Auch der Neckartal-Radweg in Talhausen bei Epfendorf stand unter Wasser. Foto: Danner

Großes Aufräumen im Hochwasser. Niederschlagsmenge teils 80 Liter pro Quadratmeter. THW, DRK und Feuerwehr leisten tolle Arbeit.

Oberndorf - Der Tag danach. Eine dreiköpfige Familie ist gerade dabei, ihr Haus in Wellendingen (Kreis Rottweil) nahe der Starzel auszuräumen. Die Tochter hat ihr Zimmer im Erdgeschoss. Dort steht das Wasser zeitweise bis zu 20 Zentimeter hoch. Übriggeblieben ist ein Schlammfilm, der hässliche Spuren auf Böden und Wänden hinterlässt. "Das müssen wir alles rausreißen", befürchtet der Familienvater. Kisten müssen her, um Klamotten und Schulsachen der 20-Jährigen zu verstauen. Der Vater ist immer noch fassungslos. "Ich habe einen Schock erlitten, bin einfach nur planlos umhergelaufen", berichtet er mit Tränen in den Augen. "Nachdem wir von der Feuerwehr zwangsevakuiert worden waren, übernachteten wir bei Verwandten. Jetzt bin ich nur froh, dass meine Kinder da sind."

Nicht weit davon, auf einer Pferdekoppel mit Anschluss zur Starzel, stinkt es nach Öl. Die Besitzerin vermutet: "In Wilflingen ist wahrscheinlich irgendwo etwas ausgelaufen. Jetzt hat es sich auf dem ganzen Feld verteilt. Ich weiß nicht, wie ich das wieder hinbekommen soll."

Übernachtungsangebot im Bürgerhaus

Die Feuerwehren leisten tolle Arbeit. In Wellendingen wurde am Montag um 18 Uhr der Alarm ausgelöst. Bis in die frühen Morgenstunden wurden Keller ausgepumpt und Bewohner betreut. Das DRK versorgte die Feuerwehrleute und Betroffenen mit Essen und Trinken. Im Bürgerhaus wurden Übernachtungsmöglichkeiten bereitgestellt.

Die vom Heubergplateau in Richtung Wilflingen und Wellendingen herabstürzenden Wassermassen machten die normalerweise lieblich dahinplätschernde Starzel zu einem reißenden Flusslauf, der viele Häuser in den beiden Ortschaften am Fuße der Schwäbischen Alb heimsuchte. Der auf dem weiteren Weg in Richtung des Rottweiler Teilorts Neufra stehende Hochwasserdamm konnte Schlimmeres für diese Ortschaft verhindern. Allerdings kamen über den Notfallüberlauf solche Wassermengen ins Tal, dass der Ort zum Leidwesen vieler Hausbesitzer an zahlreichen Stellen überflutet wurde.

Rekordverdächtige Menge an Regen

Bei den Niederschlagsmengen am westlichen Albtrauf sprechen Experten von teilweise 80 Litern pro Quadratmeter. Eine Menge, die rekordverdächtig ist und dem steilen Hanggelände zwischen Wellendingen-Wilfingen (Kreis Rottweil) und Gosheim (Kreis Tuttlingen) zu schaffen machte, sodass die dortige Kreisstraße wegen einer Hangrutschung gesperrt werden musste. Ironie des Schicksals: Die Straße in dem bergigen Gelände war deshalb in den vergangenen Jahren mehrfach mit Millionenaufwand neu befestigt worden. Nun stellt sich an anderer Stelle das gleiche Problem.

Schömberger Stausee geht wieder übers Ufer

Straßen überflutete der Platzregen auch im Zollernalbkreis und macht sie durch Geröll und Schlamm vorübergehend unpassierbar. Pech für Ulrike Netzer: Kaum hatte sie alles wieder auf Vordermann gebracht, ging der Schömberger Stausee binnen Wochenfrist gestern zum zweiten Mal über die Ufer und setzte den Kiosk direkt am Seeufer erneut unter Wasser.

Steinacher Camper ziehen in Turnhalle um

Szenenwechsel in die Ortenau: Dort haben die starken Regenfälle am Montag dafür gesorgt, dass der Welschensteinacher Dorfbach in Steinach über die Ufer getreten ist. Hart traf es vor allem die Urlauber auf dem Steinacher Campingplatz, der laut einer Niederländerin gegen 18.40 Uhr an einigen Stellen kniehoch unter Wasser stand. 120 Touristen nahmen das Angebot der Gemeinde an, per Bus in die Fest- und Turnhalle gebracht zu werden.

Dort wurden sie vom Roten Kreuz mit Essen und Trinken versorgt. Zudem standen Feldbetten für sie bereit. Neben dem Campingplatz standen auch Straßen in der Gemeinde unter Wasser. Wobei sich vor allem die Talstraße (L 103) in einen reißenden Fluss verwandelte und zeitweise für den Verkehr gesperrt wurde.

Glück im Unglück war es laut einer DRKlerin, dass das Unwetter zur Feierabendzeit passierte, sodass viele Helfer schnell vor Ort waren, und man auf die Erfahrungen vom Hochwasser 2008 zurückgreifen konnte. Bürgermeister Frank Edelmann ließ die Ratssitzung, die fast zeitgleich zum Hochwasser hätte stattfinden sollen, kurzfristig ausfallen. Übrigens: Auf der Tagesordnung hatte auch die Vergabe der Planung für ein Hochwasserrückhaltebecken in Steinach gestanden.

Schwerer Autounfall bei Bad Dürrheim

Laut Matthias Preiss, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Tuttlingen, verliefen die Unwetter im Schwarzwald-Baar-Kreis im Vergleich zu den Nachbarkreisen relativ glimpflich. In der Nacht zum Dienstag musste die Feuerwehr insgesamt 18 Mal ausrücken, um überflutete Straßen und Keller, vor allem in Donaueschingen und Bad Dürrheim, leerzupumpen. Am frühen Morgen wurde eine 39-jährige Frau erheblich verletzt, als ihr Fahrzeug auf einer überfluteten Straße bei Bad Dürrheim ins Schleudern geriet, sich überschlug und auf dem Dach liegenblieb. Die Verletzte wurde in ein Krankenhaus gebracht, an ihrem Auto entstand laut Polizei Totalschaden.

Hauinger Dorfkern eine Seenlandschaft

Das Unwetter mit Starkregen und örtlichem Hagelschlag sorgte auch im südbadischen Lörrach für Überschwemmungen. Vor allem der Ortsteil Hauingen war betroffen. Feuerwehr, Technisches Hilfswerk (THW), Rotes Kreuz, städtischer Werkhof und die Bevölkerung waren bis in die späten Abendstunden im Einsatz. Ab 16.15 Uhr kämpften sie gegen die Wassermassen, die den Hauinger Dorfkern vorübergehend in eine Fluss- und Seenlandschaft verwandelten. Besonders hart traf es unter anderem eine Mutter mit Kleinkind in einer Kellerwohnung, ein Friseursalon und eine Fahrzeughandlung wurden überflutet. Die Ortsverwaltung besorgte eine Notunterkunft, die Aufräumarbeiten dauern an.

Ob der Südwesten damit das Schlimmste erstmal überstanden hat? Die Unwetterkarte leuchtet in Baden-Württemberg noch immer rot.

Mehr Infos auf unserer Themenseite "Unwetter Sommer 2014".