Hollywoodstar George Clooney (links) und Erzbischof Georg Gänswein. Gänswein (57) trägt seinen Spitznamen „George Clooney des Vatikans“ mittlerweile mit Gelassenheit. Foto: dpa;

Kurien-Erzbischof Georg Gänswein warnt die deutschen Katholiken vor allzu großen Hoffnungen auf päpstliche Reformen. Der Privatsekretär von Benedikt XVI. und Präfekt des Päpstlichen Hauses, gibt überraschende Einblicke in sein Seelenleben sowie in die Konflikte im Vatikan und in der deutschen Kirche.

Kurien-Erzbischof Georg Gänswein warnt die deutschen Katholiken vor allzu großen Hoffnungen auf päpstliche Reformen. Der Privatsekretär von Benedikt XVI. und Präfekt des Päpstlichen Hauses, gibt überraschende Einblicke in sein Seelenleben sowie in die Konflikte im Vatikan und in der deutschen Kirche.

Rom - Was ist nur mit „Padre Georg“ los, dem „George Clooney des Vatikan“? Diese Frage stellen sich nicht nur Vatikan-Mitarbeiter, sondern auch viele in Georg Gänsweins Heimat-Erzbistum Freiburg. Nicht nur, dass der 57-Jährige mit zwei offenherzigen Interviews in der Adventszeit für Furore sorgt, Gänswein will jetzt auch den „echten George“ treffen.

Kurien-Erzbischof Gänswein ist Diener zweier Herren: Privatsekretär des am 28. Februar dieses Jahres zurückgetretenen Papstes Benedikt XVI. und zugleich Präfekt des Päpstlichen Hauses seines Nachfolgers Franziskus. Er wolle sich persönlich davon überzeugen, sagt er im Interview, ob der 52-jährige Hollywood-Beau George Clooney ihm wirklich so ähnlich sehe, wie immer behauptete werde.

Nun ist auch Georg Gänswein, den Benedikt am 7. Dezember 2012 – nur wenige Monate vor seinem Rücktritt – zum Titularerzbischof ernannte, wie sein alter ego George Clooney nicht frei von Eitelkeiten. Im Gespräch mit dem Politmagazin „Cicero“ beteuert er, dass ihn sein Spitzname „George Clooney des Vatikan“ eine Weile lang genervt habe. „Inzwischen schmunzle ich darüber“, bekundet er. Sollte der Oscar-Preisträger sich „nach Rom verirren, können wir uns gerne treffen.Die Türen stehen offen, er ist herzlich willkommen.“

Das Titelbild der Januarausgabe 2013 der italienischen Version der „Vanity Fair“ ziert einen strahlenden „Padre Georg“. Die Zeitschrift vergleicht ihn mit George Clooney – dem Idealbild des klassisch schönen Mannes. „Als ich zum ersten mal den Vergleich hörte“, bekennt der aus dem Schwarzwald stammende Priester, „wusste ich gar nicht, wer George Clooney eigentlich ist und wie man den Namen richtig ausspricht.“

Ein Machtkampf tobt

Dieses Bekenntnis ist dem engsten Vertrauten Benedikts´XVI., der seit Jahren im Zentrum der kirchlichen Macht lebt, schwerlich abzunehmen. Selbst im Vatikan dürfte man wissen, dass George Clooney neben Brad Pitt und Johnny Depp der Einzige in der Reihe der „Sexiest Man Alive“ ist, der den illustren Titel gleich zwei Mal (1997 und 2006) errungen hatte. Zur Info: „Sexiest Man Alive“ ist eine internationale Auszeichnung, die jährlich vom US-„People Magazine“ verliehen wird. In einer Ausgabe am Ende jedes Jahres teilt das „Magazine“ mit, wen die Redaktion für den „Mann mit dem größten Sexappeal“ des Jahres hält. Gekürt wird der bestaussehende männliche Promi.

