Einem Facharzt wird vor dem Amtsgericht Villingen der Prozess gemacht. Foto: © Aycatcher/Fotolia.com

Strafprozess gegen Facharzt endet mit Bewährungsstrafe. Anklage: Körperverletzung in sechs Fällen.

Villingen-Schwenningen - Dramatik und latente Aggression sind greifbar im Saal. Einem Facharzt wird vor dem Amtsgericht Villingen der Prozess gemacht. Die Pfusch-Akte schließt sich mit einer Bewährungsstrafe.

Mit der Hauptverhandlung endet eine über zweieinhalbjährige Geschichte um den Vorwurf von Behandlungsfehlern, von denen sich schließlich sechs Fälle in einem Strafbefehl wiederfanden. Damit lautete die Anklage: Körperverletzung in sechs Fällen. Schon vor Beginn des Prozesses (mit langen Pausen) war die zentrale Frage der Besucher von Saal 1 im Gerichtsgebäude: "Kommt er dieses Mal?" Wie bereits mehrfach berichtet, spulten sich in der Vergangenheit einige Zivilverfahren ab, von denen manche in Versäumnissurteil oder Vergleich mündeten. Bei den meisten Verfahren glänzte der Beklagte mit Abwesenheit. Nicht so beim Strafprozess, bei dem Anwesenheitspflicht besteht. Das Gericht kann das Erscheinen des Angeklagten zwangsweise mit Vorführungsbefehl oder Haftbefehl herbeiführen. Darauf wollte es der heute 64-jährige Arzt, mittlerweile im Vorruhestand, wohl nicht ankommen lassen. Die Sturmhaube, die er bei einem früheren Auftritt vor Gericht übergezogen hatte, lässt er an diesem Tag zu Hause.

"Der soll sich schämen"

Unter dem Raunen der Zuhörer betritt der angeklagte Mediziner mit seinem Anwalt den Raum, das schmale Gesicht mit einem Hefter verdeckend. "Der soll sich in Grund und Boden schämen", entfährt es einer Ex-Patientin; ein anderer ergänzt: "Der hat die Leute verunstaltet." Zwei Kommentare der harmloseren Art. Der ehemalige Facharzt lässt die Äußerungen im Raum verhallen, vermeidet die meiste Zeit den Blickkontakt mit dem Publikum. Im Zuge der Verhandlung sieht sich auf Initiative des Ex-Arztes der zuständige Richter dazu gezwungen, zwei Sicherheitsbeamte in den Saal zu beordern. Der Ex-Arzt fühlt sich durch eindeutige Gesten eines älteren Mannes bedroht. "Solche Gesten kann ich hier nicht akzeptieren", wird Richter Christian Bäumler deutlich.

Am Ende auf Intensiv

Wie hieß es so schön von der Staatsanwaltschaft Konstanz im Vorfeld des Strafprozesses? Nur die "eindeutigsten Anzeigen" seien strafrechtlich relevant geworden. Mucksmäuschenstill wird es, als der Staatsanwalt die sechs "eindeutigen Fälle", die verhandelt wurden, reflektiert. In den meisten Fällen geht es um die Entfernung von Nasenknorpeln und damit um deformierte Nasen, um die komplette Beseitigung von Gaumenzäpfchen oder Mandeln; die Begradigung der Nasenscheidewand; um psychische wie physische Folgen für die Betroffenen. Ein Fall ragt jedoch auch für den Vertreter der Anklage heraus: Der einer Patientin, die sich letztendlich wegen eines Lochs im Schädelbasisbereich und austretendem Hirnwasser auf der Intensivstation eines Klinikums wiederfand. "Das ist wohl der krasseste Fall", resümiert der Jurist. Der Staatsanwalt kommentiert den Sachverhalt, dass nur ein Bruchteil der Fälle strafrechtlich verhandelt wird: "Das ist nur die Spitze des Eisbergs." Ganz abgesehen davon, dass er dem Mann mangelnde Aufklärung seiner Patienten vorwirft. Niemand habe um die Risiken etwaiger Eingriffe gewusst.

Letztendlich lautet die Anklage auf vorsätzliche Körperverletzung in sechs Fällen. Eine gefährliche Körperverletzung und damit eine vorsätzliche Inkaufnahme gravierender Gefahren, erklärte der Staatsanwalt, sei kaum nachzuweisen. Damit steht eine Freiheitsstrafe von neun bis zwölf Monaten auf Bewährung im Raum. Verkneifen kann er sich jedoch eine Bewertung seines Gegenübers nicht: "Bei Ihnen hätte ich mich sicher nicht unters Messer gelegt." Eine Vermutung für die sich wiederholenden Behandlungs-Muster hat er ebenfalls : "All das, wohl um Kohle zu machen?" Richter Bäumler stellt dem Angeklagten den angedeuteten Strafrahmen in Aussicht, "wenn Sie die Taten einräumen". In der Tat ergreift dieser den Strohhalm, den ihm Bäumler reicht. Was der Angeklagte zu sagen hat, spricht dessen Anwalt aus, der selbst von "tragischen Fällen spricht".

Tragische Fälle

Sein Mandant lege ein Geständnis ab, entschuldige sich dafür, dass die Dinge nicht gut gelaufen seien und "er entschuldigt sich bei seinen Patienten". Mit dieser Offenbarung wird eine weitere Beweisaufnahme hinfällig. Zudem müssen die beiden Sachverständigen nicht mehr gehört werden, die laut Gericht unterschiedliche Meinungen vertreten. Letzendlich verurteilt das Gericht den einstigen Fachmediziner zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten. Darüberhinaus muss der Ex-Mediziner 3000 Euro an Ärzte ohne Grenzen bezahlen. Die meisten Zuhörer reagieren enttäuscht auf das Urteil. "Eine Bewährungsstrafe? Dann kommt er aber gut davon", kommentiert leise ein Mann das Prozessende.