Interview: Thomas Albiez geht vorsichtig optimistisch in das neue Jahr / Wahlen, Brexit und USA sind Unsicherheitsfaktoren

Schwarzwald-Baar-Kreis. Wird die Konjunktur auch nächstes Jahr weiter so gut laufen? Ja, sagt Thomas Albiez, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg.

Die Konjunktur in Deutschland läuft zwar noch, aber immer langsamer. Im dritten Quartal 2016 hat sie sich erneut verlangsamt. Für 2017 wird ein weiterer Rückgang prognostiziert. Was bedeutet das für die Wirtschaft in der Region?Kommt der Trend erst später zu uns? Was erwarten Sie in Bezug auf die Konjunktur für das neue Jahr?

Die Konjunktur hat sich im ersten Halbjahr gut entwickelt und dann im Herbst 2016 etwas an Dynamik verloren. Wir können daher keine kontinuierliche Verlangsamung feststellen. Rückblickend war es für die heimische Wirtschaft ein gutes Jahr auf hohem Niveau. Ein vorsichtiger Blick in die Zukunft: Wir als IHK prognostizieren für 2017 mit 1,2 Prozent ein geringeres Wachstum als 2016 (1,9 Prozent). Insgesamt gehen die regionalen Unternehmen also mit vorsichtigeren Erwartungen in dieses Jahr. Dafür gibt es mehrere Gründe: die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Inlandsnachfrage, die maßgeblich zur positiven Konjunkturentwicklung beigetragen hat, die schwer vorhersehbaren Exportaussichten angesichts zahlreicher politischer Krisenherde und der anhaltende Fachkräftemangel. Wir gehen zwar von einer etwas geringeren Wirtschaftsdynamik für dieses Jahr aus. Unsere regionale Wirtschaft ist aber sehr gut aufgestellt und hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie sich auf den nationalen und internationalen Märkten behaupten kann.

Welche Entwicklungen bereiten Ihnen Sorge?

Sorge bereitet uns vor allem der anhaltende Fachkräftemangel, der sich für unsere Unternehmen mehr und mehr zur Wachstumsbremse entwickelt. Wir beobachten ebenfalls aufmerksam die weitere Entwicklung in den USA, aber auch innerhalb der Europäischen Union.Wie sich die Wahl Donald Trumps, einem entschiedenen Gegner von Freihandelsabkommen und Befürworter von Einfuhrzöllen, auf die USA-Exporte auswirkt, hängt davon ab, wie stark tatsächlich die Hürden für Export und Import heraufgesetzt werden. Wir gehen aber nicht davon aus, dass die Ein- und Ausfuhrbeschränkungen allzu hoch sein werden. Auch die Auswirkungen des Brexit sind immer noch schwer einzuschätzen. Dieses Jahr sind außerdem Wahlen in wichtigen Partnerländern Frankreich und Holland, deren Ausgang auch Auswirkungen auf unsere Wirtschaft haben könnten, sollten weitere europakritische Parteien ans Ruder kommen.

Der Rückgang der Exporte soll Ursache für den Rückgang des Wachstums sein. Jetzt kommen möglicherweise noch Einfuhrbeschränkungen in die USA hinzu. Allerdings sollen nur zehn Prozent der Exporte der Region dorthin gehen.

Die Herausforderung für die regionale Wirtschaft 2017 ist der derzeitige Spagat zwischen fortschreitender Globalisierung sowie weltweiter Vernetzung einerseits und andererseits das Wiedererstarken von nationalistischen Tendenzen in vielen Ländern. Weitere erschwerende Faktoren für ein kontinuierliches Wachstum für die regionalen Unternehmen sind die bestehenden Sanktionen gegenüber den wichtigen Absatzmärkten Russland und auch noch im Iran. Außerdem ist die wirtschaftspolitische Lage im Mittleren und Nahen Osten sehr instabil. Zudem schwächeln wichtige Schwellenländer, wie zum Beispiel die Türkei, Brasilien und Indien. Das CETA-Freihandelsabkommen mit Kanada ist in diesen schwierigen Zeiten, wo immer mehr Länder die Absicht haben, protektionistische Maßnahmen zu ergreifen, ein unterstützender Faktor für die Förderung des Freihandels und damit für ein größeres Wachstum letztlich auch für die regionale Industrie. Was die USA betrifft, so sollte die Europäische Union im neuen Jahr mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump zügig die Gespräche über das Freihandelsabkommen TTIP wieder aufgreifen und weiter ausverhandeln, Deutschland als Exportnation und auch die anderen EU-Staaten sind auf den Freihandel und den Wegfall von Sanktionen stark angewiesen.

Wann kann der IHK-Neubau voraussichtlich bezogen werden?

Wir sind mitten in den Planungen und prüfen derzeit noch verschiedene Optionen, was den Neubau betrifft. Es dauert einfach seine Zeit, denn wir wollen einen zukunftsfähigen und zweckmäßigen Neubau, der in jeder Hinsicht optimiert und passend zu einer IHK ist. Dazu gehören Wirtschaftlichkeit, ein optimales Raumkonzept und genügend Parkplätze für unsere Kunden. Ich denke, dass es gelingen könnte, im Laufe des Jahres 2019 umzuziehen.

Wie wirken sich die Flüchtlinge bisher auf die Konjunktur aus? Gibt es Arbeitsplätze für diese Personengruppe?

