Chinesen mit typischem Reishut Foto: EPA

Geschäftige Chinesen nehmen in Italien ganze Stadtviertel in Beschlag - Italiener sind besorgt.

Rom - Schriftzeichen zieren die Schaufenster, aus den offenen Küchenfenstern weht ein pikanter süßsaurer Duft, und auf den Gassen wird kaum mehr Italienisch gesprochen. Chinesische Händler sind auf dem besten Weg, den Esquilin, einen der sieben Hügel Roms, einzunehmen - zum Leidwesen der verbliebenen Einheimischen in der "Chinatown" der italienischen Hauptstadt.

Lu Xin ist 33 Jahre alt. Seine Frau ist etwas jünger, die beiden Kinder sind erst vier Monate alt. Der Chinese aus Peking lebt seit vier Jahren in Rom. Weder er noch seine Frau sprechen Italienisch. Ein bisschen ja, um im Alltag halbwegs zurechtzukommen. "Si, si", nickt Lu Xin und lächelt, "un poco italiano", ein bisschen Italienisch. Auch seine Frau nickt und lächelt, und dann müssen sie wieder Kartons auspacken, neue Ware für ihr kleines Geschäft in der Via Merulana.

Das chinesische Ehepaar verkauft Schuhe. Turnschuhe. Alles Markenwaren, versichert Lu Xin. Aber bei genauerer Betrachtung der Markensymbole von Nike und Adidas wird deutlich, dass es sich nicht um perfekte Fälschungen von Markenprodukten handelt, sondern um, wie es heißt, "ähnliche Marken". Da ist zum Beispiel der Schriftzug von Nike ein wenig anders als das Original. "Si vende bene", versichert Lu Xin, "die verkaufen sich gut", und dann zeigt er auf den Preis: nur 25 Euro das Paar.

Nur selten verirrt sich ein Italiener in Lu Xins Laden. Römer würden auch gar nicht verstehen, um was für ein Geschäft es sich handelt. Der Neonschriftzug über dem Eingang ist in chinesischer Sprache. Die auf die Schaufenster aufgeklebten Schriftsymbole sind für Nicht-Sinologen nicht zu entziffern. Auch im Geschäft wird alles nur in Chinesisch ausgewiesen. "Unsere Landsleute, das sind unsere Kunden", erklärt Lu Xin, "da brauchen wir kein Italienisch."

Das Schuhgeschäft des Ehepaars aus Peking ist kein kurioser Einzelfall im Stadtviertel Esquilino in der Nähe des Hauptbahnhofs Termini. Nahezu alle Geschäfte in der Via Merulana weisen in der Sprache Lu Xins auf ihre Waren hin.

Die Angst vor Überfremdung

"Ist das nicht fürchterlich", sagt Mara Franceschini und fuchtelt verärgert mit den Armen. Seit vier Jahrzehnten wohnt die 72-jährige Rentnerin an der Piazza Vittorio, dem Hauptplatz des Esquilino-Viertels. "Wenn ich aus dem Haus gehe", erklärt die alte Dame, "dann treffe ich entweder auf Chinesen oder aber auf Leute aus Sri Lanka und Indien." In ihrem Mehrfamilienhaus sei sie die einzige Italienerin. Im Viertel "wird nicht mehr Italienisch gesprochen, im Haus riecht es nur noch nach pikanter fremdländischer Küche, und versuchen Sie mal mit denen zu sprechen: Das hat doch keinen Sinn." Ähnliche Klagen bekommt man von fast allen italienischstämmigen Bewohnern im Esquilino-Viertel zu hören.

"Wenn einer unserer Gäste auf der Straße in Italienisch nach einer Adresse fragt, erntet er immer nur Kopfschütteln", berichtet der Portier eines der Hotels im Viertel, "weil die ja nur Chinesisch sprechen."

Das Esquilino-Viertel, erkannte jetzt auch der rechte Bürgermeister Gianni Alemanno, "ist überfremdet, das birgt sozialen Sprengstoff." Selbst Linkspolitiker sprechen davon, dass "Stadtviertel sozial und ethnisch durchmischt sein sollen", so die linke Abgeordnete Rosi Bindi.

Auch in Kleinstädten lassen sich sogenannte Überfremdungsphänomene beobachten. Zum Beispiel in Prato bei Florenz. Dort dominieren chinesische Unternehmer inzwischen den traditionellen Handel mit Stoffen. Ein Geschäftszweig, für den Prato seit dem Mittelalter berühmt ist. Rund 55 Prozent aller stoffverarbeitenden Unternehmen gehören chinesischen Unternehmern. Nicht alle arbeiten legal. Immer wieder ermittelt die Polizei gegen Unternehmer, die Minderjährige und Chinesen ohne Ausweispapier bei sich unter zum Teil menschenunwürdigen Bedingungen beschäftigen. Mit ihren im Vergleich zur italienischen Konkurrenz weitaus billigeren Produkten "machen die uns doch alle kaputt", wettert Valdo de Maio - nachdem er selbst sein Geschäft an einen Chinesen verkauft hat.

Italiens Innenminister Roberto Maroni fordert nun eine "konzertierte Aktion der Solidarität". So sollen Stadtviertel nicht mehr überfremden. Von Eingliederung ist die Rede und davon, dass Neubürger über das ganze Stadtviertel verteilt werden, um eine Realität wie im inzwischen primär chinesischen Esquilino in Rom zu verhindern. Wie der Minister das konkret bewerkstelligen will, erklärte er allerdings nicht.