Der Verkauf von Immobilien nach Gebot stößt bei Experten aus der Immobilienwirtschaft auf Kritik. Foto: Mierendorf

Verkäufer von Immobilien nutzen in Ballungsräumen wie Stuttgart derzeit verstärkt die Möglichkeit, ihre Objekte nach Gebot zu veräußern.  

Der Wunsch nach den eigenen vier Wänden ist ungebrochen. Aber gerade in den Ballungszentren sind Wohnimmobilien zum Kauf rar. Wer derzeit seine Immobilie in der Landeshauptstadt oder in den gefragten Zentren der Region zum Kauf anbietet, kann sich vor Käufern oft nicht retten. Um den optimalen Verkaufspreis herauszuholen, wird auch schon mal 'nach Gebot' verkauft. Das finden nicht alle gut. Normalerweise erfolgt der Verkauf einer Immobilie so: Den potenziellen Käufern wird zunächst ein Preisangebot unterbreitet und dann ein Besichtigungstermin vereinbart. Danach entscheidet der Käufer, ob er die Offerte annimmt oder nicht.

'Bei einem Verkauf per Gebot bleibt es dem Interessenten überlassen, ein Preisangebot zu machen', erklärt Professor Stephan Kippes von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt HfWU das Verfahren. Grundsätzlich sei es für den Käufer aber viel einfacher, bereits in der Anzeige einen Angebotspreis mitgeteilt zu bekommen. 'Beim Gebotsverfahren muss sich der Käufer im Vorfeld intensiv mit dem Objekt auseinandersetzen und gegebenenfalls einen Immobilienwertermittler hinzuziehen. Dadurch entstehen Kosten, ohne zu wissen, ob man überhaupt den Zuschlag erhält', macht Kippes deutlich, der dieses Angebotsverfahren kritisch sieht. Vor allem in der aktuellen Marktsituation sähen manche Eigentümer in diesem Verfahren verstärkt eine Chance zur bestmöglichen Vermarktung ihrer Immobilie. Auch wenn der Verkauf auf Basis von Geboten derzeit an Bedeutung gewonnen hat, handele es sich dabei noch lange nicht um ein Massenphänomen, beruhigt Kippes. Immobilienofferten von Maklern mit dem Zusatz 'nur gegen Gebot zu verkaufen' ärgern Erich Hildenbrandt. 'Als Makler sollte man in der Lage sein, den Verkaufswert einer Immobilie zu ermitteln', sagt der Stuttgarter Immobilienmakler.

Chancen und Möglichkeiten des Objekts aufzeigen

'Wir sind generell kein Freund von Gebotsverfahren, da dieses, wenn überhaupt, nur ein Verfahren zwischen Profis sein sollte. Der Laie braucht Hilfe und Zeit, um im Vorfeld mit Banken, Steuerberatern, Architekten und den möglicherweise betroffenen Behörden wie Baurechts-, Stadtplanungs- und Denkmalamt zu sprechen', sagt er. Je komplexer oder flexibler eine Immobilie sei, umso wichtiger sei es für den Verkäufer wie den Käufer, dass ein kompetenter Makler die Chancen und Möglichkeiten des Objekts aufzeigt, wirbt Hildenbrandt für seinen Berufsstand. 'Viele potente Kaufinteressenten beteiligen sich heute schon gar nicht mehr an derartigen Gebotsverfahren, da ihnen der Aufwand zu groß und zu unsicher ist', weiß Erich Hildenbrandt. Das Ludwigsburger Immobilienunternehmen Pflugfelder verzichtet in der Regel ganz bewusst auf einen Verkauf nach Gebot. 'Die Käufer erwarten von uns für das Kaufangebot eine Orientierungsgröße', macht Jürgen Pflugfelder deutlich.

Allerdings habe man als Makler kein Problem damit, auch über ein Gebotsverfahren eine Immobilie zu verkaufen. Voraussetzung wäre aber hierfür, dass es sich um ein hochwertiges Objekt in Bestlage handelt, für das die Interessenten sehr schnell bereit seien, ein Gebot abzugeben. 'Bei hochwertigen Immobilien kann sich jedoch der Entscheidungs- und Prüfungsprozess über Monate hinziehen', so Pflugfelder. Das Ludwigsburger Unternehmen hat noch keine gravierende Zunahme der Gebotsverfahren in seiner Marktregion festgestellt. Allerdings gebe es immer wieder Immobilien, bei denen aufgrund der großen Nachfrage mehrere Kaufzusagen vorlägen. 'In diesen Fällen wird vom Verkäufer an uns manchmal der Wunsch herangetragen, eine Art Versteigerung im Gebotsverfahren durchzuführen', so der Makler. Aus Sicht der Immobilienvermittlung der BW-Bank sollte bei wohnungswirtschaftlichen Objekten immer ein Angebotspreis genannt werden, damit der Kaufinteressent auch eine Orientierung hat. Seien aber mehrere Interessenten bereit, den Angebotspreis zu bezahlen, sei die Entscheidung bei 'Gleichstand' für den Eigentümer nicht einfach.

Oft sei er dann geneigt, nach dem höchsten Gebot zu entscheiden, so Robin Frank von der BW-Bank. Gerade in der aktuellen Marktphase komme es öfter vor, dass sich mehrere Interessenten regelrecht überböten. 'Es sollte nie nur die Höhe der Kaufsumme für den Zuschlag entscheidend sein', rät Frank. Zahlungsziel und eine Finanzierungsbestätigung seien ebenso wichtig. Auch das Stuttgarter Privatbankhaus Ellwanger & Geiger verzichtet in der Regel auf das Gebotsverfahren. Für Immobilienberater Friedwalt Böhm werde mit Hilfe der Preisangabe die Ansprache der passenden Zielgruppe sichergestellt. 'Aus Gründen der Diskretion könne es aber in Ausnahmefällen bei sehr hochpreisigen Immobilien zu einem Gebotsverfahren kommen', schränkt Böhm ein.

Für Stephan Scheibe, Teamleiter Wohnimmobilien bei Dr. Lübke & Kelber, gebe es bei der Veräußerung einer Immobilie nach Gebot oftmals viele Verlierer, weshalb viele Kunden diese Form von Angeboten schon aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen. Andererseits gebe es aber auch Objekte, die eine genaue Preisfindung sehr schwierig machten. Hier könne unter Umständen der Verkauf gegen Gebot angebracht sein, um den Markt und die Nachfrage in Einzelfällen besser erkennen zu können. 'Wir halten dies aber nicht für eine seriöse Objektdarstellung', macht Scheibe deutlich. Der Kunde habe ein Anrecht darauf zu wissen, 'wo die Reise preislich hingeht'.