Ein junger Mann steht wegen Mordversuchs vor dem Tübinger Landgericht. Foto: dpa

War es eine fatale Verwechslung? Bei einem verdeckten Einsatz soll ein mutmaßlicher Drogendealer absichtlich einen Polizisten mit seinem Auto überrollt haben. Der Angeklagte weist die Vorwürfe zurück und präsentiert stattdessen eine erstaunliche Erklärung.

Tübingen - Ein wegen Mordversuchs angeklagter Mann hat abgestritten, einen Polizisten in Zivil absichtlich mit einem Auto überfahren zu haben. Er habe den Beamten bei dem verdeckten Einsatz in Stuttgart nicht erkannt und für einen Angreifer gehalten. „Als ich die gezogene Waffe gesehen habe, sind bei mir alle Gehirnzellen ausgegangen“, sagte der 22-Jährige am Montag vor dem Landgericht Tübingen. Ein erstes Verfahren war Mitte Oktober wegen eines kranken Richters kurz vor Abschluss abgebrochen worden.

„Er hat den Tod des Polizisten in Kauf genommen“, warf dagegen der Staatsanwalt dem Angeklagten vor. Zusammen mit Komplizen habe der Mann von Rottenburg (Kreis Tübingen) aus mit Marihuana gehandelt. Als ihn in der Nacht des 11. März die Polizei in Stuttgart bei einem Einsatz in Zivil festnehmen wollte, soll er versucht haben, mit seinem Wagen zu fliehen.

Dabei fuhr er einem Polizisten über den Fuß, so dass dieser zu Boden ging und unter das Auto gezogen wurde. Der Mann wurde schwer verletzt. Auch der Angeklagte erlitt bei dem Einsatz einige Verletzungen durch Schüsse, die die Beamten auf das Fahrzeug abgaben.

Nicht mit massiver Festnahme gerechnet

„Ich hätte niemals mit einer so massiven Festnahme gerechnet“, sagte der groß gewachsene 22-Jährige mit gestutztem Bart und seitlich geschorenen Haaren. Er sei in Panik geraten und losgefahren, um sich in Sicherheit zu bringen. Den Handel mit mehreren Kilo Marihuana bestritt er nicht.

Doch weder habe er die Polizisten als solche erkannt, noch ihre Rufe wegen des Straßenlärms und der lauten Musik im Auto verstehen können. „Stehenbleiben Polizei“ und „Polizei keine Bewegung“ haben die Beamten laut Staatsanwalt gewarnt. „Ich habe gedacht, dass ich ausgeraubt werde oder Schlimmeres passiert“, sagte der Angeklagte. Ein Gutachten soll nun klären, ob es möglich war, die Beamten an den Rufen zu erkennen.

Vor dem Richter zeigte der Mann Reue: „Ich habe heute noch Alpträume.“ Er habe dem angefahrenen Beamten einen Entschuldigungsbrief geschrieben und 10 000 Euro Schmerzensgeld gegeben. Ein Urteil wird am 22. Dezember erwartet.