Diese Angelegenheit wäre eine nette Pikanterie, würde hinter Gänsweins Worten nicht weit mehr als nur ein Fegefeuer vatikanischer Eitelkeiten stecken. Hinter den Mauern des Kirchenstaates tobt ein Machtkampf, der wie zu Zeiten der Renaissancepäpste mit List und Tücke ausgetragen wird.

Im Zentrum der sich formierenden konservativen Opposition gegen den Reformkurs von Papst Franziskus steht Gerhard Ludwig Müller. Der 65-jährige Erzbischof war bis zu seiner Ernennung zum Präfekten der Glaubenskongregation am 2. Juli 2012 Bischof von Regensburg (seit 2002). Das Delikate an der Ernennung des früheren Schülers von Joseph Ratzinger und Regenburger Dogmatik-Professor ist, dass sein Mentor Benedikt ihn wenige Monate vor seiner Demission in das zweitmächtigste Amt der Katholischen Kirche gehievt hatte. Als Nachfolger des früheren Erzbischofs von Los Angeles, William Joseph Kardinal Levada,

Auch im neuen Amt macht Müller aus seiner Gesinnung und seinen Differenzen mit dem reformwilligen Franziskus keinen Hehl. Wie einst Ratzinger als Glaubenspräfekt profiliert auch er sich als traditionalistischer und konservativer Gralshüter kirchlicher Lehre. Offenbar schart sich die Anti-Franziskus-Fraktion im Vatikan konspirativ um ihren Bannerträger Müller. Darunter dürften einige jener Kardinäle zu finden sein, die Jorge Mario Bergoglio im Konklave am 12. und 13. März überraschend zum 265. Nachfolger des Apostels Petrus wählten. Die flammende Rede des Erzbischofs von Buenos Aires im Vorkonklave und sein Plädoyer für eine Kirche der Armen überzeugte damals auch die letzten Zweifler.

Hoffnung auf einen kirchlichen Gezeitenwandel

Zurück zu Gänswein: Er hat sich nicht nur zu seinem attraktiven Aussehen geäußert, sondern auch seine Sorge um den Zustand der deutschen Kirche zum Ausdruck gebracht. Gerade seine Warnung vermittelt einen tiefen Einblick in die Seelenlage mancher Vatikan-Mächtigen. „Ich glaube kaum, dass der Papst sich in seinem Pontifikat von gewissen deutschen Initiativen drängen lässt“, sagt Gänswein im „Cicero“-Interview. Was er nebulös mit „deutschen Initiativen“ meint, ist klar: Gänswein spricht von der linkskatholischen Kirchenvolksbewegung und ihren Anhängern, die sich nach 35 Jahren konservativer Kirchenpolitik unter Johannes Paul II. (1978-2005) und Benedikt XVI. (2005- 2013) Hoffnung auf einen kirchlichen Gezeitenwandel machen.

Diese selbst ernannten Basis-Katholiken irren indes gewaltig, wenn sie glauben, dass Franziskus aufgrund seines bescheidenen Lebensstils und seiner Abneigung gegen päpstlichen Prunk ein Bilderstürmer sei. In dogmatischen, kirchenrechtlichen und moraltheologischen Fragen ist der 77-jährige Pontifex genauso konservativ wie seine Vorgänger. Unmissverständlich hat er deutlich gemacht, dass er am Zölibat (der priesterlichen Ehelosigkeit) und am kategorischen Nein zur Priesterweihe von Frauen festhalten will.

Was Franziskus anstrebt ist ein anderer pastoraler Stil in der Kirche, eine Option für die Armen und eine neue Transparenz im Umgang mit kirchlicher Macht. Ganz im Sinne seines von den Nationalsozialisten am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee ermordeten Glaubensbruders Alfred Delp. In einem seiner letzten Briefe schrieb der 1907 geborene Jesuit: „Der anmaßende Mensch ist schon in der Nähe der Kirche immer von Übel, geschweige denn in der Kirche oder gar im Namen der Kirche oder als Kirche.“

