Eine Lösung der Ukraine-Krise ist weiter nicht in Sicht. Die Gesprächsdiplomatie beim Europa-Asien-Gipfel mit Putin brachte kaum sichtbare Fortschritte. Foto: dpa

"Hier kann ich keinerlei Durchbruch bis jetzt erkennen", sagte Kanzlerin Merkel nach den Gesprächen in Mailand. Immerhin näherten sich Moskau und Kiew beim Gasstreit zumindest ein Stück weit an.

Mailand - Hoffnungen auf einen Durchbruch in der Ukraine-Krise bei einem Gipfel in Mailand haben sich zerschlagen. Der neue diplomatische Anlauf brachte jedoch einzelne Fortschritte.

Nach einem Treffen europäischer Spitzenpolitiker mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem ukrainischen Amtskollegen Petro Poroschenko in Mailand kritisierte der Kreml am Freitag die "absolut voreingenommene" Haltung einiger westlicher Regierungschefs. Sie hätten keinen großen Willen gezeigt, "die Lage in der Ukraine objektiv zu erörtern".

Auch Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich enttäuscht: "Hier kann ich keinerlei Durchbruch bis jetzt erkennen." Immerhin näherten sich Moskau und Kiew gut eine Woche vor der Parlamentswahl in der Ukraine bei ihrem Gasstreit zumindest ein Stück an. Dieser könnte auch Konsequenzen für die Gasversorgung der EU im Winter haben.

Putin und Poroschenko kamen in Mailand erstmals seit sieben Wochen wieder zu bilateralen Verhandlungen zusammen. Nach dem knapp einstündigen Gespräch sagte Putin, Russland sei im Gasstreit zu Zugeständnissen bereit, damit die Ukraine "über den Winter" komme. Allerdings bestehe Moskau künftig auf Vorkasse. Putin rief die EU-Kommission auf, die Ukraine zu unterstützen, damit das Land seine Gasrechnungen bei Russland begleichen könne. Russland hatte der Ukraine im Juni wegen Milliardenschulden das Gas abgestellt.

Im blutigen Ostukraine-Konflikt dämpfte Putin Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Krise mit bisher mehr als 3600 Toten. Weder die Führung in Kiew noch die Aufständischen würden die bereits erzielten Vereinbarungen völlig einhalten. Russland sei bereit, sich weiter in der Krise zu engagieren, sei aber kein Teilnehmer des Konflikts.

Merkel erklärte, die zentrale Frage bei der Achtung der territorialen Integrität der Ukraine seien nach ukrainischem Recht abgehaltene Lokalwahlen in den von prorussischen Separatisten kontrollierten Regionen Donezk und Lugansk. Die nach Unabhängigkeit strebenden moskautreuen Separatisten lehnen die Wahlen ab.

Am Nachmittag sprachen Merkel und der französische Präsident François Hollande erneut im kleinen Kreis mit Putin und dem ukrainischen Präsidenten. Anschließend erklärte Poroschenko, er sehe "zurückhaltenden Fortschritt" im Gasstreit mit Russland. Er hoffe auf einen Durchbruch bei Gesprächen von Vertretern der Ukraine, Russlands und der EU-Kommission am 21. Oktober in Brüssel.

Leichte Fortschritte gab es Merkel zufolge auch im Streit um einen Einsatz unbemannter Überwachungsdrohnen in der Ukraine. Moskau sei "gegebenenfalls auch bereit, sich an solchen Missionen zu beteiligen". Es gehe weniger um die russisch-ukrainische Grenze, sondern um die Frage der Markierungslinie der Gebiete Donezk und Lugansk, in denen Wahlen stattfinden sollen. Hier gebe es Gespräche mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Putin bestätigte, dass sich Russland an einer Überwachung des Konfliktgebiets mit Drohnen beteiligen will. "Italien, Frankreich und Deutschland machen mit, und wir werden auch dabei sein", sagte er.

Das Verteidigungsministerium räumte zu dem geplanten Einsatz von Bundeswehr-Drohnen ein, es gebe mit den unbemannten Fluggeräten im Winter bei größerer Kälte technische Probleme. Offen ist auch, wie die Betriebsmannschaften vor Angriffen geschützt werden könnten.

Die Kanzlerin sagte, Putin und Poroschenko hätten sich zwar zum Minsker Friedensplan für die Ostukraine von Anfang September bekannt, der unter anderem einen Waffenstillstand vorsieht. "Wenn es dann um die Umsetzung der einzelnen Punkte geht, haben wir weiterhin große Divergenzen." Zudem gebe es sehr unterschiedliche Auffassungen über die Entstehungsgeschichte des Konflikts. Hollande sagte, die Ukraine- Krise belaste das Land selbst, Russland, Europa und die ganze Welt.

Der Westen und die Führung in Kiew werfen Moskau vor, die prorussischen Separatisten in der Ostukraine zu unterstützen. Als Konsequenz wurden umfangreiche Wirtschaftssanktionen gegen Moskau verhängt. Putin kritisiert die Strafmaßnahmen als feindselig und verlangt ihre Aufhebung.

Wegen der Sanktionen reichten Russlands größter Ölkonzern Rosneft und ein enger Vertrauter von Putin beim EU-Gericht Klage ein. Rosneft wehrt sich gegen verschiedene Bestimmungen der Wirtschaftssanktionen, wie das Luxemburger Gericht am Freitag bestätigte.

Für Ernüchterung sorgte ein Lagebericht der Nato. Das westliche Verteidigungsbündnis hat nach eigenen Angaben bislang keine Anzeichen für den von Putin angekündigten Abzug russischer Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine. Moskaus Versprechen wenige Tage vor dem Mailander Treffen hatte Hoffnungen auf eine Entspannung in der schwersten Krise in Europa seit dem Kalten Krieg genährt.

Poroschenko unterzeichnete inzwischen auch ein umstrittenes Gesetz für einen Sonderstatus der Unruheregion Donbass. Damit soll die Selbstverwaltung der Separatistenhochburgen Donezk und Lugansk für zunächst drei Jahre gestärkt werden. Die Aufständischen reagierten mit Ablehnung und sprachen von einem "Bluff".