Der baden-württembergische Justizminister Rainer Stickelberger gerät wegen der Vorgänge in der JVA Bruchsal mehr und mehr unter Druck. Foto: dpa

Um den Hungertod eines Häftlings in der JVA Bruchsal aufzuklären, kann sich die CDU weniger als ein Jahr vor der Landtagswahl einen U-Ausschuss als letztes Mittel der Aufklärung vorstellen.

Stuttgart - Die Opposition lässt Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) wegen des in Bruchsal verhungerten Häftlings nicht aus der Zange. Die CDU im Ständigen Ausschuss schließt einen Untersuchungsausschuss des Landtags nicht aus.

„Das Thema Untersuchungsausschuss steht sicherlich im Raum, wenn man gar keine Informationen kriegt“, sagte der Ausschusschef Stefan Scheffold am Donnerstag in Stuttgart.

Stickelberger musste bereits zum dritten Mal wegen des Hungertods des 33-Jährigen im August 2014 vor den Ausschuss. Der Mann aus dem afrikanischen Burkina Faso war im Januar 2012 vom Landgericht Offenburg wegen Totschlags an seiner Freundin zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Zuletzt saß er in nicht genehmigter Einzelhaft.

Scheffold will insbesondere Einblick in den Wortlaut einer E-Mail des inzwischen suspendierten Leiters der JVA-Bruchsal an das Justizministerium vom 2. Juli 2014. Darin wurde der Zustand des Häftlings zwar als „stabil und sauber“ beschrieben worden, zugleich war aber von Wahnvorstellungen und Nahrungsverweigerung die Rede. Es stelle sich die Frage, ob die E-Mail vollständig gelesen worden sei und welchen Folgen sie gezeitigt habe, sagte der CDU-Mann.

Sind auch im Ministerium Fehler gemacht worden?

Für eine endgültige Bewertung sei auch das Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen den Leiter und eine abgerufene Anstaltsärztin wegen fahrlässiger Tötung abzuwarten. Klar sei aber, dass nicht nur in der JVA, sondern auch im Ministerium Fehler gemacht worden seien, resümierte Scheffold.

Der SPD-Abgeordnete Sascha Binder warf der CDU vor, mit einem verfrühten Entlassungsantrag gegen Stickelberger wegen mangelhafter Aufklärung bereits ein Urteil gefällt zu haben. Deshalb könne ein U-Ausschuss kein ehrlicher Aufklärungsversuch sein.

Der Antrag war im November mit den Stimmen der Regierungsmehrheit abgelehnt worden. Der Grünen-Abgeordnete Uli Sckerl betonte, aus seiner Sicht stelle sich die Frage nach der politischen Verantwortung des Ministers für den Tod des Mannes nicht. Der Fall sei ihm vor dessen Ableben gar nicht bekanntgewesen.

Völlig unterschiedlich bewerteten die politischen Lager ein Gutachten im Auftrag der Karlsruher Staatsanwaltschaft; nach diesem hätte die krankhafte Störung der Geistestätigkeit des Mannes behandelt und der Hungertod vermieden werden können.

Laut Stickelberger beantwortet das Gutachten nicht die strafrechtlich relevante Frage, ob die Anstaltsleitung den Zustand des Mannes habe erkennen müssen und können.

Er habe seine Verantwortung wahrgenommen, indem er die Aufsichts- und Berichtskultur in seinem Ressort verändert habe, etwa durch bessere Kontrolle der Verhängung von Einzelhaft und regelmäßigen Austausch über besonders schwierige Fälle.

Mitarbeiter beklagen unzumutbare Arbeitsbedingungen

Mitarbeiter der JVA Bruchsal beklagen unterdessen unzumutbare Arbeitsbedingungen. Vier Sanitätsbedienstete reichten laut einem „Spiegel“-Bericht zwischen Ende Januar und Mitte Februar sogenannte Überlastungsanzeigen ein, die die Anstalt an das Justizministerium weiterleitete. Darin bemängeln sie „eine unzureichende Personalausstattung“, „unzureichende Räumlichkeiten“ und eine hohe Zahl von Gefangenen, an die Drogenersatzstoffe wie Methadon ausgegeben werden müssten.

Laut Anstaltsleitung hat es zwar keine Fehlausgaben von Medikamenten gegeben; dennoch erinnerte die Medizinalreferentin des Ministeriums die Anstaltsleitung per E-Mail daran, „dass die Medikamentenausgabe regelkonform und sicher“ erfolgen müsse - etwa durch das „Richten von Medikamenten zu zweit“. Anfang April kam im Gefängnis Bruchsal ein 22-jähriger Häftling zu Tode. Eine erste Untersuchung belegte die Einnahme des Heroin-Ersatzstoffs Methadon.

Laut Justizministerium vom Freitag ist auf die Überlastungsanzeigen im Januar und Februar umgehend reagiert worden. Der Leiter der Krankenabteilung der Außenstelle Kislau der JVA Bruchsal sei zum 23. Februar an die Hauptanstalt abgeordnet worden. Außerdem sei die zeitweise erkrankte Leiterin der Krankenabteilung seit März wieder mit steigendem Stundendeputat im Dienst. Auch werde geprüft, wie sich die räumliche Ausstattung des Krankenreviers verbessern lasse.

Die nach dem Hungertod des Häftlings eingesetzte Expertenkommission, die den Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen auf den Prüfstand stellt, will laut Ministerium am 11. Mai ihren Zwischenbericht mit Verbesserungsvorschlägen vorstellen.