So wie auf diesem Foto die Talhubenflößer aus dem Jahr 2008 transportierten Männer noch vor mehr als 100 Jahren tonnenweise Holz die Nagold hinab. Foto: Schwarzwälder-Bote

Geschichte: Niederlande waren einst große Abnehmer des Holzes / Tonnenschwere Ungetüme auf dem Wasser unterwegs

In den Flusstälern des Nordschwarzwalds sind freie Flächen rar, die Böden weniger ergiebig, dafür gibt es jede Menge Wald. Vor Jahrhunderten machten sich die Menschen an Enz und Nagold dies zunutze und lebten von der Holzwirtschaft.

Unterreichenbach. Der Zweig mit dem nachwachsenden Rohstoff mauserte sich über die Zeit dort sogar zur Hauptverdienstquelle. Vor allem die dort schlummernden Baumriesen, die vor etwas mehr als 300 Jahren Begehrlichkeiten in den damals boomenden Niederlanden weckten, sorgten für einen regelrechten Aufschwung.

Die Seefahrernation lechzte im ausgehenden 17. Jahrhundert nach den sogenannten Holländern. "Die Tannen waren begehrtes Material für Schiffsmasten, da sie nicht harzten und dadurch stabil waren", so Ernst Burkhard aus Unterreichenbach. Dessen Vorfahren waren unter anderem im Flößergeschäft tätig. Sohn Martin ist heute Vorsitzender der Talhubenflößer, einer Gruppe aus Unterreichenbach, die sich der langen Flößertradition der Gemeinde verschrieben hat. "Die Holländertannen waren am Stumpf einen Meter breit und bis zu 40 Meter lang", weiß Martin Burkhard. Ein weiterer Vorteil der tonnenschweren Ungetüme: "Da sie dicht standen und nur Licht von oben abbekommen haben, hatten sie keine Äste."

Im Schiffsbau beliebt

Langhölzer aus unserer Region waren flussabwärts aber nicht nur im Schiffsbau begehrt. Amsterdam wurde teils auf Tannen aus dem Schwarzwald errichtet. Und lange Zeit war Holz auch für die Menschen hierzulande das Brennmaterial Nummer eins. Das Reichenbachtal – von Schömberg über Kapfenhardt bis Unterreichenbach – war bekannt für die Scheitholzflößerei. Mitte des 16. Jahrhunderts verkaufte Württemberg aus den dortigen Wäldern große Mengen Brennholz an Baden-Durlach: der älteste Scheitholzvertrag in Süddeutschland.

Doch während die kleinen Energieträger einfach in Bäche und Flüsse geworfen und am Bestimmungsort wieder herausgefischt wurden, mussten die Langhölzer erst aufwendig ans Gewässer transportiert werden – und das in rauen Mengen. 1691 wurden aus dem Wildbader Forst 1000 Stämme nach Holland geflößt. Ein Jahr darauf wurde die gleiche Menge aus Liebenzell auf die Reise geschickt. Selbst Tannen aus dem Murgtal brachte man mit großer Anstrengung an die Nagold bei Erzgrube – in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allein rund 70 000. "Im oberen Murgtal standen die beliebtesten Bäume", weiß Ernst Burkhard.

Da die Wege damals steil, schmal und schlecht waren, machten sich die Waldarbeiter auch die Schwerkraft zunutze, um die bis zu zehn Tonnen schweren Stämme an die Flüsse zu bekommen. Beim Riesen wurden die Langhölzer über eine Art Bob-Bahn aus dem höherliegenden Forst hinunter ins Tal gelassen. In Unterreichenbach sind Überreste eines solchen Grabens noch im Klebwald in Richtung Hohenwart zu sehen. 200 Meter betrug der Höhenunterschied – und die Hölzer brausten mit bis zu 70 Kilometer pro Stunde ins Tal. Dort wurden sie gelagert und an die Flößer übergeben, die den Transport vorbereiteten. Auf der Gemarkung der Gemeinde Unterreichenbach gab es dafür drei Einbindestellen: "In Dennjächt sowie in der Unterreichenbacher Ortsmitte und am heutigen Klärwerk", erzählt Ernst Burkhard. Dort wurden die Stämme grob nach Länge und Durchmesser sortiert. Danach wurden Löcher für die Wieden gebohrt, mit denen die Hölzer zu sogenannten Gestören verbunden wurden. Ein Floß bestand damals aus mehreren Gestören, das längste und schwerste am Ende. Auf der Nagold durfte das fertige Schiff nicht länger als 285 Meter und nicht breiter als vier Meter sein.

