In luftiger Höhe: Der Schweizer Student Benjamin Becker hat mit dem Schirm der Tuninger Firma "U-Turn" einen neuen Weltrekord aufgestellt. Fotos: Repro Preuß Foto: Schwarzwälder-Bote

Schweizer Student fliegt über 200 Kilometer am Stück / Fluginstrument stammt von hiesiger Firma "U-Turn"

Von Stefan Preuß

Tuningen. Riesenerfolg für den Tuninger Gleitschirm-Hersteller "U-Turn" und Pilot Benjamin Becker: Der Schweizer Student hat mit einem neuen Modell einen Fabel-Weltrekord aufgestellt.

Gleitschirme sind in verschiedene Sicherheitsklassen eingeteilt: Ein A bedeutet stoisch-ruhiges Flugverhalten bei wenig Leistung, ein D dagegen einen zickigen Flügel, der in der Hand eines Könners aber sportlich abgeht wie die sprichwörtliche Katze der Familie Schmidt.

Bislang jedenfalls. Denn Anfang August hat der "U-Turn"-Pilot mit dem höchst sicheren Anfängerschirm Emotion 3 von "U-Turn" die Marke von 200 Kilometern bei einem non-stop-Dreiecksflug geknackt. Damit ist der als besonders sicher und sogar für die Ausbildung von Flugschülern zugelassene U-Turn-Schirm in eine neue, bislang unerreichte Dimension vorgeflogen. Denn der bestehende Rekord mit einem Schirm dieser Klasse wurde von Becker gleich um mehr als 40 Kilometer überboten.

"Das waren natürlich optimale Flugbedingungen, aber der Schirm ist auch einsame Spitze, zusammen war so der Rekord möglich", resümiert der Pilot. Mehr als 200 Kilometer am Stück – das war bislang nur mit sogenannten Hochleistern denkbar. Der Emotion 3 hingegen ist in der Safety II-Klasse des Deutschen Hängegleiter Verbandes (DHV) notiert. Dieses besondere, streng regulierte Sicherheitslevel haben in drei Jahren lediglich drei Schirme erreicht. Da dem DHV vom Luftfahrt-Bundesamt die Überwachung der Vorschriften offiziell übertragen worden ist, stellt diese Klassifizierung gewissermaßen ein behördliches Gütesiegel dar.

Auf 2248 Metern Höhe oberhalb des kleinen Ortes Fiesch im Wallis war Becker gestartet, um Kurs zu den Gletschern an Furka und Grimselpass nahe Andermatt zu nehmen. Dann ging es zurück durch das gesamte Rhonetal bis nach Martigny und dann bis nach Brig. 203,7 Kilometer in acht Stunden und 17 Minuten zeigte das GPS-Gerät schließlich an. Die Daten werden auf einer Internet-Plattform gezeigt und geprüft, so dass der Rekord mittlerweile bereits anerkannt ist und in der Flieger-Szene für Gesprächsstoff sorgt.

Becker, der als Techniker in der Entwicklung von Sensoren arbeitet und ein Ingenieursstudium begonnen hat, nutzte während des Rekordflugs gewissermaßen seine feine Sensorik als Flieger: Wo ist Thermik, wann lohnt es sich mit Speed Strecke zu machen – während der acht Stunden gibt es eine Vielzahl von Entscheidungen zu treffen, die viel Konzentration erfordern. Und genau an dieser Stelle kommt die Stabilität des Emotion 3 ins Spiel: "Besonders in den turbulenten Bedingungen gegen Ende des Fluges hätte ich mit einem höher klassifizierten Schirm nicht immer so beruhigt den Beschleuniger betätigt", berichtet Becker.

Für "U-Turn"-Gründer Thomas Vosseler zeigt der Erfolg, dass Gleitschirme durch zielgerichtete Entwicklung und die Umsetzung ausgefeilter Technologien noch sicherer werden, ohne dabei auf Flugspaß verzichten zu müssen. In dem Schirm sind gleich eine Vielzahl originärer Entwicklungen verbaut, die offensichtlich einen erheblichen Unterschied ausmachen: "Gleitschirmfliegen ist mit diesen Schirmen ein sehr sicherer Sport, wenn man elementare Sicherheitsregeln beachtet", macht er deutlich.

Derweil plant Becker bereits den Ausbau des Rekords, denn theoretisch wären sogar noch mehr Kilometer drin gewesen, aber nach mehr als acht Stunden in der Luft war letztlich auch die Erschöpfungsgrenze erreicht. Mit entsprechender Vorbereitung und der Mitnahme von genügend Flüssigkeit seien auch 250 Kilometer "nicht aus der Welt" so Becker. Denn der Schirm sei auch hinreichend schnell, wie der erreichte Durchschnitt von 25 Kilometer pro Stunde beweist. Zehn Stunden in der Luft seien realistisch.

Für "U-Turn" stellt der Weltrekord einen wichtigen Schritt in der weiteren Unternehmensentwicklung dar. Dominierte das Unternehmen bislang vor allem im Bereich der Akrobatik-Schirme, wird nun verstärkt der Massenmarkt für Freizeitflieger adressiert. Das vor gut zehn Jahren in Villingen-Schwenningen gegründete Unternehmen, das jetzt in Tuningen beheimatet ist, befindet sich auf Wachstumskurs.