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Energiebündel lässt Zeltboden in Tuttlingen beben. Konzert ist für österreichische Sängerin ein Heimspiel - aber nur fast.

Tuttlingen - Wie wild springt Christina Stürmer über die Bühne. Ihre braunen Haare fliegen durch die stickige Zeltluft, die Gitarren ihrer Musiker kreischen fast so laut wie das Publikum am Ende der Stücke. "Das ist sensationell!", schreit die Österreicherin und strahlt bis über beide Ohren.

Die etwa 1000 Zuschauer im Konzertzelt beim Tuttlinger "Honberg-Sommer" sind schon nach den ersten Klängen aus dem Häuschen. Stürmer singt, hüpft, tanzt, lacht - und das mit atemberaubender Energie. Dabei hatte die zweifache "Echo"-Gewinnerin noch am Nachmittag den Nachwuchsreportern des Schwarzwälder Kinderboten im Interview von Müdigkeit und Lampenfieber erzählt.

Apropos "Echo": Den ersten hatte Stürmer 2006 als "Künstlerin Rock/Pop National" bekommen - als Österreicherin! Aber mit ihren deutschen Texten und Hits wie "Ich lebe", "Nie genug" oder aktuell "Millionen Lichter" ist sie eine feste Größe in deutschen Radios und auf Bühnen von Hamburg bis München. Und in Tuttlingen. Immer wieder lässt sie das Publikum mitsingen und verwandelt die Menge in einen Christina-Stürmer-Chor, den sie leidenschaftlich dirigiert. Das Konzert in der Donaustadt ist ein Heimspiel.

Diesen Luxus hat sich Stürmer in den vergangenen Jahren hart erarbeitet. Nicht nur mit den zwei vorherigen Auftritten in Tuttlingen. Seit ihrem zweiten Platz bei Österreichs Castingshow Starmania im Jahr 2003 ist ihr Fuß auf dem Gaspedal. Mit "Ich hör auf mein Herz" hat sie ihr mittlerweile achtes Album auf dem Markt - und ist blendend im Geschäft. Eigentlich könnte die gelernte Buchhändlerin entspannt im Pool schwimmen, den sie zu Hause im Garten hat. Aber satt ist die Ösi-Rockerin noch lange nicht.

Aus jeder Pore sprüht Energie - und überträgt sich wie ein Virus aufs Publikum. Wer vor dem Konzert Radio-Pop erwartet hatte, lag weit daneben. Mit ihren vier Musikern ("meine Jungs") rockt sie fast zwei Stunden mit allem, was dazugehört: einer wuchtigen Stimme, harten Drums, einem satten Bass, und lauten Gitarren. Diesen wird alles abverlangt: Bei den Solos lassen die Gitarristen den Boden beben - und die Gehörgänge.

Doch es gibt auch ruhige Momente. Zum Beispiel wenn Stürmer mit dem Publikum scherzt, unter anderem über Tablets. "Die Dinger werden immer größer", sagt sie zu einem Fan, der sie damit fotografiert. "Am Anfang hatte man Kameras, dann Handys, Smartphones und jetzt die großen Dinger. Das ist doch total unhandlich, oder?"

Stürmers Sound geht in die Beine, die Texte unter die Haut, egal ob Junior oder Senior. Ältere Pärchen umschlingen sich an der Hüfte und wippen mit, Kinder kreischen in der ersten Reihe, Mittdreißiger liegen sich in den Armen und grölen die Texte mit.

Stürmer kommt bei allen an. Auch wegen ihrer greifbaren Texte, die meist von großen Gefühlen und dem Ausbruch aus der Normalität erzählen. Zum Beispiel in "Nie genug", dem Titelsong der RTL-Serie "Alles was zählt". "Ich lebe den Augenblick, ich krieg’ nie genug, frag’ mich nicht wie und wann, schalt’ den Sommer an", singt sie da. Diesen lauten Ruf nach Freiheit und Unbeschwertheit transportiert sie authentisch, euphorisch und bodenständig Das kommt an.

Nur am Ende zeigt sich, dass es für Stürmer doch kein reines Heimspiel ist. Zum WM-Sieg der Deutschen am Vorabend kann sie nur gratulieren. Stürmer ist und bleibt Österreicherin - auch wenn die Fans sie feiern als wäre sie eine von ihnen.

Weitere Informationen:

Christina Stürmer spielt am 23. August in Nagold