Im Prozess um den Tod von Tugce A. könnte es am Mittwoch neue Erkenntnisse geben. Foto: dpa

 Das Landgericht Darmstadt erwartet am Mittwoch im Rahmen des Prozesses um den Tod von Tugce A. die Einschätzungen eines Rechtsmediziners.

Darmstadt - Im Prozess um den gewaltsamen Tod der Studentin Tugce fällt bald das Urteil. Das Landgericht Darmstadt kündigte an, noch am Mittwoch die Beweisaufnahme schließen zu wollen. Dann könnte am nächsten Verhandlungstag, dem 12. Juni, plädiert und vier Tage später das Urteil verkündet werden. Ein Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen den Vorsitzenden Richter Jens Aßling wurde abgelehnt. Das Verfahren konnte somit am Vormittag wie erwartet weitergehen. Aßling habe die gebotene Unparteilichkeit nicht verletzt, begründete ein Besitzer der Kammer die Entscheidung.

In dem Prozess wird dem 18 Jahre alten Angeklagten Sanel M. vorgeworfen, der 22-jährigen Tugce im November 2014 vor einem Schnellrestaurant in Offenbach so heftig ins Gesicht geschlagen zu haben, dass sie stürzte. Die Studentin schlug mit dem Kopf hart auf und starb wenig später im Krankenhaus.

Der Tod der jungen Frau löste große Anteilnahme aus. Von ihren Anhängern wird Tugce verehrt, weil sie kurz vor dem tödlichen Schlag auf der Toilette des Fast-Food-Restaurants Zivilcourage gezeigt und zwei Mädchen geholfen haben soll, die von Sanel M. und Freunden belästigt worden sein sollen. Doch dazu gab es unterschiedliche Zeugenaussagen.

Akten seien nicht vollständig gewesen

Die Verteidigung hatte den Befangenheitsantrag damit begründet, dass Aßling in einem Schreiben an das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt die Ereignisse, die in einem Tat-Video vom Parkplatz in Offenbach zu sehen sind, verzerrt dargestellt habe. Außerdem seien die Akten nicht vollständig gewesen. Über den Antrag hat ein Mitglied einer anderen Strafkammer des Landgerichts zusammen mit den Beisitzern aus der Tugce-Kammer entschieden.

Die Kammer verlas mehrere Urteile des Amtsgerichts Offenbach aus den zurückliegenden Jahren, in denen Sanel M. strafrechtlich in Erscheinung getreten war. Er erhielt Verwarnungen, Jugendarrest und musste soziale Arbeit leisten. Unter anderem hatte Sanel M. einem Jungen unvermittelt ein erhitztes Feuerzeug in den Nacken gedrückt. In anderen Fällen brach er mit Freunden einen Kiosk auf und nahm anderen Handys ab.

Ein Mitarbeiter des Jugendamtes Offenbach schilderte den schulischen Werdegang des Angeklagten und die Verhältnisse im Elternhaus. Die Eltern hätten sich Rat geholt, weil Sanel M. Schwierigkeiten gemacht habe. Zu Lehrern sei er respektlos gewesen. Sanel M beendete die Hauptschule mit Abschluss.

Zur Überraschung der Kammer wollte der Mitarbeiter keine Einschätzung abgeben, ob Sanel M. in seiner Entwicklung eher als Erwachsener oder als Jugendlicher zu sehen sei. Wenn Sanel M. nach Jugendstrafrecht verurteilt wird, ist eine Bewährungsstrafe möglich. Der Vertreter des Jugendamtes riet zu einer Therapie. Sanel M. habe mitunter Probleme, Folgen von Gewalt einzuschätzen. „Ich denke, dass er die Opfer-Perspektive nicht besonders gut einnehmen kann.“