Bei dem Unfall am 18. Dezember 2014 war ein 36-jähriger Familienvater ums Leben gekommen. Foto: Möllers

Angeklagte werden nach tödlichem Unfall von Zeugen teilweise entlastet. Haben sich Arbeiter selbst gefährdet?

Tuttlingen/Immendingen/Zimmern o.R. - Haben sich die Arbeiter selbst gefährdet, als es Ende 2014 auf der Daimler-Baustelle in Immendingen zu einem tödlichen Unglück kam? Einiges scheint dafür zu sprechen.

Nahezu zwei Jahre nach dem dramatischen Geschehen hat, wie bereits, berichtet, am Dienstag vor dem Amtsgericht Tuttlingen die neue Suche nach dem oder den Verantwortlichen begonnen. Ein Bauleiter und ein Baggerfahrer einer Firma aus Zimmern ob Rottweil haben Einspruch gegen Strafbefehle mit hohen Geldbußen eingelegt. Am ersten von drei Verhandlungstagen wurden sie teilweise entlastet.

Staatsanwalt Markus Wagner deutete in einer Verhandlungspause vorsichtig an, dass eine Wende möglich sein könnte: "Es wird zu prüfen sein, ob die Arbeiter sich selbst gefährdet haben", sagte er. Im Laufe des Prozesses häuften sich die Indizien dafür. Die Vorwürfe gehen nicht zuletzt an jenen 36-jährigen Mann, einen zweifachen Familienvater aus dem Kreis Tuttlingen, der beim Unglück sein Leben verlor. "Ich habe ihm die Verantwortung übertragen", erklärte am Dienstag der Bauleiter, der sich zum Zeitpunkt des Unglücks nicht am Ort des Geschehens aufhielt.

Der Baggerfahrer machte zunächst von seinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern, weil er "nicht andere belasten wolle", wie sein Anwalt sagte. Nach dem Hinweis von Richterin Larissa Terlecki: "Es geht um ihren Kopf!" revidierte er seine Meinung und redete dann doch. Auch er belastete, wenn auch zögerlich und zurückhaltend, den toten Arbeitskollegen: "Er hat alles koordiniert."

Allerdings zeigten sich in der Folge Widersprüche über seine Rolle: Im Arbeitsvertrag ist nur von "Facharbeiter" die Rede, während die Baufirma ihn in einem Organigramm, das sie nach Aussage eines Kripobeamten erst nach mehrfacher Aufforderung und längerer Verzögerung vorlegte, als Stellvertreter des Bauleiters aufführt. Obwohl der Bauleiter mehrfach beteuerte: "Wir sind alle erfahrene und geschulte Kanalbauer", stellt sich heraus, dass während seiner Abwesenheiten teilweise schwere Missstände herrschten.

Die bis zu 4,5 Meter tiefe Grube war zwar abgesichert, aber nur in einem Teilbereich. Zwei Mitarbeiter gestanden freimütig, dass sie zum Gang in die Tiefe nicht die bereitstehende Leiter benutzten, sondern regelmäßig die Stufen, die durch die Grabungen entstanden waren und über einen nicht abgesicherten Bereich führten. Die erstaunten Nachfragen von Richterin Terlecki und Staatsanwalt Wagner, ob ihnen nicht bewusst gewesen sei, dass sie sich damit in Lebensgefahr brachten, bejahten sie und erklärten, das habe sich "halt so ergeben". Beim Unglück hatte einer von ihnen, ein 22-Jähriger, wie er berichtet, nur einen Fuß ein kleines Stück weit über den gesicherten Bereich hinaus gesetzt. Als massenweise Erde von der nach Ansicht des Staatsanwalts zu steilen Böschung herabstürzte, deckte sie den jungen Mann bis zum Hals zu. Der 36-jährige wollte ihm helfen, geriet dabei offenbar vollends in den nicht gesicherten Bereich und wurde von einer weiteren Lawine förmlich begraben. Er konnte erst nach einer Stunde tot geborgen werden. Die Rettung des 22-Jährigen dauerte fünf Stunden. Er kam mit Verletzungen davon, er war zwei Monate arbeitsunfähig.

Der Prozess wird am kommenden Dienstag mit dem Bericht des Gutachters und der Zeugen-Vernehmung des Firmen-Geschäftsführers fortgesetzt.