Am Dienstag wird das Urteil erwartet. Foto: Archiv

Widersprüchliche Aussagen bei Daimler-Prozess. Am Dienstag wird Urteil erwartet.

Immendingen/Tuttlingen - Beim tödlichen Unglück auf der Daimler-Baustelle in Immendingen am 18. Dezember 2014 war die Baugrube völlig ungenügend gesichert. Zu diesem Ergebnis kam Gutachter Ulrich Berner (Konstanz), wie er am zweiten Prozesstag am Dienstag vor dem Amtsgericht Tuttlingen berichtete. Auch nach Ende der Beweisaufnahme stehen der oder die Verantwortlichen nicht zweifelsfrei fest.

Bei dem Arbeitsunfall war ein heute 52-jähriger Arbeiter bis zum Hals mit Erde verschüttet worden. Als ihm ein 36-jähriger Kollege zu Hilfe eilte, wurde er unter Erdmassen begraben. Der zweifache Familienvater konnte nach einer Stunde nur noch tot geborgen werden. Die Rettung des Schwerverletzten dauerte fünf Stunden.

Die Staatsanwaltschaft Rottweil ermittelte den Bauleiter und den Baggerfahrer als Schuldige. Diese arbeiteten mit der beauftragten Tiefbaufirma aus Zimmern ob Rottweil als. Sie beantragte Geldbußen von 15.000 beziehungsweise 10.500 Euro wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Das Amtsgericht Tuttlingen entsprach dem. Die Beschuldigten legten Widerspruch ein, weshalb es jetzt zum Prozess kam.

Verantwortung unklar

Am ersten Verhandlungstag belasteten die Angeklagten den tödlich Verunglückten. Er habe als Vorarbeiter die Aufsicht über die Baustelle gehabt, zumal der Bauleiter gerade auf dem weitläufigen Gelände unterwegs war. Wer zu jenem Zeitpunkt verantwortlich war, ist die zentrale Frage. Aussagen und Fakten sind teilweise widersprüchlich.

Ein klareres Bild ist über die damaligen Verhältnisse der Unglücksstelle überliefert. Der Gutachter vermaß die Daten: Die bis zu 4,50 Meter tiefe Baugrube war 21 Meter lang, wovon allerdings nur 3,10 Meter durch einen "Verbau" (Fachsprache) gesichert war, obwohl sechs Meter lange Rohre eingebaut werden mussten. Ein zweites Verbau-Teil lag ungenutzt neben der Grube. Der Sachverständige kam zu einem eindeutigen Ergebnis: "Unter diesen Voraussetzungen hat man überhaupt keinen sicheren Bereich. Da ist es sogar in der Mitte des Verbaus gefährlich."

Der Geschäftsführer der Tiefbaufirma entlastete die Angeklagten, die langjährige und gute Kräfte seien. Zu dem Unfall hätten unglückliche Umstände geführt, unter anderem der Schwemmboden. Nur zögerlich antwortete der 58-Jährige auf die Frage, wer verantwortlich gewesen sei: "Der Vorarbeiter", sagte er schließlich und erklärte: "Er hatte die Verantwortung. Es ist aller Ehren wert, wenn er einen Kollegen retten will, aber er darf nicht in den ungesicherten Bereich".

Nachfragen von Richterin Larissa Terlecki und Staatsanwalt Markus Wagner beim Geschäftsführer und einem weiteren Bauleiter machten deutlich, dass der 36-Jährige nie offiziell zum Vorarbeiter ernannt worden war und keine Lohnerhöhung wegen einer Höherstufung erhalten hatte. Er habe sich durch Qualität und Verantwortungsbewusstsein ausgezeichnet und sei "über Jahre rangezogen worden".

Der Geschäftsführer selbst war zum Zeitpunkt des Unglücks nicht in Immendingen. Zur Sprache kam ein Schreiben seines Anwalts. Der erklärte, der Chef habe persönlich veranlasst, dass genügend "Verbau-Elemente zur Verfügung stehen und den Bauleiter entsprechend instruiert". Ob das stimme, fragte der Staatsanwalt. "Nein", sagte der Bauleiter. Er geriet ins Schlussfeld, als sein Verteidiger theoretische Unfallursachen ins Spiel zu bringen versuchte. Das quittierte der Anwalt der Kinder des Toten, die als Nebenkläger auftreten, mit einer gezielten Frage an den Gutachter: Müsste ein Bauleiter nicht auf die Idee kommen, dass man so nicht arbeiten kann, wenn auch noch ein Verbau-Teil neben der Grube liegt? "Nein, so kann man nicht arbeiten", sagte der Gutachter.

Für kommenden Dienstag sind ab 9 Uhr die Plädoyers und danach das Urteil geplant.