Verkehrs-Nachschulungen im Alter sind eine Sache der Freiwilligkeit. Foto: dpa

Ältere Menschen verursachen immer mehr Unfälle. Land und ADAC wehren sich gegen Tauglichkeitstests.

Oberndorf - Gefährden ältere Menschen andere Verkehrsteilnehmer, und sollten Fahrtauglichkeitstests für Senioren zur Regel werden? Nein, sagt das Landesverkehrsministerium und setzt weiter auf Freiwilligkeit.

"Der 82-jährige Autofahrer übersah beim Abbiegen den Motorradfahrer" oder "85 Jahre alter Autofahrer verursacht tödlichen Unfall": So oder so ähnlich steht es immer wieder in Polizeimeldungen. So auch jüngst bei einem Unfall, der sich auf einer Landstraße in der Nähe von Freiburg ereignet hat. Die Bilanz: fünf beteiligte Fahrzeuge, acht Verletzte. Verursacher war ein 82-jähriger Autofahrer. "Aus unbekannter Ursache", so der Polizeijargon, war er bei Regen und Dunkelheit auf kurvigem Terrain in den Gegenverkehr geraten. Unfälle wie dieser sind in der Region zwischen Hochrhein, Hoch-schwarzwald und Kaiserstuhl an der Tagesordnung.

"Die Gesellschaft wird älter", sagt Polizeisprecher Dirk Klose in Freiburg. "Da ist es klar, dass auch immer mehr ältere Autofahrer zu Unfallverursachern werden." Und mit diesen steigenden Zahlen geht die Debatte einher, ob und ab wann jemand freiwillig "den Lappen" abgeben sollte, oder ob die Politik Fahrtauglichkeitstests im Alter festzurren soll.

Junge, risikofreudige Raser bereiten Sorgen

Die Eignung, ein Fahrzeug zu führen, muss man hierzulande durch die Führerscheinprüfung nachweisen. Nachschulungen im Alter sind eine Sache der Freiwilligkeit. So will es der Bund auch: "Wir setzen auf Freiwilligkeit und Informationen, zum Beispiel durch Ärzte", sagt ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums. Verkehrsteilnehmer der Generation "65+" gelten in den Statistiken nicht als besonders häufige Unfallverursacher, aber gehäuft als Unfallopfer. Aber: Ab mehr als 75 Jahren steigt auch die Zahl der Unfallverursacher deutlich an.

Als Hauptverursacher von schweren Unfällen gelten nach wie vor die jungen, risikofreudigen Raser. Man beobachte zwar, so die Auskunft aus Berlin und aus dem Landesverkehrsministerium, was sich unfallstatistisch am anderen Ende der Alterspyramide tut. "Aber prinzipiell ist Fahrtauglichkeit keine Frage des Alters, sondern der Gesundheit, man kann auch mit 90 noch topfit am Steuer sein", meint ein Sprecher der Bundesbehörde. Ältere Verkehrsteilnehmer dürften nicht diskriminiert werden, so die Position Berlins.

Auch im baden-württembergischen Verkehrsministerium setzt man auf Freiwilligkeit und auf einen seniorengerechteren Ausbau der Verkehrswege. Das aktuelle Verkehrssicherheitskonzept des Landes fordert mehr Angebote für freiwillige Fahrtauglichkeitstests und mehr Anreize, den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu nutzen. Doch, und das weiß man in der Landeshauptstadt, gerade auf dem Land ist das mit dem ÖPNV so eine Sache. Vehement wehrt sich der ADAC gegen verpflichtende Fahrtauglichkeitstests. Die würden eh nichts bringen, so der Autoclub. "Die Forderung nach derartigen Tests entbehrt jeglicher Grundlage", sagt Clemens Bieniger. Der Vorsitzende des ADAC Südbaden beruft sich auf die Unfallzahlen des Statistischen Bundesamts: "Autofahrer über 65 Jahren sind lediglich in 13 Prozent aller Fälle Verursacher eines Unfalls mit Personenschaden. Bei einem Bevölkerungsanteil von 20 Prozent liegen Senioren damit weit unter dem Schnitt anderer Altersgruppen."

Mit der langen Fahrpraxis könne man im Alter zudem Leistungseinbußen am Steuer kompensieren, so der ADAC, der wie die Politik auf freiwillige Maßnahmen wie den "FahrFitnessCheck" oder den "Seniorenkurs" im eigenen Fortbildungsangebot setzt. Dabei schaut sich ein Fahrlehrer an, was der Senior am Steuer so drauf hat. Wer schlecht abschneidet, muss aber nichts befürchten: Eine Meldung an die Führerscheinstelle erfolgt nicht. Die Behörde kann im Zweifelsfall zwar den Führerschein einziehen. Sie muss aber erst Wind davon bekommen, dass jemand besser nicht mehr Auto fahren sollte. Und das ist immer häufiger der Fall.

Je "älter" eine Kommune, desto höher sind die Zahlen

Denn der wiederholt zitierten niedrigen Gesamtquote bei den Unfallverursachern im Rentenalter stehen andere Zahlen gegenüber: Allein im ländlichen Raum rund um Freiburg sind die Unfallzahlen verursacht durch Fahrer der "Generation 65+" seit 2004 prozentual am Gesamtaufkommen der Unfälle von weniger als 15 auf rund 20 Prozent gestiegen. Die Landesstatistik belegt, dass in dieser Altersgruppe die Zahl der Unfälle an Kreuzungen, Einmündungen und Zebrastreifen von 38 auf 56 Prozent ansteigt. Sprich: Wenn es unübersichtlich wird, verursachen ältere Fahrer leichter einen Unfall als jüngere.

Und: Je "älter" eine Kommune ist, desto höher sind die Zahlen, wie der Blick auf die Unfallzahlen der Kurstadt Bad Krozingen (Breisgau-Hochschwarzwald) zeigt, wo bei stabilen Unfallzahlen in den vergangenen zehn Jahren der Seniorenanteil bei den Verursachern von 18 auf 28 Prozent angestiegen ist. "Wir wissen um das Problem", so ein Rathausmitarbeiter. Manchmal sehe er vom Fenster aus, wie lange einzelne ältere Autofahrer brauchen, um zum Beispiel auf dem Rathausplatz zu wenden. "Das dauert Minuten!" Ist vielleicht aber besser als die ewige Hetzerei.

Doch wer wollte zugeben, dass er nicht mehr fahren kann? "Da geht es um die Mobilität und letztlich ums Gefühl, nicht zum alten Eisen zu gehören." Das wiederum sei ein Thema, vor dem die Politik zurückschrecke, weil man damit keine Wählerstimmen gewinnen kann.