Gänswein seinerseits beschwört einen Konflikt der deutschen Kirche mit dem Papst herauf, den er explizite am Fall Tebartz-van Elst festmacht. Dem von Franziskus am 23. Oktober in Zwangsurlaub geschickten Limburger Oberhirten wird Verschwendungssucht beim Bau des rund 30 Millionen-Euro teuren Bischofssitzes vorgeworfen. Ausgerechnet Gänswein positioniert sich als Sprachrohr der Unzufriedenen im Vatikan und deutschen Episkopat. Schon wird in den Medien gemutmaßt, die Konservativen könnten dieses Pontifikat einfach „aussitzen“. Zumal Jorge Mario Bergoglio gesundheitlich angeschlagen ist: Mit 21 Jahren musste ihm sein rechter Lungenflügel bei einer OP teilweise entfernt werden.

Letztendlich könnte es Franziskus so ergehen wie dem Reformpapst Johannes XXIII. (1958-1963). Angelo Gioseppe Roncalli, der wie Franziskus erst mit 76 Jahren Pontifex wurde, wollte die Fenster der Kirche zur Welt öffnen und rief das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) aus. Unter seinen Nachfolgern Paul VI. (1963-1978), Johannes Paul II. und Benedikt XVI. wurden die alten Machtstrukturen in der Katholischen Kirche restauriert und der Demokratisierungsprozess im Keim erstickt.

Den Kritikern von Tebartz-van Elst hält Gänswein vor, „andere Ziele zu haben als eine Klärung finanzieller Verantwortlichkeiten“. Limburg müsse ein „katholisches Bistum“ bleiben. Mit diesem Verdikt unterstellt er dem Domkapitel und prominenten Bischöfen – vor allem dem Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch – indirekt, gegen den wahren Glauben und die rechte Doktrin zu opponieren. Manchem, der jetzt von Franziskus begeistert sei, unkt Gänswein, werde „der Jubel in der Kehle stecken bleiben“. Solche Sätze hört man selten aus dem Mund eines Vatikan-Promis.

Ganz offenbar hat sich Gänswein jetzt eine Riesenlast von der Seele geredet. Auch gesteht er ein, „in zwei Welten zu leben“. Von Franziskus erwarte er „jeden Tag von Neuem, was heute anders wird.“ Benedikts Rücktritt habe er als „Amputation“ empfunden. „Trotzdem gelte auch für ihn als Getreuen Benedikts: Es gibt nur einen Papst.“

Für sich selbst schließt Gänswein kategorisch aus, als Erzbischof nach Deutschland zurückzukehren. Er beteuert, dass er emotional „sehr stark an Papst Benedikt gebunden war und gebunden bin und gebunden bleibe“. Und: „Bei der Bestellung der Bischöfe in Freiburg, Köln, Hamburg wählt das Domkapitel aus einer von Rom vorgelegten Terna (lateinisch: Dreiervorschlag) aus. Da sind meine Aussichten gering.“ Insgeheim kann er sich aber berechtigte Hoffnungen auf einen der Erzbischofssitze in Köln, Freiburg oder Hamburg machen.

Die Kritik am deutschen Episkopat zielt besonders auf seine Protagonisten – den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch und den Erzbischof von München und Freising Reinhard Kardinal Marx. Es war Marx, der Mitte September Behauptungen aus dem Umfeld Tebartz-van Elsts öffentlich widersprach, erst die Medien hätten den Bischof in Bedrängnis gebracht. „Medienkampagnen laufen ins Leere, wenn da nichts ist, deshalb sind Aufklärung und Offenheit so wichtig.“ Auf Tebartz-van Elst angesprochen, erklärte Marx: „Im Übrigen gelten auch für Bischöfe wie für alle Gläubigen die Gebote von Transparenz und Wahrhaftigkeit.“

Dem widerspricht Gänswein jetzt vehement: „Wenn die Atmosphäre in Limburg vergiftet sein soll, muss man sich fragen, wo die Vergiftung herstammt.“ Und: „Die Bischofskonferenz hat keine Jurisdiktion (rechtliche Zuständigkeit) über einen Diözesanbischof.“ Dass er damit Zollitsch und Marx meint, dürfte allen klar sein.