Gleich wird Schiedsrichter Guido Winkmann Dzenis Burnic (li.) vom Feld schicken – und damit hitzige Diskussionen auslösen. Foto: Getty

In der Bundesliga wächst der Widerstand gegen den Videobeweis. Beim VfB Stuttgart, aber auch bei anderen Clubs. Der erste Trainer rechnet sogar mit dem baldigen Ende des Hilfsmittels, das sein Ziel immer mehr konterkariert.

Stuttgart - Elf Spieltage mussten vergehen, bis auch Hannes Wolf sein Schweigegelübde brach. „Ich habe mir eigentlich vorgenommen, nichts zum Videoschiedsrichter zu sagen“, bruddelte der Trainer des VfB Stuttgart nach der 1:3 (0:1)-Niederlage beim Hamburger SV, „aber das war echt fies.“

Er spielte auf den Platzverweis des Spieltags an, den seinen Schützling Dzenis Burnic traf. Bereis nach zwölf Minuten schickte ihn Guido Winkmann vom Feld. Nach einer berechtigten ersten gelben Karte sah er exklusiv ein weiteres gelbwürdiges Foulspiel Burnics. Allenfalls ein „Foulchen“, war es in den Augen von Hannes Wolf, auch Winkmann gestand seinen Fehler später ein. „Nach meiner Wahrnehmung auf dem Platz ist der Spieler rücksichtlos eingestiegen. Die Fernsehbilder geben das aber nicht her.“

Dumm nur aus VfB-Sicht, dass sich Winkmann die Szene nicht schon während des Spiel ansah. Was ihm aber gar nicht möglich war, weil es das Regelwerk des Deutschen Fußball Bundes nicht hergibt. Es sieht nur den Einsatz bei einer roten, nicht aber bei einer Ampelkarte vor. Was dem Trainer des VfB wiederum nicht einleuchten wollte. „Da sitzt jemand in Köln, der kriegt Geld dafür. Und dann darf er nicht eingreifen?!“

Hat Wolf mit seiner Kritik Recht? Ja und Nein. Das Fernsehstudio nicht bei jeder gelb-roten Karte einzubeziehen, ergibt einerseits Sinn. Schließlich müsste dann auch jedes Mal die erste Verwarnung in die Diskussion mit einfließen, was die Sache weiter verkomplizieren würde. Andererseits handelt es sich bei einer gelb-roten Karte zweifelsfrei um eine spielentscheidende Szene, was den Herrn in Köln zum Eingreifen verpflichten müsste. Burnics Platzverweis nach zwölf Minuten (vor ihm gab es in der Bundesliga nur eine noch frühere Ampelkarte, für Hannovers Mame Diouf) gab der Partie zweifelsfrei eine entscheidende Wendung. Die Stuttgarter machten sie sogar als Hauptgrund für die Pleite aus.

Hat Wolf Recht mit seiner Kritik?

Eigentlich sollte der Videobeweis, dessen Kosten sich allein im ersten Jahr auf knapp zwei Millionen Euro belaufen, für mehr Gerechtigkeit sorgen. Doch in der Praxis macht er genau das Gegenteil.Am Wochenende sahen sich neben dem VfB auch der FC Augsburg und Mainz 05 benachteiligt. „So wie es aktuell läuft, das macht echt keinen Spaß mehr“, äußerte Augsburgs Manager Stefan reuter nach einem zurückgenommenen Elfmeter beim 1:1 gegen Bayer Leverkusen sein Unverständnis über den Videobeweis.

Gladbachs Trainer Dieter Hecking glaubt gar an ein baldiges Ende des einst von vielen herbei gesehnten Hilfsmittels. „Ich glaube, dass er zur Winterpause eingestellt wird“, sagte der Coach nach dem 1:1 gegen Mainz. Hecking prangerte weniger den Videoschiedsrichter per se als den Umgang mit selbigem an. „Es sollte ein Test für ein Jahr sein, aber wir geben dem Test keine Chance. Es bringt doch nichts, wenn wir alles immer wieder diskutieren.“

Die Debatten haben aber längst die höchsten Kreise des DFB erreicht. „Ich glaube nach wie vor mit ganzer Kraft an das Projekt“, sagte Präsident Reinhard Grindel nach den Samstagsspielen. „Wenn alle nochmal ihre Rollen klar definieren und sich an diese halten, bin ich mir sicher, dass das noch etwas sehr gutes im Fußball werden kann.“

Im DFB geht es drunter und drüber

Nur folgen im DFB nicht alle diesem Dekret. Anders gesagt: Zwischen Verband und Schiedsrichter geht es drunter und drüber, die Gilde der Unparteiischen ist sich noch nicht einmal untereinander grün.

Erst kam es zum Streit zwischen einigen Aktiven um Manuel Gräfe auf der einen sowie den Funktionären Hellmut Krug und Herbert Fandel auf der anderen Seite. Dann gab es unter der Woche auch noch eine Kurskorrektur, von der sich DFB-Boss Grindel übergangen fühlte. Als ob dies nicht genug wäre, sieht sich Krug auch noch dem Vorwurf der unerlaubten Einflussnahme konfrontiert. Er soll am vorvergangenen Spieltag beim Spiel zwischen Schalke 04 und dem VfL Wolfsburg (1:1) den eigentlichen Video-Assistenten Marco Fritz gleich zweimal bei Strafstoß-Entscheidungen zu Gunsten der Königsblauen überstimmt haben. Was Krug vehement bestreitet

Ganz schön viel Aufregung für ein Wochenende. Da ging es völlig unter, dass der Videobeweis auch sein Gutes hat. Dem VfB verhalf er in Hamburg nachträglich zu einem berechtigten Handelfmeter. Doch darüber sprach hinterher keiner mehr.