zu geben", kritisierte Rohde in einer Gesamtschau des Phänomens, wonach die "Entdeckungen" von Kalendern und deren mathematisch untermauerten Interpretationen gerade wieder "in" zu sein scheinen und gerne als "Sensation" vermarktet würden.

Die Bestattungskulte auf dem Magdalenenberg, die Verzierungen auf jungsteinzeitlichen Äxten, die Rillen der Goldblechkegel aus der Bronzezeit oder das Abbild auf dem Elfenbeinplättchen aus der Altsteinzeit, das den Sternengott Orion zeigen soll und mit den 86 Kerben versehen ist, die eine Frau im Jahr nicht schwanger sein kann – vier Beispiel zeigte Claudia Rohde auf, die ihr als Archäologin "Bauchweh" bereiten. "Das kann Archäologie gar nicht leisten", kommentierte sie die Interpretationen und zeigte ihren Zuhörer die "Fallstricke" auf. "Man findet, was man sucht" und "ein Fund ist kein Fund" seien die Lehrsätze der Archäologie, die bei den meisten "Kalenderfunden" außer Acht gelassen würden. Mit wirksamen Bildern, einer zweifelsfreien Sprache und verdächtig kurzen Artikeln, in denen nichts begründet werde, werde die Öffentlichkeit geblendet. Komplexe Rechnungen oder – wie im Fall des keltischen Grabhügels über Villingen – der Einsatz einer Software der US-Raumfahrtbehörde NASA, "erwecken das Gefühl ordentlicher Arbeit".

Die Archäologie arbeite dagegen mit "gut begründeten Wahrscheinlichkeiten", sagte die Referentin. In der Urgeschichte seien die Menschen Jäger und Sammler, später Bauern gewesen. In dieser Zeit sei die Notwendigkeit eines taggenauen Kalenders gar nicht gegeben gewesen. Bezüge zu den Gestirnen seien, zum Beispiel bei Steinkreisen, nur vereinzelt festzustellen und zumeist auf religiöse Bräuche zurückzuführen. Vor allem besondere Bauten – man denke an "Stonehenge" – seien "mit großen Unsicherheiten behaftet".

Auch der Landesarchäologe Dirk Krauße mahnte zur Vorsicht, wenn Physiker und Astronomen die Entdeckung sensationeller urgeschichtlicher Kalender feiern. "Das ist in der Regel Fiktion, dagegen sprechen die Fakten."