Zweitliga-Spitzenreiter mit dem VfL Bochum: Trainer Peter Neururer Foto: dpa

VfL gegen VfB – eine klare Sache für die Stuttgarter? Nicht, wenn es nach Peter Neururer geht. Bochums Trainer traut seinem Team im Pokalspiel viel zu. Im StN-Interview sagt er: „Ein Sieg würde mich nicht überraschen.“

VfL gegen VfB – eine klare Sache für die Stuttgarter? Nicht, wenn es nach Peter Neururer geht. Bochums Trainer traut seinem Team im Pokalspiel viel zu. Im StN-Interview sagt er: „Ein Sieg würde mich nicht überraschen.“

Stuttgart - Herr Neururer, wie lebt es sich als Spitzenreiter der zweiten Liga?
(Lacht) Ja, gut natürlich. Aber ich weiß auch, wie sich die Situation derzeit wirklich darstellt.
Und wie?
Am zweiten, dritten Spieltag, da lügt die Tabelle oftmals noch ein bisschen.
Also auch jetzt, da der VfL ganz oben steht?
(Lacht) Na, im Augenblick sagt sie die Wahrheit aus. Sie lügt nicht, denn mit der SpVgg Greuther Fürth und unserem VfL stehen zwei Mannschaften vorne, die die meisten Tore geschossen haben. Und gegeneinander gespielt haben wir auch schon (Anm. d. Red.: die Partie endete 1:1).
Also wäre es gar keine Überraschung, wenn am Samstag der Spitzenreiter der zweiten Liga gegen den zuletzt 15. der Bundesliga gewinnt?
Moment. Was zuletzt war, das zählt nicht mehr. Denn zum Ende der vergangenen Saison waren wir auch der 15. der zweiten Liga. Nun aber hat unsere Mannschaft ein ganz anderes Gesicht, und auch der Tabellenplatz des VfB aus der vergangenen Saison spielt keine Rolle mehr.
Einen Vorteil haben Sie aber . . .
. . . weil wir schon zwei Ligaspiele gemacht haben, ja. Und den wollen wir auch nutzen. Dazu kommt ein derzeit euphorisiertes Umfeld, dass dafür sorgen kann, dass wir das Publikum als zwölften Mann haben. Und mit zwölf Mann sind wir gegen den VfB, der uns eigentlich in allen Belangen überlegen ist, nicht chancenlos.
Also wäre ein Sieg doch eine Überraschung, aber sicher keine Sensation?
Mich würde es nicht überraschen – aber ich würde auch nicht darauf setzen.
Zumindest keine großen Beträge . . .
. . . die habe ich als Zweitligatrainer ja ohnehin nicht.
Aber vielleicht haben Sie ja was aus früheren Zeiten zurückgelegt?
(Lacht) Das schon, aber da darf ich nicht ran, sonst bekomme ich Krach mit meiner Frau.
Spaß beiseite: Was sind denn die Gründe für den starken Start des VfL in dieser Saison?
Zunächst mal muss ich sagen, dass wir in der vergangenen Saison genauso gut gestartet sind . . .
. . . dann wurde es am Ende jedoch eng mit dem Klassenverbleib . . .
. . . deshalb bleiben wir jetzt auch ganz ruhig und gelassen. Wir haben im Gegensatz zum letzten Jahr gerade im Offensivbereich nun aber einige Alternativen.
Sie sollen aber bereits den Vergleich zu 2002 gezogen haben, als Sie am Ende der Saison mit dem VfL in die Bundesliga aufgestiegen sind.
Den Vergleich habe nicht ich gezogen, sondern ein Kollege von Ihnen. Nein, das darf man am zweiten Spieltag sicher noch nicht vergleichen.
Sie sind zum VfL zurückgekehrt, Armin Veh ist zurück beim VfB. Dabei heißt es doch immer: Heirate nie die gleiche Braut zweimal.
Nun, wenn man irgendwann einsieht, dass die erste Braut die schönste war, dann kann man das ruhig machen. Der VfB und Armin Veh – das passt doch wunderbar.
So wie bei Ihnen und dem VfL?
Ja, ich bin zufrieden. Nur sind wir leider nicht in der Liga, in die der VfL unserer Ansicht nach eigentlich hingehört. Aber wenn wir die gemeinsame Zeit bekommen, werden wir es sicher irgendwann wieder schaffen, hochzukommen.
Ist der VfL Bochum nach teils schwierigen Jahren in der zweiten Liga noch ein echter Anwärter aufs Oberhaus?