So ging es den Fluss hinunter. Für die Unterreichenbacher Flößer ging die Reise in der Regel bis Enzweihingen, höchstens bis Heilbronn, so Burkhard. Auf dem ersten Gestör hatte der Steuermann seinen Platz, der das Floß durch den reißenden Fluss lenkte. Gebremst wurde weiter hinten: Mithilfe eines Balkens, den man auf den Grund drückte.

Auf den schwimmenden Hölzern konnten die Männer ihre Habseligkeiten mitnehmen. Selbst eine Vorrichtung zum Trocknen der Wäsche gab es. Zudem wurde zusätzliches Bauholz und Kohle für die Pforzheimer Eisenhüttenwerke transportiert. Geflößt wurde nicht früher als eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang und nicht länger als eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang. So wollte es das Gesetz. Im Nagoldtal, wo die Sonnenstrahlen später kommen und früher verschwinden, waren jedoch andere Zeiten die Regel. Mit dabei war laut Ernst Burkhard auch der Floßherr, der am Ende der Reise das Geld für das Holz in Empfang nahm. "Zurück ging es dann zu Fuß", erzählt der Unterreichenbacher. Es soll jedoch auch Holzhändler gegeben haben, die sich den Luxus einer Kutsche gönnten.

Doch während sich diese auf den Heimweg machten, war die Reise ihrer Ware noch lange nicht zu Ende. Und die Enz, den Neckar und Rhein hinunter wuchsen die Flöße zu immer größeren schwimmenden Inseln heran. Die mächtigsten unter ihnen trieben den längsten Strom Deutschlands mit einer Länge von mehr als 300 Meter und einer Breite von bis zu 60 Meter hinab. Burkhard spricht von richtigen Dörfern. Auf den sogenannten Knieflößen fanden teils 500 Menschen Platz, Hütten um sie unterzubringen, Küchen um sie zu versorgen. Die Hochzeit der Holland-Flöße ging bis weit in das 18. Jahrhundert hinein – bis das Verlangen der Niederlande nach Holz aus dem Schwarzwald allmählich nachließ.

Hartes Geschäft

Im Winter – geflößt wurde zwischen Anfang März und Mitte November – legten die Männer die Flößerstange beiseite, heuerten in den Sägewerken an oder fertigten Wieden an. Auch beim Riesen verdienten sich manche während der kalten Jahreszeit ihr Geld. Abwechslung zum harten Flößereigeschäft.

Den Männern auf den schwimmenden Inseln sagte man oft nach, raue Gesellen zu sein, was mehr der schweren Arbeit an sich als dem Charakter selbst geschuldet sein mag.

Das Waldflößerdenkmal an der Unterreichenbacher Ortsdurchfahrt erinnert seit 2002 an die lange Flößertradition der Gemeinde. Das Talhubenfest in der Gemeinde an der Nagold lässt die Tradition der Flößerei seit 1978 alle drei Jahre wieder aufleben. In diesem Jahr findet die 14. Auflage am kommenden Wochenende, 2. und 3. September, statt.

Die Talhubenflößer um den Vorsitzenden Martin Burkhard werden dabei unter anderem mit einem mehr als 100 Meter langen Floß durch den Ort fahren. Am Samstag wird die Gruppe gegen 14 Uhr am Kurt-Fischer-Weg erwartet. Weitere Fahrten finden um 19 Uhr sowie um 22.30 Uhr mit anschließendem Feuerwerk statt. Auch am Sonntag haben Besucher noch zweimal die Chance, die Flößer in Aktion zu erleben: gegen 14.30 Uhr sowie um 17.30 Uhr. Die Wehrdurchfahrt sei auch heute noch eine gefährliche Angelegenheit, sagt Ernst Burkhard von den Talhubenflößern. Doch auch die Strecke vom Monbachtal her kommend sei nicht ohne. "Im Gegensatz zu früher ist das Ufer stark bewachsen. Da muss man ab und an den Kopf einziehen."

Während des Talhubenfests bieten Vereine und befreundete Flößervereine zudem ein buntes Rahmenprogramm an.