Polizeipressesprecher Thomas Sebold zeigt auf einem Foto den Tatort an einer Flüchtlingsunterkunft. Foto: Seeger

Handgranaten-Wurf auf Flüchtlingsheim: Konflikt zwischen Sicherheitsunternehmen gilt als Ursache. Täter sind Osteuropäer.

Villingen-Schwenningen - Es war ein Anschlag, der bundesweit und angesichts der Furcht vor rechter Hetze für großes Medienecho und einen Aufschrei unter den Politikern sorgte: Ende Januar hatten Sicherheitskräfte vor ihrem Aufenthaltscontainer in der Flüchtlingsunterkunft in Villingen-Schwenningen eine Handgranate entdeckt, die nicht explodiert war.

Nun ist klar, dass die Granate wohl denen galt, die für die Sicherheit der Flüchtlinge sorgen. Zwölf Tage nach dem Wurf der Handgranate steht für die Polizei definitiv fest: Die Tat hatte keinen fremdenfeindlichen Hintergrund. Vier Männer sitzen seit gestern in Haft.

Die Täter

75 Ermittler der Sonderkommission "Container" haben über Tage hinweg akribisch Spuren verfolgt und über 100 Personen zu dem Anschlag befragt. Gestern Abend nun wurde der Durchbruch vermeldet. "Am Montagnachmittag und Dienstagvormittag konnten durch die Ermittler der Sonderkommission insgesamt vier tatverdächtige Männer im Alter zwischen 22 und 37 Jahren vorläufig festgenommen werden", berichtet ein Sprecher der Polizei.

Zur Nationalität wird erklärt, dass die Tatverdächtigen "überwiegend einen osteuropäischem Migrationshintergrund" hätten, aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis sowie dem Landkreis Rottweil stammen und im Sicherheitsgewerbe arbeiten würden.

Drei der vier vorläufig festgenommen Tatverdächtigen im Alter von 23, 27 und 37 Jahren wurden nach Angaben der Polizei gestern Nachmittag dem zuständigen Haftrichter vorgeführt. Gegen die drei Beschuldigten sei Haftbefehl wegen eines Verbrechens gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz erlassen worden, sie wurden in Justizvollzugsanstalten eingeliefert.

Tat-Hintergründe

Lange Zeit wurde der Anschlag von vielen als Angriff auf die Flüchtlinge gewertet, zahlreiche Politiker verurteilten ihn auf das Schärfste und sahen darin eine "neue Dimension der Gewalt" gegen Asylsuchende. Villingen-Schwenningen rückte bundesweit mit dieser Schreckensmeldung in den Fokus der Öffentlichkeit – man fragte sich: Warum wird ausgerechnet in der beschaulichen Schwarzwald-Baar-Metropole ein solcher Anschlag verübt?

Gleichzeitig verwiesen die Beamten bei der Pressekonferenz am Tag des Anschlags auf die "gewachsene rechte Szene" im Kreis. Zudem wurden vor dem Hintergrund des Anschlags zwei Kundgebungen mit mehreren Hundert Teilnehmern in der Innenstadt sowie vor der Unterkunft abgehalten, um gegen rechte Gewalt zu demonstrieren. Doch nun kommt alles anders. Die Polizei betonte gestern: Die Tat hatte keinen fremdenfeindlichen Hintergrund.

Zwar will sich die Polizei zu den Hintergründen und der Motivation der vier Tatverdächtigen aus "ermittlungstaktischen Gründen" nicht im Detail äußern. "Allerdings dürften Konflikte, die zwischen den im Schwarzwald-Baar-Kreis tätigen Sicherheitsunternehmen bestehen, die Ursache sein", berichtet ein Sprecher. Damit ist klar, dass sich der Anschlag gegen das Sicherheitspersonal richtete. Zuständig für die Sicherheitskräfte, die die Flüchtlingsunterkunft bewachen, ist eine Firma mit Sitz in Tuttlingen.

Aus deren Kreisen waren solche Vermutungen bereits früh nach außen gedrungen, manche der Mitarbeiter sprachen von Angst, die man aufgrund des Anschlags habe. Sie hatten bereits befürchtet, dass Konkurrenten hinter der Sache stecken. Nicht ohne Grund hätten die Täter die Granate direkt vor dem Container der dort arbeitenden Securitys geworfen. Doch warum?

Dieser Frage wird die Sonderkommission in den kommenden Tagen noch nachgehen. Man betont, dass die Arbeit der Ermittler noch nicht abgeschlossen sei.

Wilde Spekulationen

Tagelang wurde vor allem in sozialen Netzwerken viel zu den Hintergründen der Tat diskutiert und auch spekuliert. Während einige die linken Aktivisten als Drahtzieher des Anschlags sahen, wurden über die rechtspopulistische Facebook-Seite "Anonymous Kollektiv", der rund 1,8 Millionen Menschen folgen, offenbar falsche Tatsachen verbreitet.

Dort erklärt man, dass sich für die Ermittler die Hinweise verdichteten, die Granate sei "durch die Asylanten selbst auf den Container des Wachpersonals geworfen" worden. Eine glatte Lüge, wie sich jetzt herausgestellt hat, die offenbar dazu genutzt wurde, um gegen die Flüchtlinge zu wettern.

Info: Granate M52

Bei dem Anschlag am 29. Januar auf dem Gelände einer Flüchtlingsunterkunft in Villingen-Schwenningen haben die Täter eine jugoslawische Granate vom Typ M52 geworfen. Nach Angaben von Experten des Landeskriminalamtes handelt es sich bei dem eiförmigen Sprengsatz um eine absolut tödliche Waffe. Solche Handgranaten werden normalerweise in Kriegen eingesetzt.

Die tödliche Wirkung erstreckt sich auf ein Umfeld zwischen 10 und 20 Metern. Nicht nur der kolossale Druck durch den Sprengsatz gilt als verheerend, sondern auch die Splitter. Durch die Druckwelle können auch Fenster bersten. Als scharf gelten Granaten nur, wenn sie neben dem Sprengstoff auch einen Zünder haben. Einen solchen hat man bisher nicht entdeckt.