Mit Kettenhemd und Lanze wird Palästinenserpräsident Abbas von Erdogan begrüßt. . Foto:  

Präsident Erdogan lässt Krieger aus türkischer Geschichte antreten – Kritiker werfen dem türkischen Staatspräsidenten wachsende Großmannssucht vor. Doch der zeigt sich beim Besuch des Palästinenserpräsidenten Mahmut Abbas davon unbeeindruckt.

Ankara/Istanbul - Lanzen, Schwerter und angeklebte Schnurrbärte: Was die Zurschaustellung von Großmachtambitionen angeht, sind die Türken seit dem Bau des neuen Präsidentenpalasts von Recep Tayyip Erdogan in Ankara einiges gewohnt. Doch was sich jetzt in Erdogans Palast abspielte, überraschte selbst die schärfsten Kritiker des 60-jährigen Staatschefs.

Beim Empfang von Palästinenserpräsident Mahmut Abbas ließ Erdogan zum Fototermin auf einer Treppe seines Palastes 16 Soldaten in historischen Gewändern antreten. Die Krieger sollten 16 Reiche der anatolischen Geschichte symbolisieren. Doch die Wirkung des Auftritts der finster dreinschauenden Kämpfer mit ihren Waffen, Kettenhemden und Rüstungen wirkte bizarr und unfreiwillig komisch: Die Präsentation erinnerte an die Nachstellung historischer Ereignisse durch Hobby-Krieger am Wochenende. Auf Twitter war von einem „Zirkus“ die Rede.

Das lag nicht zuletzt an den Gewändern, von denen einige aussahen, als seien sie von einem mittelmäßigen Kostümverleih geliefert worden. Er habe zuerst an eine Montage und einen Witz geglaubt, als er die Fotos aus dem Palast gesehen habe, schrieb der Journalist Hakan Aksay in einem Beitrag für das Nachrichtenportal T24. Doch dann habe er verstanden, dass es Erdogan ernst sei damit.

Gegner werfen dem Staatspräsidenten spätestens seit der Einweihung seines Amtssitzes mit seinen 1150 Zimmern wachsende Großmannssucht vor. Eine halbe Milliarde Euro hat der Palast gekostet, viele weitere Millionen aus Steuergeldern gab Erdogan für ein neues Dienstflugzeug aus. Da der Palast von einigen Gerichten für illegal erklärt wurde, weil er auf einem geschützten Parkgelände errichtet wurde, bereitet die Regierung nach Presseberichten ein Gesetz vor, das den riesigen Bau nachträglich legalisieren soll.

Erdogan will den Palast und den Aufmarsch der Kostüm-Soldaten als Zeichen einer „neuen Türkei“ verstanden wissen. Dazu gehören der Anspruch auf eine regionale Führungsrolle und die Rückbesinnung auf die Geschichte vor der Gründung der säkularen Republik im Jahr 1923. Die Soldaten auf der Treppe standen unter anderem für die Hunnen, die Seldschuken und die Osmanen – bis ins Jahr 200 vor Christus gingen die von den Kriegern dargestellten Reiche zurück.

Erfunden hat Erdogan diesen Bezug auf die Vergangenheit nicht. Schon lange zeigt das offizielle Wappen des türkischen Präsidialamts 16 Sterne, die für die von Erdogan auf der Treppe dargestellten Reiche stehen. Bezeichnenderweise fehlen einige wichtige Zeitalter der anatolischen Geschichte. Kein Stern im Wappen und kein Soldat auf der Treppe stand für das christliche Byzantiner-Reich, das immerhin tausend Jahre lang vom heutigen Istanbul aus große Teile Anatoliens beherrschte. Auch die Zeit der griechischen Antike sucht man vergeblich.

Das passt in Erdogans Konzept. In seinen Reden beschwört er häufig die angeblich goldene Zeit der muslimischen Osmanen oder Seldschuken. Dahinter steckt politisches Kalkül: Erdogan will einen islamisch geprägten Nationalstolz fördern, der den staatlich verordneten Säkularismus der vergangenen Jahrzehnte ersetzen und seiner islamisch-konservativen Partei AKP an der Wahlurne zugutekommen soll. Die Äußerungen des Präsidenten über eine Entdeckung Amerikas durch Muslime gehören ebenfalls zu diesem Projekt.

Von seinen Gegnern erntet der Präsident Hohn und Spott. Ein Kommentator auf Twitter beschrieb die Kostüm-Schau als Ausdruck pubertärer Gefühle, die „im Bestreben, Größe zur Schau zu stellen“, einfach nur lächerlich wirkten.