Noch drei Endspiele bis zum erhofften Klassenverbleib: VfB-Trainer Huub Stevens. Foto: dpa

Drei Spiele noch, dann will der VfB Stuttgart genug Punkte haben, um nicht abzusteigen. „ Ich glaube, dass wir es schaffen, aber sicher kann niemand sein“, sagt Trainer Huub Stevens im Interview.

Drei Spiele noch, dann will der VfB Stuttgart genug Punkte haben, um nicht abzusteigen. „ Ich glaube, dass wir es schaffen, aber sicher kann niemand sein“, sagt Trainer Huub Stevens im Interview.
 
Stuttgart - Herr Stevens, mit Verlaub: Sind Sie eigentlich eitel?
Was ist eitel?
Genau hinzuschauen, wie Sie gekleidet sind, zum Beispiel.
Das macht meine Frau.
Hat sie noch nie gesagt, dass Ihr Trainingsanzug ein paar Nummern zu groß ist?
Zu groß? Nein, der passt doch. Ich denke nicht, dass ich eitel bin. Aber das lasse ich andere beurteilen – Menschen, die mir ganz nahe sind.
Aber Sie machen sich Gedanken über Ihr Bild in der Öffentlichkeit?
Früher habe ich das vielleicht gemacht, heute nicht mehr.
Wie? Ein Trainer ist doch das Gesicht eines Vereins.
Nein, das sind die Leute die schon viele Jahre da sind und etwas bewegt haben. Ich bin erst ein paar Wochen hier. Nein! (Lacht) Und da sage ich auch: So eitel will ich nicht sein.
Sie wirken im Fußballzirkus wie aus der Rolle gefallen. Jürgen Klopp oder Pep Guardiola sind schon richtige Filmstars.
Ich will kein Schauspieler sein. Ich versuche einfach, natürlich zu sein, ich selbst zu sein.
Ist das heutzutage schwieriger geworden?
Für mich ist es einfacher geworden.
Weil Sie sich nichts mehr beweisen müssen?
Ich will jeden Tag etwas beweisen. Zum Beispiel, dass die Spieler von mir lernen. Ich will immer ein gutes Training machen.
Hatten oder haben Sie ein Vorbild als Trainer?
Ich will immer dazulernen, aber du darfst nicht andere kopieren wollen. Du musst ganz nah bei dir bleiben. Wenn du eine Show vorführst, merken die Spieler das schnell. Ich will normal sein. Schauen Sie, ich brauche auch dieses Interview nicht unbedingt. Ich stehe lieber auf dem Platz. Aber ich weiß, dass das zu meinem Job gehört. Und ich will auch jetzt natürlich bleiben.
Sind Sie ein Fußball-Junkie?
Ja! Ich habe immer Fußball gespielt und mit 16 Jahren meinen ersten Profivertrag unterschrieben. Meine Eltern mussten damals zusätzlich Geld für uns Kinder verdienen. Dann habe ich finanziell etwas beigesteuert – darüber waren alle glücklich.
Und es war ein Mittel zum sozialen Aufstieg?
Auch, natürlich. Leider konnte es mein Vater nicht lange genießen.
Er ist früh gestorben. Hat Sie das geprägt?
Auf jeden Fall. Ich bin unanfälliger geworden für alles, was das Leben mit sich bringt.
Sie mussten sich alles hart erarbeiten. Haben es die Talente heute einfacher?
Nein, für sie ist es vielleicht sogar schwieriger. Sobald sie Profis sind, werden sie finanziell gleich groß belohnt. Damit muss man umgehen können.
Wie gehen Sie als Trainer damit um?
Das beginnt ja zu Hause, schon bei der Geburt. Wie wachsen die Jungen auf, wie geht ihre Familie mit Geld und Ruhm um? Das ist nicht einfach. Als Vater habe ich sicher auch Fehler gemacht. Ich war wenig zu Hause, unsere Kinder hat meine Frau erzogen.
Wie beeinflusst das Ihren Umgang mit den Spielern?
Ich versuche, ehrlich zu sein, ehrlich und deutlich. Das ist bei 24 Jungs, auf die alles Mögliche einprasselt, nicht einfach. Denn glauben Sie mir: Die Spieler durchschauen das, wenn ein Trainer nur Blabla redet.
