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Porträt / Seit nahezu zehn Jahren als Streetworkerin in VS unterwegs

"Am wichtigsten ist der Erstkontakt" – die Diplom-Sozialpädagogin Annika Isak weiß genau, wie man Jugendlichen und jungen Erwachsenen begegnet. Sie ist seit fast zehn Jahren als Streetworkerin im Auftrag der Fachstelle Sucht in Villingen-Schwenningen in Sachen mobiler Jugendarbeit unterwegs.

Villingen-Schwenningen. Einen schöneren und abwechslungsreicheren Beruf kann sich die 32-Jährige nicht vorstellen. Seit drei Jahren ist sie die stellvertretende Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft "Mobile Jugendarbeit/Streetwork" und wirbt für diese Arbeit, weil sie weiß, "dass viele die gar nicht auf dem Schirm haben".

Geboren in Donaueschingen, aufgewachsen in Hüfingen, wusste Annika Isak selbst zuerst auch nicht, was sie werden wollte. Ihre Leidenschaften, die Schau-spielerei und die Literatur, schienen sich für keinen Beruf zu eignen.

Ein Auslandsjahr auf Grönland half weiter. In der kalten Fremde erfuhr sie von den Problemen vor allem der Jugend dort, die sich mit Alkoholexzessen und einer hohen Suizidrate Bahn brachen und spürte ein erwachendes Interesse. Nach dem Abitur absolvierte sie Praktika auf dem "Mariahof" in Hüfingen und bei den "Offroad-Kids" in Bad Dürrheim. Das bereitete ihr so viel Spaß, dass der Entschluss gefasst war: Sie studierte an der Dualen Hochschule mit Praxis im Allgemeinen Sozialen Dienst am Jugendamt Sigmaringen.

Ein neues Zuhause im Jugendtreff "Chilly"

2008 bewarb sie sich bei "Die Mobilen", das ein Jahr zuvor gegründete Team für Mobile Jugendarbeit im Sozialraum VS. Damals war der Standort noch verteilt auf Büroräume in der Fachstelle Sucht und im Schwenninger Jugendhaus "Spektrum", Ende 2010 entstand im Stadtbezirk Villingen der Jugendtreff "Chilly", wo Annika Isak und ihre drei Kollegen ein neues und ideales Zuhause fanden.

Die Zielgruppe der Mobilen Jugendarbeit sind die 14- bis 27-Jährigen, "die von keiner anderen Einrichtung erreicht werden". In Projekten, aber auch in der Einzelfallarbeit, werden sie angesprochen, betreut, be- und angeleitet und – so das erklärte Ziel – zu selbstständigen Entscheidungen bezüglich ihres weiteren Lebensweges geführt.

"Bei uns wird niemand gezwungen, alles ist freiwillig", sagt Annika Isak, und genau das findet sie an ihrer Aufgabe so schön.

"Es ist doch toll, wenn die Leute wissen, an wen sie sich wenden können", sagt sie weiter und kommt dabei auf ihren Eingangssatz zurück: bei der ersten Begegnung zwischen Streetworkerin und Jugendlichen muss die Chemie stimmen, "ansonsten sind sie wieder weg". Das bedeute indes kein Laissez-faire, betont Annika Isak. Je länger man sich kenne, desto eher werden Grenzen gesetzt und "ich sage ihm oder ihr auch, wie bescheuert ich finde, was er oder sie getan oder nicht getan hat".

In den fast zehn Jahren bei den "Mobilen" hat die leidenschaftliche Netzwerkerin schon etliche Projekte mitgestaltet. Gerne erinnert sie sich an das Filmprojekt "Dialog". Damals ging das Streetworker-Team mit der Kamera auf Tour und fing die Meinungen der Jugendlichen ein, die man an städtische Ämter weiterleitete.

Bei der Abschlussveranstaltung kam ein richtiger Dialog zustande. Beim multikulturellen Koch- und Fitnessprojekt "Innerfit" kamen zum Jahresbeginn Jugendliche vieler Nationalitäten zusammen, an den Abenden des Projektes "Nightsports" lernen sie verschiedene Sportarten kennen.

Besonders stolz ist Annika Isak auf den Streetwork-Outpark beim "Chilly", für den die Jugendlichen selbst fast drei Jahre lang gekämpft haben, "wir haben nur unterstützt".

An jeder Villinger Fastnacht und je einmal wöchentlich in Villingen und Schwenningen kommt der Wohnwagen der "Mobilen" zum Einsatz, mit dem man ganz nah an die Jugendlichen rückt und die Hemmschwelle, sich Rat und Hilfe zu holen, noch weiter senkt.

Doch es gibt auch Niederlagen. So musste Annika Isak erkennen, dass das Projekt "Glücksspiel", ein Theaterstück mit Jugendlichen gegen die Spielsucht, zu ausufernden Vorbereitungen und Ansprüchen zum Opfer fiel – die Jugendlichen blieben nach und nach weg. "Wieder eine Erfahrung", sagt die werdende Mutter und lacht.

Demnächst geht sie in Mutterschutz

Demnächst geht sie in Mutterschutz und Elternzeit. Eine Reise mit dem Wohnmobil nach Skandinavien steht an. Annika Isak spricht Dänisch. Das lernte sie bei ihrem Praxissemester in einer dänischen Obdachlosenunterkunft. Seither zieht es sie immer wieder in den Norden. Dort kommt sie dann gerne auf ihre Leidenschaft, die Literatur zurück: "Wir nehmen eine ganze Bücherkiste mit".