Bei Bauarbeiten der Bahn entsteht jede Menge Bauschutt, der umweltgerecht entsorgt werden muss. Foto: dpa

Sie ist eine junge Spezialdisziplin der Informatik und eine interdisziplinäre Aufgabe: Umweltinformatiker helfen Unternehmen, ökologischer zu werden.

Fast sechs Millionen Tonnen Müll produzierte die Deutsche Bahn 2013. Cagdas Girgin arbeitet daran, dass der gewaltige Müllberg nachhaltig schrumpft. Der Umweltinformatiker ist Referent fürs Kreislauf- und Ressourcenmanagement im Vorstandsressort Technik. Nach einer Ausbildung zum Bürokaufmann holte Girgin das Abitur nach und studierte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin den Ingenieurstudiengang Umweltinformatik.

'Mich hat die thematische Vielfalt des interdisziplinären Studiengangs gereizt. Und weil der 26-Jährige zukunftsorientiert ist: Umwelt wird immer wichtiger.' Ein Ökofreak ist er nicht. Aber konsequent in der Mülltrennung. 'Auch als Privatperson ist es wichtig, nachhaltig zu leben.' Und er fährt die 6,5 Kilometer zu seinem Arbeitsplatz mit dem Fahrrad. Girgin hat sein Studium 2012 abgeschlossen, anschließend auf Empfehlung eines Professors hin als Praktikant im Umweltzentrum der Bahn in Berlin gearbeitet. Sein Chef dort hat ihn für die Stelle in Frankfurt am Main empfohlen. Zum Jahresbeginn 2013 hat er dort angefangen.

Erfassungssystem für die Müllentsorgung

'Meine wesentliche Aufgabe ist es, dazu beizutragen, dass wir unser Umweltziel erreichen.' Girgin und seine Kollegen suchen nach Möglichkeiten, wie die Bahn nachhaltiger werden kann, indem Materialien recycelt oder Ressourcen effizienter genutzt werden. Sie versuchen, dass so viel wie möglich recycelt wird und Sortieranlagen genutzt werden, statt wahllos den Müll zu verbrennen. Rund 500 000 Tonnen Schrott fallen jährlich bei der Bahn an, 8000 Tonnen Papier und gut 5000 Tonnen Altöl. Wie Umweltkoordinatoren der Bahn grundsätzlich mit Müll umgehen müssen, ist in einem Softwareprogramm hinterlegt, dem Umwelt-Informationssystem Abfall, einem Erfassungssystem für die Müllentsorgung. Beispiel Bauabfälle. Der weitaus höchste Müllberg bei der Bahn ist Bauschutt, etwa von Gleistrassen, Brücken und Tunneln.

Bauabfälle müssen laut Gesetzgeber klassifiziert werden. Deshalb entnehmen Bauleiter Proben und schicken ihn an das Umweltlabor der Bahn. Dort wird der Schutt analysiert und die Ergebnisse dem Bauleiter mitgeteilt. Der gibt nun die Schlüsselnummern für den Schutt im System ein, und das erkennt anhand derer, ob es sich um nichtgefährlichen oder gefährlichen Schutt handelt, der etwa asbestbelastet ist. Anschließend werden im Programm Masken ausgefüllt, elektronisch eine Entsorgungserlaubnis bei der zuständigen Behörde erstellt und dorthin signiert eingereicht. Das Programm hat die Bahn von einem Dienstleister erstellen lassen, Girgin schult Umweltbeauftragte im Umgang mit der Anwendung. 'Ich habe in meinem Job wenig mit Informatik zu tun. Bei mir überwiegt der Umweltaspekt, und darauf zu achten, dass rechtliche Rahmenbedingungen beim Umgang mit Abfall eingehalten werden.' Ab 2004 gab es in Berlin den Studiengang Betriebliche Umweltinformatik. 2010 wurde er umgestellt auf reine Umweltinformatik.

Spaß an Mathematik und Naturwissenschaften

'Wir haben die Betriebswirtschaft deutlich gekürzt und Informatik ausgebaut mit den Schwerpunkten Geo-Informationssysteme und Umweltmodelle/Simulation', sagt Studienfachberater Professor Dr. Jochen Wittmann. Ziel des Studiums ist es, Informatiker mit Prozesswissen aus dem Anwendungsgebiet der Umweltwissenschaften auszubilden. 'Doch der grüne Anteil hat nicht zur Folge, dass es ein leichter Studiengang ist.' Für das Fach eigenen sich Kandidaten, die Spaß an Mathematik und Naturwissenschaften haben und die ausgeprägt analytisch sind. 'Am Ende sollen Brückenbauer zwischen Technik und Anwendung herauskommen.'

Etwa zwei Drittel, so schätzt Wittmann, werden den konsekutiven Master in Umweltinformatik direkt anschließen. 'Die Berufschancen sind auch als Bachelor sehr gut, weil die Ausbildung eine Nische mit zunehmender Bedeutung abdeckt.' Für Bachelor und Master sind potenzielle Arbeitgeber große Unternehmen. Deren Aufgabe dort ist die Umweltberichterstattung, und Prozesse umweltfreundlich zu optimieren. In Behörden überwiegt der Geo-Informationssysteme-Aspekt, etwa zum Erstellen von Risikokarten. Als Angestellte in Consulting-Unternehmen beraten sie Mittelständler darin, wie sie Ressourcen- und Energiebedarf beispielsweise in der Produktion senken können. Ähnlich beratend sind selbstständige Umweltinformatiker. Girgin will einen Master in Umweltinformatik anhängen. Und eventuell promovieren. Sein Ziel aber ist es, in die Politik zu gehen, 'weil dort der Einfluss auf Struktur und Wandel am größten ist'.