Maria Tann gehörte einer Stiftung. Nun muss sich ein Verantwortlicher der Stiftung vor Gericht verantworten. Foto: Kienzler

Ende 1998 Maria Thann ersteigert. Aus großen Plänen wurde nichts. "Schandfleck von Unterkirnach".

Stuttgart/Unterkirnach - Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart verhandelt gegen Verantwortliche der insolventen Stuttgarter Nestwerk-Stiftung. Auch Unterkirnacher dürften mit Interesse darauf blicken, schließlich hat der Stiftung das Anwesen Maria Tann gehört.

Die Pleite der Stiftung Nestwerk vor sieben Jahren gilt als eines der größten Wirtschaftsdelikte Stuttgarts. Die Stiftung erhielt Ende 1998 beim vierten Zwangsversteigerungstermin den Zuschlag und zahlte 1,5 Millionen Mark für das ehemalige Kloster. Die Nestwerk-Stiftung war damals die einzige Bieterin und hatte hochtrabende Pläne.

Ein großräumiges Hotel, ein Tagungs- zentrum und eine Bäderlandschaft sollten gebaut werden. Pächter des Hotels sollte Rose-Marie Müller werden, die vorher eine Pension in Schönwald leitete. Für die neue Nutzung von Maria Tann gründete die Stiftung die Kloster Maria Tann Betriebsgesellschaft mbH.

Aus den großen Plänen wurde nichts, Geschäftsführer Lothar Dietl beinte die Gebäude aus, legte futuristische Pläne vor, und das war’s. Bis das Areal von der Firma Nestwerk vor dreieinhalb Jahren erworben und saniert wurde, verfiel das Areal und machte sich bald einen traurigen Namen als Schandfleck von Unterkirnach.

Die Stiftung Nestwerk ist auch der Stadt Stuttgart 16 Jahre lang eng verbunden gewesen: Die Kommune gab Darlehen, Bürgschaften und Erbpachtgrundstücke. Die Stiftung baute darauf Sozialwohnungen und überließ sie karitativen Organisationen zur Vermietung. Im Jahr 2010 war diese Geschäftsbeziehung allerdings am Ende: Die Stiftung meldete Insolvenz an, die Stadt blieb auf einem Schaden von 4,76 Millionen Euro sitzen.

Die Richter der sechsten Große Wirtschaftsstrafkammer haben das Verfahren (Az 6 KLs 155 Js 101666/12) am Landgericht eröffnet. Anklage erhoben hatte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft im Jahr 2012 ursprünglich gegen drei Personen: gegen den ehemaligen Vorstand, gegen dessen Ehefrau und einen ehemaligen ehrenamtlichen Stiftungsvorstand. Das Verfahren konnte jedoch erst jetzt eröffnet werden, weil zahlreiche Großverfahren die Wirtschaftsstrafkammer über Jahre blockiert hatten: Das Nic-Stic-Verfahren, das Porsche-Verfahren, das Schlecker-Verfahren und andere.

Inzwischen ist die Ehefrau des ehemaligen Vorstands gestorben. Das Verfahren gegen den ehemaligen ehrenamtlichen Vorstand ist nach Angaben des Landgerichts im Oktober wegen dauernder Verhandlungsunfähigkeit des Mannes eingestellt worden. Jetzt wird nur noch dem mittlerweile 70 Jahre alten ehemaligen Vorstand der Prozess gemacht.

Dem Angeklagten wird vorgeworfen, im Zeitraum Januar 2007 bis Oktober 2010 Geld in Höhe von insgesamt rund 1,8 Millionen Euro veruntreut zu haben. Zum anderen wird ihm vorgeworfen. Auch soll er private Bewirtungsbelege als geschäftliche Bewirtungskosten abgerechnet haben. Außerdem soll er Münzen aus Waschautomaten, die von der Stiftung in verschiedenen Wohnobjekten aufgestellt waren, entleert und die Gelder privat vereinnahmt sowie eine der Stiftung gehörende Wohnung mietfrei seinem Sohn überlassen haben.

Ein weiterer Vorwurf lautet, sich Darlehensauszahlungen vor allem einer Bank in Stuttgart an die Stiftung in Höhe von rund 9,2 Millionen Euro unter Vorlage gefälschter Urkunden erschlichen sowie die Pleite vorsätzlich verschleppt zu haben. Der Angeklagte soll ferner den Bankrott absichtlich herbeigeführt und die Buchführungspflicht vorsätzlich verletzt haben.

Auf genau 4,76 Millionen Euro bezifferte Finanzbürgermeister Michael Föll den Schaden für die Stadt Stuttgart, entstanden aus schuldig gebliebenen Darlehen und einer Bankbürgschaft. Der ehemalige Insolvenzverwalter hatte Anfang 2016 angegeben, eine Insolvenzquote von zehn Prozent erreicht zu haben. Demnach könnte die Stadt mit rund einer halben Million Euro aus der Insolvenzmasse rechnen.

Dem Angeklagten drohen sechs Monate bis zehn Jahre Haft, doch die lange Wartezeit bis zum Prozessbeginn könnte sich strafmildernd auswirken. Es sind Verhandlungstermine bis Ende Januar 2018 angesetzt worden.