Wo haben Sie bei der Analyse der Mannschaft angesetzt, als Sie zum VfB kamen?
Ich habe mir auf Videos angeschaut, wie die Spieler funktionieren. Manche kannte ich schon, andere nicht. Um aus 24 Spielern die elf herauszufiltern, die miteinander funktionieren, braucht es Zeit. Aber wir hatten keine Zeit. Deshalb habe ich gleich den freien Tag gestrichen. Ich wollte die Mannschaft an meinem ersten Arbeitstag auf dem Platz haben und die Spieler kennenlernen.
Es war ein hektischer Beginn für Sie?
Ich habe mein Aus bei Paok Saloniki kommen sehen. Meine Frau kam montags nach Griechenland und ist freitags zurückgeflogen. Ich habe aber schon Tage vorher zu ihr gesagt: Kann sein, dass ich mit dir nach Eindhoven fliege. So ist es auch gekommen.
Und dann kam der Anruf von Sportdirektor Fredi Bobic?
Er hat gesagt: Kann sein, dass wir einen Plan B brauchen, wenn der VfB nicht gegen Braunschweig gewinnt.
Und dann?
Dann habe ich samstags Bundesliga geschaut. Als der VfB 2:1 führte, sind wir mit Freunden essen gegangen. Da rief Fredi an. Ich sagte: Ihr habt doch gewonnen. Er sagte: Nein, wir haben 2:2 gespielt. Jetzt tritt Plan B in Kraft.
Mit welchen Gefühlen sind Sie nach Stuttgart gekommen? Ein Himmelfahrtskommando?
Ich hatte nie Zweifel, dass der VfB den Klassenverbleib schaffen kann. Aber ich wusste auch, dass wir nur zehn Spiele Zeit haben, und habe gleich zur Mannschaft gesagt: Wenn ihr so weiterspielt, kassiert ihr weiter Gegentore. Ihr lasst dem Gegner in bestimmten Bereichen zu viel Raum.
Das haben Sie ganz gut in den Griff bekommen. Allerdings haben wir uns gewundert, wie ruhig Sie in Mönchengladbach nach dem späten Ausgleich geblieben sind.
Ich muss doch in dieser Situation auch positiv auf die Mannschaft einwirken. Natürlich habe ich mich über den Ausgleich geärgert, aber es ist nicht wichtig, wie ich mich fühle.
Wie treffen Sie Ihre Entscheidungen? Rational oder auch mit dem Instinkt?
Mit beidem. Und mir ist die Meinung meiner Co-Trainer wichtig.
Wie wichtig ist der Faktor Erfahrung? Beim Sieg gegen Schalke haben Sie Joel Matip aus der Abwehr ständig ins Mittelfeld laufen lassen – weil er eine hohe Fehlpassquote hat?
Joel ist ein sehr guter Spieler, aber Ayhan der vielleicht noch bessere Passspieler. Und ich dachte: Wenn Joel den Ball verliert, fehlt er in der Abwehr. Das könnten wir vielleicht mit unserem schnellen Spiel ausnutzen.
Der VfB liegt vier Punkte vor dem Relegationsplatz. Wie sicher sind Sie, dass es mit dem Klassenverbleib klappt?
Ich habe immer gesagt: Wir haben zehn Endspiele. Jetzt sind es noch drei. Ich glaube, dass wir es schaffen, aber sicher? Sicher kann niemand sein.
Wenn es klappt – wie werden Sie dann feiern?
Dann werden wir das gemeinsam genießen und mit den Jungs etwas trinken.
Schwäbischen Rotwein?
Ich habe erst dieser Tage einen Fellbacher Riesling getrunken. Der war auch sehr gut. Ich muss sagen: In Stuttgart lässt es sich prima leben, das Leben hier macht Spaß.
Dann können Sie ja gleich einen längerfristigen Vertrag beim VfB unterschreiben.
Ich habe immer gesagt: Darüber sprechen wir jetzt nicht. Nicht während der Saison. Ich habe hier einen Auftrag, den muss und will ich erfüllen: zehn Endspiele, jetzt noch drei. Dafür schiebe ich alles andere beiseite: Privatleben, Freizeit oder auch Gedanken über meine Zukunft. Ich brauche jede Minute meiner Zeit für den VfB.