VfB-Sportvorstand Robin Dutt, Präsident Bernd Wahler (re.): Reformstau Foto: dpa

Der VfB Stuttgart ist dem Abstieg entronnen, jetzt stellt er sich neu auf für die Zukunft. Aber ein Umbau braucht Zeit und kostet Geld, schreibt StN-Sportchef Gunter Barner, „es wird jetzt nicht alles ganz schnell sehr viel besser.“

Stuttgart - Ist der VfB Stuttgart deutscher Meister geworden? Hat er die Champions League erreicht? Nein, er hat mit viel Glück und Geschick am letzten Spieltag den sportlichen Niedergang verhindert. Bei allem Jubel, bei aller Erleichterung: Es wäre ein grandioser Irrtum, jetzt zu glauben, dass alles ganz schnell viel besser wird. Der Weg zurück ist steil und steinig.

Der Stolz des württembergischen Fußballs hat sich fast ein Jahrzehnt lang durch fatale Strategiefehler, stümperhafte Personalwahl und den permanenten Selbstbetrug seiner häufig von Eitelkeiten gelenkten Führungscrew in eine äußerst bedrohliche Situation manövriert. Erst als der Traditionsclub zum dritten Mal binnen weniger Jahre gegen den Abstieg kämpfte, kam Bewegung ins betriebsblinde System des VfB. Führende Köpfe in wichtigen Ressorts wurden ausgetauscht, und in Robin Dutt agiert seit der Winterpause ein Sportvorstand, der an entscheidender Stelle klare Pläne und Konzepte präsentiert – von den Jugendteams über die U 23 bis hin zu den Profis.

Versäumnisse lassen sich nicht so einfach aufholen

Dieser Umbruch ist mehr als alles, was der VfB in den vergangenen Jahren zu bieten hatte, aber noch keine Garantie für schnelle Erfolge. Und es wäre nicht der erste VfB-Neuanfang, der am Neckarstrand versandet. Was in den Jahren seit der deutschen Meisterschaft 2007 in der inneren Führung des Vereins versäumt wurde, lässt sich nicht von heute auf morgen nachholen. Die von Präsident Bernd Wahler, Robin Dutt und dem in Teilen neu besetzten Aufsichtsrat angestoßenen Struktur-, Personal- und Strategie-Reformen brauchen Zeit und Geld, um ihre Wirkung zu entfalten. Eine Mannschaft mit zu vielen mittelmäßig kickenden, aber erstklassig kassierenden Spielern lässt sich nicht im Handumdrehen umbauen. Die Verkrustungen eines Vereins sind nicht per Knopfdruck zu lösen. Noch immer gibt es zu viele Firmen innerhalb der Firma VfB – mit gewachsenen Hierarchien, aber wenig Lust auf Veränderung.

Die finanzielle Ausstattung ist nach wie vor nicht schlecht, aber die Zeiten, als der Club innerhalb kurzer Zeit mit Fehleinkäufen 100 Millionen Euro verbrennen konnte, sind definitiv vorbei. Die umgebaute Führungsriege wird noch weit intensiver als ihre Vorgänger daran zu messen sein, wie klug und effizient sie mit weniger Geld als bisher umgehen kann.

Jetzt sind Taten gefragt

Taten statt Worte. Bernd Wahler und seine Helfer haben den Anfang vom Neuanfang initiiert. Mit einem Coach Alexander Zorniger, der noch nie in der Bundesliga an der Seitenlinie gestanden hat. Ein riskantes Spiel, aber Teil eines schlüssigen und wohl überlegten Plans, welcher der Marke VfB wieder Leuchtkraft verschaffen soll. Wofür steht dieser Verein, mit welcher Spielidee will er begeistern, mit welchem Personal können sich die Fans wieder identifizieren? Wie lässt sich mehr Kontinuität auf der Trainerbank sichern? Erst wenn die veränderte VfB-Führung unter diesen Aspekten Erfolge vorzuweisen hat, wird sie verspieltes Vertrauen unter den Fans zurückgewinnen. Und erst dann ist die geplante Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung in eine Aktiengesellschaft wieder ein realistisches Ziel.

So betrachtet ergibt es wenig Sinn, die Revolution zu fordern, wo die Evolution schon im Gange ist. In der Krise ist personelle Kontinuität hilfreicher als Streit und Posten-Geschacher. Zwar hat Präsident Bernd Wahler mit der Trennung von Fredi Bobic zu lange gezögert, gemeinsam mit dem Aufsichtsrat aber die nötigen Reformen angekurbelt. So oder so: Der schwäbische Patient wird nach all den Niederschlägen Jahre brauchen, um zu regenerieren. Weshalb es fürs Erste schon ein Erfolg ist, wenn die nächste Spielzeit nicht wieder zu einem Horror-Trip gerät.