Keine Chancen, keine Tore: Für Vedad Ibisevic läuft es schon lange nicht mehr rund Foto: Bongarts

Seit Januar hat Vedad Ibisevic für den VfB Stuttgart nicht mehr getroffen. Bei den Fans unten durch, genießt er im Verein vor dem Spiel gegen seinen Ex-Club Hoffenheim Bestandsschutz

Seit Januar hat Vedad Ibisevic für den VfB Stuttgart nicht mehr getroffen. Bei den Fans unten durch, genießt er im Verein vor dem Spiel gegen seinen Ex-Club Hoffenheim Bestandsschutz.

Stuttgart - Ibisevic trifft schon wieder, Ibisevic feiert, Erfolgsgarant, Ibisevic bremst Euphorie, Himmelsstürmer, perfekte Vorstellung, Ibisevic mischt die Liga auf, Zauberfußball, neuer Stern des Südens . . .

Ein flüchtiger Blick ins Archiv des Jahres 2008 zeigt, dass es für Vedad Ibisevic einmal ziemlich gut gelaufen sein muss in der Bundesliga. Damals, in Hoffenheim. Umso unbarmherziger stellt sich die Situation für den Stürmer vor dem Duell mit seinem Ex-Club am Samstag dar. Jetzt ist der Bosnier der Null-Tore-Mann. Der personifizierte Harmlos-Sturm.

Seit dem Spiel gegen den FC Bayern im Januar hat er nicht mehr getroffen. Schlimmer noch: Der 30-Jährige ist noch nicht einmal mehr ein Chancentod, weil er sich Tormöglichkeiten gar nicht erst erarbeitet beziehungsweise von seinen Mitspielern keine Bälle aufgelegt bekommt. Seine Spielweise sorgt bei den Fans auch für keine Entzückung. Meist sehen sie ihn nicht. Wenn er dann doch mal in Aktion ist, stemmt er sich mit dem Rücken in seinen Gegenspieler, geht zu Boden und reklamiert Foul.

Doch statt offen mit seiner Misere umzugehen, igelt sich Ibisevic ein. Seit seiner unnötigen Roten Karte im Februar gegen den FC Augsburg befindet sich der Bosnier auf Tauchstation. Interviews gibt er wenn, dann nur Medien aus seiner Heimat. Oder es tauchen erfundene auf, wie kürzlich in einem italienischen Internetportal. Dort wurde Ibisevic sinngemäß mit den Worten zitiert, er habe höhere Ambitionen als der VfB. Dies hat der Mann aus Vlasenica umgehend dementiert – verbunden mit einer Medienschelte, welche die Stuttgarter Presse ausdrücklich hervorhebt.

Seinem Stellenwert innerhalb des Vereins kann das alles offenbar nichts anhaben. Zur allgemeinen Überraschung wurde der Vertrag des WM-Teilnehmers (und ersten WM-Torschützen seines Landes) vor der Saison bis 2017 verlängert.

„Man darf nicht vergessen, wie oft er dem Verein mit seinen Toren schon den Arsch gerettet hat“, sagt VfB-Trainer Armin Veh vor der Partie am Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen die TSG 1899 Hoffenheim. „Er befindet sich momentan eben in einer schweren Phase, aber das wird sich auch wieder ändern“, ergänzt Sportvorstand Fredi Bobic. Und Kapitän Christian Gentner schimpft auf die Fans, die ihn auspfeifen, oder, wie am vergangenen Samstag, in München seine Auswechslung zur Halbzeit höhnisch bejubeln.

Bis zur Rückkehr von Ginczek darf Ibisevic sein Glück weiter versuchen

Normalerweise gehört es zu den Gesetzen der Branche, dass Triumphe von einst nichts mehr zählen. Eine Floskel, die vor allem im Erfolgsfall immer wieder bemüht wird. Bei Vedad Ibisevic verhält es sich ein wenig anders, was folgende Schlussfolgerungen zulässt: Einem am Boden Liegendem muss man aufhelfen – vor allem, wenn die Vereinsführung, wie bei Ibisevic, von dessen Qualitäten überzeugt ist. Immerhin hat er es in bisher 75 Bundesliga-Spielen für den VfB auf 33 Tore gebracht. Und für Bosnien-Herzegowina trifft der Stürmer, dessen Marktwert auf acht Millionen Euro taxiert wird, noch immer wie am Fließband.

Die zweite Erklärung: Auf Drängen von Veh wollte der Verein Ibisevic im Sommer – trotz Angeboten aus England und der Türkei – unbedingt halten. Dem Trainer war die Situation im Sturm mit dem erst 18-jährigen Timo Werner und den beiden anderen verletzten Stürmern Mohammed Abdellaoue und Daniel Ginczek zu heikel. Und nach einem anderen guten, bezahlbaren Angreifer, den es auch noch nach Stuttgart zieht, würde Fredi Bobic wahrscheinlich noch bis Weihnachten suchen. Also setzen die VfB-Granden alles auf die Karte Ibisevic – und das Prinzip Hoffnung.

Zumindest bis zur bevorstehenden Rückkehr von Daniel Ginczek darf der bullige Stürmer sein Glück weiter versuchen. So wohl auch am Samstag gegen Hoffenheim. Dann wahrscheinlich an der Seite von Timo Werner. In München hat es Veh schon einmal in dieser Konstellation versucht. Mit dem bekannten Ergebnis, dass Ibisevic nach nur einem Torschuss zur Pause ausgewechselt wurde. Der Trainer glaubt in dieser Woche erkannt zu haben, woran es krankt im VfB-Spiel. „Wir sind zu geordnet“, sagt er.

Veh meint damit, dass die Spieler zu sehr auf ihre Defensivaufgaben konzentriert und in erster Linie darauf bedacht sind, keine Fehler zu machen. Gegen die Kraichgauer setzt er daher auf das Chaosprinzip. Er verspricht sich mehr Unordnung im Spiel – auf dass dann auch mehr Bälle im Sturmzentrum landen. Vedad Ibisevic hätte so zumindest mal Chancen. Er muss sie dann nur noch nutzen.