In Kontakt mit dem Assistenten vor dem Bildschirm: Schiedsrichter Felix Zwayer. Foto: AP

Beim Länderspiel Frankreich gegen Spanien kam der Videobeweis zum Einsatz und nahm maßgeblich Einfluss auf das Spiel. Auch ein deutsches Trio war beteiligt.

St. Denis/Stuttgart - Alle schauten auf Felix Zwayer. Gleich dreimal beriet sich der deutsche Schiedsrichter während des Fußball-Länderspiels zwischen Frankreich und Spanien (0:2) über Funk mit seinem Video-Assistenten Tobias Stieler. In zwei Fällen nahm er seine Pfiffe zurück. Der Mann im Ohr entschied das Spiel – und der Videobeweis bestand den nächsten Härtetest.

Um welche Szenen ging es?
Erstmals erprobte ein deutsches Schiedsrichter-Gespann das neueste technische Hilfsmittel auf großer europäischer Bühne. Zum Einsatz kam der Videobeweis in der 48. Minute. Der Franzose Antoine Griezmann erzielte per Kopf das 1:0, die Equipe Tricolore feierte die Führung – doch zeitgleich unterhielt sich Zwayer mit Stieler, der in einem mit modernster Technik und mehreren Bildschirmen ausgerüsteten Van vor dem Stade de France saß. 25 Sekunden nach dem Tor teilte der Mann im Ohr dem Unparteiischen mit, dass Vorlagengeber Layvin Kurzawa im Abseits gestanden hatte. Zwayer korrigierte seine Entscheidung. Wie auch in der 77. Minute. Bei einem Treffer von Spaniens Gerard Deulofeu hatte Assistent Thorsten Schiffner an der Seitenlinie Abseits gewunken – diesmal dauerte es 20 Sekunden, bis Zwayer nach dem Hinweis von Stieler das reguläre Tor zum 2:0-Endstand doch gab. David Silva hatte per Elfmeter das 1:0 (68.) für die Gäste erzielt – zuvor war Zwayer von Stieler signalisiert worden, dass es korrekt gewesen ist, den Strafstoß zu geben. „Die Zusammenarbeit mit dem Video-Assistenten funktionierte präzise, schnell und sehr professionell“, sagte Zwayer, „wir sind in allen Fällen zur richtigen Bewertung gelangt. Es war ein positiver Testlauf.“
Wie fielen die Reaktionen aus?
Spaniens Routinier Gerard Piqué, der die Schiedsrichter zuletzt immer wieder kritisiert hatte, zeigte sich begeistert: „Das brauchen wir schnellstens in unserer Liga.“ Die Zeitung „El Mundo“ titelte: „Willkommen, Herr Video! Das ist der Beginn einer neuen Ära.“ Auch Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps äußerte sich positiv: „Wenn der Videobeweis Fehler korrigiert – auch wenn es, wie heute, nicht zu unseren Gunsten war – scheint es eine gute Sache zu sein.“
Wann kommt der Videobeweis in der Fußball-Bundesliga?
In der nächsten Saison 2017/18, und zwar in allen 306 Spielen (plus Relegation). Dafür wurde in Köln ein „Replay-Center“ eingerichtet, in dem den speziell geschulten Video-Assistenten alle produzierten TV-Bilder aus den Stadien zur Verfügung stehen. Im Februar und März fanden dort erste Proben unter Wettkampfbedingungen statt – in extra organisierten Freundschaftsspielen. Getestet wurde die Technik auch schon bei der Club-WM in Japan und beim Länderspiel Deutschland gegen Italien (0:0) im November, allerdings ohne deutsche Unparteiische.
Welche Szenen werden überprüft?
Vier potenziell spielentscheidende. Der Mann im Ohr darf eingreifen, wenn es um Tore, Elfmeter, Rote Karten und Verwechslungen von Spielern bei Gelben oder Roten Karten geht. Allerdings bleibt der Schiedsrichter der Chef, der Video-Assistent kann nur Empfehlungen aussprechen. Bestehen Zweifel, kann der Unparteiische sich die fragliche Szene auch selbst an einem Monitor ansehen, der am Spielfeldrand steht.
Wie oft hilft der Videobeweis?
Bis zur Winterpause gab es in der Bundesliga 44 krasse Fehlentscheidungen – 33 hätten mit einem Videobeweis verhindert werden können. Von einer Aufklärungsquote in Höhe von rund 75 Prozent gehen die Verantwortlichen auch für die Zukunft aus. Problematisch könnte es werden, wenn das Spiel nicht unterbrochen ist. Beispiel: Der Schiedsrichter pfeift einen klaren Elfmeter nicht, im Gegenzug erzielt die Mannschaft, die eigentlich gefoult hatte, ein Tor. „Fehlentscheidungen wird es weiterhin geben“, sagt Felix Zwayer. Und Diskussionen auch.
Welche Einflussmöglichkeiten haben die Mannschaften auf den Videobeweis?
Keine. Spielern oder Trainern ist es untersagt, den Einsatz des Videobeweises zu fordern. Tun sie es doch, droht ihnen eine Verwarnung. Die Erfahrung von Zwayer aus dem Testspiel zwischen Frankreich und Spanien: „Alle sind mit der Situation souverän und respektvoll umgegangen.“
Wann entscheiden die Regelhüter des Fußball-Weltverbandes (Fifa) über die endgültige Einführung des Videobeweises?
Im März 2018 – rechtzeitig vor der Weltmeisterschaft in Russland.