Wir erkennen derzeit keine Auswirkungen der Flüchtlingslage auf unsere Konjunktur. Wir als IHK haben zusammen mit der Handwerkskammer Konstanz zwei Kümmererstellen bei der Beruflichen Bildungsstätte in Tuttlingen eingerichtet, die Flüchtlinge in Ausbildung und Arbeit bringen sollen. Das ist aber erst möglich, wenn die Deutschkenntnisse einigermaßen stimmen. Ein junger Mensch benötigt zwei bis drei Jahre, bis die Sprache so weit ist. Aber wir sind dabei auf einem guten Weg. Unsere Unternehmen jedenfalls sind sehr offen für die Beschäftigung der Flüchtlinge und bieten Praktikums-, Ausbildungs- und Arbeitsplätze an. Das Angebot ist momentan größer als die Nachfrage.

Haben Sie schon Auswirkungen von Industrie 4.0 auf die Produktion bemerkt?

Der Begriff "Industrie 4.0" ist ein weites Feld und Konglomerat verschiedener Technologien. Wir haben in der Region einige Vorreiter, die bereits innovative Produktionsabläufe in ihren Betrieben integriert haben, beispielsweise intelligente, selbststeuernde und selbstkontrollierende Maschinen. Wir sind gerade erst dabei, die Möglichkeiten von Industrie 4.0 in Gänze zu entdecken.

Inwieweit sichert Industrie 4.0 Beschäftigung, beziehungsweise schafft sie neue Arbeitsplätze?

Wir haben in der Region einen Fachkräftemangel, der sich weiter verschärfen wird. Und wir haben einen globalen Wettbewerb, in dem wir schauen müssen, dass wir am Standort Schwarzwald-Baar-Heuberg konkurrenzfähig bleiben. Wir glauben, dass mit Industrie 4.0 neue Jobperspektiven geschaffen werden. Sicher ist aber auch: In dem komplexen und sich rasch ändernden Umfeld sind hoch qualifizierte Mitarbeiter das A und O. Eine stetige Weiterbildung wird zu den Pflichtübungen eines jeden Unternehmens gehören.

Angeblich gibt es bei der Digitalisierung Nachholbedarf für kleinere Unternehmen. Stimmt das?

Unsere Region lebt von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Sie haben oftmals keine Forschungs- und Entwicklungsabteilung und auch nicht immer die Ressourcen, eigenständig innovative Prozesse in Gang zu bringen. Hier leistet unsere Clusterinitiative TechnologyMountains wertvolle Arbeit, indem sie Wirtschaft und Wissenschaft zusammenbringt, Kompetenzen vernetzt und Verbundprojekte initiiert. Auf diese Weise kommen kleine und mittelständische Firmen leichter und schneller an das nötige Know-how. Letztlich muss aber jeder Unternehmer selbst abwägen, inwiefern die Neuerungen auch konkreten Nutzen bringen.

Wie bereiten Sie den Neujahrstreff 2017 vor und wieviele Gäste erwarten Sie?

Der Neujahrstreff findet am 8. Februar in den Messehallen in VS-Schwenningen statt, und wir freuen uns, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann unser Gastredner ist. Wir als IHK verstehen uns als Motor einer starken Region inmitten eines starken Baden-Württemberg. Und weil unsere IHK im nächsten Jahr ihr 150-jähriges Jubiläum feiert, ist das Kommen des Ministerpräsidenten deshalb sehr passend für den Neujahrstreff als Auftakt in das Jubiläumsjahr. Ich denke, der Neujahrstreff wird wieder sehr gut besucht, wir rechnen wieder mit mehr als 2000 Gästen. Wie immer werden wir uns beim Programm etwas Neues einfallen lassen, aber im Mittelpunkt steht natürlich die Begegnung von Wirtschaft, Politik und öffentlichem Leben.

Macht sich die Breitbandoffensive des Kreises schon bei den Unternehmen positiv bemerkbar?

Generell ist es mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass schnelle Datenverbindungen ein wesentlicher Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen sind, zusammen mit einem entsprechenden Fachkräfteangebot. Nicht nur im Schwarzwald-Baar-Kreis, auch in den Nachbarkreisen Rottweil und Tuttlingen sind die Landkreisverantwortlichen sehr engagiert darin, private Haushalte, aber auch die Unternehmen mit einer entsprechenden Breitbandinfrastruktur auszustatten. Seit dem Startschuss zur Breitbandoffensive erhalten wir viele positive Rückmeldungen von Unternehmern, die durch den Glasfaserausbau für ihre Betriebe deutliche Verbesserungen in den Internetanwendungen feststellen können. Schon vor dem Startschuss zum Ausbau haben wir in unserer kürzlich veröffentlichten Studie zur Breitbandversorgung in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg festgestellt, dass sich der Versorgungsgrad seit 2012 in Sachen Breitband in vielen Gewerbegebieten bislang nicht wesentlich verbessert hat. Die Studie ist einsehbar auf unserer Homepage (Bereich Regionale Standortpolitik | Veröffentlichungen, Studien). Aber es tut sich was, die Anstrengungen der Landkreise tragen Früchte. Von einem produzierenden Unternehmen in Schonach wissen wir beispielsweise, dass hier die Dauer einer durchschnittlichen Datenübertragung bislang bei vier Stunden lag und nun nach Anschluss an das Glasfasernetz auf wenige Minuten gesenkt werden konnte. Auch die Unternehmen in der Stadt Blumberg erwarten durch den geplanten Breitbandausbau eine leistungsfähigere Internet-Verbindung. ■Die Fragen stellte Felicitas Schück