Historie: Negative Bedeutungsträger wie Rudolf Höß darunter

Trossingen . Ernst Hohner und der Raketenforscher Eberhard Rees sind die beiden Trossinger unter den über 160 Persönlichkeiten, die im Band VI der "Baden-Württembergischen Biografien" dargestellt werden. Festredner bei der Vorstellung des neuen Bandes im Kleinen Saal des Dr.-Ernst-Hohner-Konzerthauses war der ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel.

Die "Baden-Württembergischen Biografien" werden im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg herausgegeben – seit dem vierten Band von Fred Ludwig Sepaintner, dem ehemaligen Regierungsdirektor. Auf seinen Wunsch fand die Vorstellung des nunmehr sechsten Bands in Trossingen statt. Neben über 160 anderen Unternehmern, Wissenschaftlern, Politikern oder Journalisten, die in dem Band – erstmals mit Bildern – gewürdigt werden, ging der Herausgeber bei seiner Buchvorstellung besonders auf die beiden Trossinger ein, von denen ausführliche monografische Biografien durch Daniel Zuber (Ernst Hohner) und Volker Neipp (Eberhard Rees) vorliegen.

"Die heutige Musikstadt Trossingen gehört zum Bleibenden in seinem Werk", würdigte der Herausgeber Hohner.

Als echter Mäzen ließ er seine Umgebung reichlich an den Erfolgen der Firma teilhaben und habe so "im wörtlichen Sinne Trossinger Stadtgeschichte geschrieben", auch wenn er es in seinen vergangenen Jahren an nüchtern kalkulierendem Geschäftssinn habe fehlen lassen.

Eberhard Rees stand zwar immer als Stellvertreter im Schatten von Wernher von Braun, ob in Penemünde oder in Huntsville, Alabama; er hatte aber wesentlichen Anteil an der Mondlandung 1969. "Rees gehört sicherlich zu den größten Söhnen Ihrer Stadt", so Sepaintner. Auch negative Bedeutungsträger, wie der Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß, werden in den Biografien nicht verschwiegen. Aber auch Personen, wie der Erfinder der Schwarzwälder Kirschtorte, der Radolfzeller Konditormeister Josef Keller, finden ihren Platz in der Geschichte.

"Angst vor kultureller Überfremdung – was ist unsere Kultur?", dieses Thema hatte Erwin Teufel, der von Bürgermeister Clemens Maier als Festredner eingeladen worden war, selbst ausgewählt. Ausgehend von dem Theodor-Heuß-Zitat "Europa ist auf drei Hügeln gebaut: Der Akropolis von Athen, dem Kapitol in Rom und Golgatha in Jerusalem" stellte Teufel die Wurzeln der europäischen Kultur in der griechischen Philosophie, dem römischen Recht, dem Christentum, aber auch in der Aufklärung dar.

Aus diesen Wurzeln erwuchs das Bekenntnis zu Rechtsstaat und Menschenrechten. Von anderen, die in diesem Land leben möchten, müsse man erwarten, dass sie sich zu Menschenrechten und Religionsfreiheit bekennen, vor allem aber, dass sie diese Werte aktiv bewahren und vorleben. Wegen der jahrhundertelangen schlimmen Erfahrung von Europa als Kontinent der Gewalt, gehöre mittlerweile der Friede zu den Grundwerten der europäischen Kultur. Um Frieden zu bewahren, müsse man die Europäische Union bewahren. "Deshalb", so Teufel, "ist jeder Deutsche, der bei Verstand ist, auch Europäer". In einem Schlusswort dankte Stadtarchivar Martin Häffner den Beteiligten des Abends. Musikalisch umrahmt wurde dieser, unter anderem mit dem Badnerlied und der württembergischen Hymne, "Preisend mit viel schönen Reden", von den Trossinger Bläserbuben und dem Hohner-Werksorchester.

Das Buch: Baden-Württembergische Biografien Band VI: Herausgegeben im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg von Fred L. Sepaintner, Stuttgart: Kohlhammer 2016, 646 Seiten. 111 sw-Abbildungen. ISBN 978-3-17-031384-2, 27 Euro