Ja natürlich, und das muss auch unser Ziel sein. Klar ist aber auch: In diesem Jahr ist der Aufstieg vermutlich noch kein Thema. Das wäre Träumerei, nachdem wir mehrere Jahre in der zweiten Liga um den Klassenverbleib gespielt haben. Aber generell bietet der Verein so viele Möglichkeiten, dass wir das Ziel Bundesliga im Auge behalten müssen.
Trotz der gewachsenen Konkurrenz im direkten Umfeld wie Schalke 04 oder Borussia Dortmund?
Sicher, diese Nische zwischen Schalke und Dortmund besteht nach wie vor. Und die haben wir unter anderem unter meiner Regie ja schon mehr als einmal sehr gut besetzt.
Generell wird es für Clubs wie den VfL Bochum aber . . .
. . . immer schwerer, klar. Die Schere geht immer weiter auseinander, und das finde ich traurig. Zumal auch eine überragende Nachwuchsarbeit, wie wir sie hier machen, immer wieder torpediert wird durch Spielerberater, die kurzfristig viel Geld mit den Jungs machen wollen. Damit stehen wir vor dem Dilemma: Nachwuchsarbeit wird bei uns groß geschrieben, aber in letzter Konsequenz nicht belohnt.
Weil die Spieler schon früh abgeworben werden?
Genau. Sobald junge Spieler wie etwa Leon Goretzka (Anm. d. Red.: Der 19-Jährige spielt seit einem Jahr beim FC Schalke 04) ihre Leistung bringen, sind sie weg.
Welche Chancen haben Sie mit dem VfL dann noch?
Wir werden weiter unseren Nachwuchs fördern. Dazu holen wir nur noch Spieler, die keine Ablöse kosten und unbedingt in die Bundesliga wollen.
Was halten Sie eigentlich vom VfB?
Viel. Aber in all den Jahren, in denen ich den Trainerjob nun schon mache, hatte ich nie Kontakt nach Stuttgart. Aber ich fand den Club immer toll – und jetzt habe ich durch Armin Veh wieder eine persönliche Beziehung zum VfB.
Sie kennen sich gut?
Armin und ich sind seit Jahren nicht nur Kollegen.
Sondern?
Bei uns im Ruhrgebiet sagt man: Kumpels.
Wie ist diese Freundschaft entstanden?
Gemeinsame Zeiten, ähnliche Denkweise, gemeinsame Erlebnisse, bei vielen Tagungen waren wir zusammen – und früher haben wir, glaube ich, sogar die gleiche Marke geraucht. (Lacht)
Was zeichnet ihn aus?
Da genügt ein Blick auf seine Erfolge, auf die Aufstiege und Titel. Armin hat sich immer durchgesetzt, und – das ist für mich das Entscheidende: Er ist immer so was von authentisch geblieben. Das ist in der Szene Bundesliga nicht einfach, daher finde ich das herausragend.
Sie gelten auch als einer, der sich nicht verbiegen lässt.
Ich hoffe zumindest, genauso zu sein. Ich mach’ mein Ding seit über 20 Jahren, und das wird auch so bleiben. Wenn’s immer schlecht gewesen wäre, dann wundert es mich, dass ich so lange dabei geblieben bin.
Sie hatten aber durchaus Phasen, in denen Sie auf Jobangebote warten mussten.
Zu Beginn meiner Karriere war das tatsächlich so, in den vergangenen Jahren aber nicht mehr. Da konnte ich mir aufgrund meines Alters und meiner Erfahrung aussuchen, ob ich einen Job mache oder nicht.
Diese Phasen ohne Trainerjob . . .
. . . die waren fürchterlich und frustrierend. Es ist schlimm zu sehen, dass irgendwo Fehler passieren, man selbst aber nicht gefragt ist. Ich muss aktiv sein.
Also war Nichtstun für Sie anstrengender als zu arbeiten?
Absolut.
Andererseits haben Sie vor zwei Jahren einen Herzinfarkt erlitten. War der nicht Folge des stressigen Jobs im Profifußball?
Nein, das war eine Folge des Nichtstuns. Urlaubsstress nennt man das, oder? Von einem Golfplatz zum anderen. Von einer Harley-Tour zur anderen. Von einem Fußballplatz zum anderen – aber das, was ich machen wollte, habe ich nicht gemacht. So ist das passiert, verbunden natürlich mit zu vielen Zigaretten. Das Rauchen habe ich aufgehört, ich arbeite als Trainer – jetzt geht’s mir wieder blendend.