In der Vergangenheit gab es zahlreiche Proteste gegen die Tierversuche an Affen in Tübingen. Foto: Latz

Weitere Versuche an Primaten ist für Max-Planck-Gesellschaft denkbar. Direktor bekommt Morddrohungen.

Tübingen - Irgendwann war der Druck auf Nikos Logothetis zu groß: Der Direktor des Tübinger Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik wird seine umstrittenen Tierversuche an Affen einstellen. Morddrohungen habe sein Chef erhalten, berichtet Assistent Holger Fischer unserer Zeitung. Er ist sich sicher, dass Logothetis diese Entscheidung nicht leichtfertig getroffen hat: "Dafür ist er zu sehr Forscher. Er weiß, was er tut, und gibt seine Forschung nur auf, wenn es wirklich nicht mehr geht." Doch mit dem Tode bedroht zu werden, sei ein zu hoher Preis.

Fischer hatte vor Kurzem im Interview mit unserer Zeitung noch betont, wie wichtig die Primatenforschung in Tübingen für die Medizin sei. Was das Aus jetzt aus wissenschaftlicher Sicht bedeute, könne er noch nicht sagen.

Der 65-jährige Logothetis wird sein derzeit laufendes Forschungsprojekt nicht abbrechen, sondern zu Ende bringen und danach Tierversuche nur noch an Nagern durchführen. Er wird laut Fischer in Tübingen bleiben. "Wie lange es dauert, bis die derzeitige Primatenforschung abgeschlossen ist, ist zurzeit nicht konkret vorhersehbar", so der Assistent. Der Bau eines zweiten Freigeheges für die Affen ruhe im Moment.

Die Organisation "Ärzte gegen Tierversuche", die wegen der Experimente Strafanzeige gegen das Institut gestellt hatte, begrüßte Logothetis’ Entscheidung. "Allerdings sind Tierversuche mit Nagern genauso wenig zu rechtfertigen. Wir kritisieren auch, dass die Max-Planck-Gesellschaft an der Affenforschung festhält", sagt Sprecherin Silke Strittmatter.

Denn die Max-Planck-Gesellschaft betont, dass weitere Versuche an Primaten in Tübingen durchaus denkbar seien. Ganz unabhängig von der derzeitigen Situation berate im kommenden Herbst eine Kommission zur zukünftigen Ausrichtung des Tübinger Instituts. "In zwei von drei Abteilungen werden Stellen neu zu besetzen sein", erklärt Sprecherin Christina Beck. Welchem neuen Thema sich das Institut dann widme, hänge auch davon ab, welche hochrangigen Wissenschaftler nach Tübingen berufbar seien. Wenn es die wissenschaftliche Fragestellung erfordert, könnten Tierversuche mit Affen in Tübingen erneut durchgeführt werden.


Ärzte-Organisation betrachtet Erkenntnisse der Forschungen als "vorgeschoben"

Beck hofft, dass sich Forscher nicht von den jüngsten Ereignissen abschrecken lassen. "Das wäre eine falsche Entwicklung«, sagt sie. »Unsere Versuche sind gesetzlich legitimiert und genießen international hohes Ansehen."

Silke Strittmatter hingegen bestreitet, dass die Tübinger Primatenforschung für die Medizin relevante Ergebnisse liefert. "Diese angeblichen Erkenntnisse sind an den Haaren herbeigezogen. Der medizinische Erkenntnisgewinn ist nur vorgeschoben«, kritisiert sie. Tatsächlich dienten die Tierversuche dazu, "Gelder zu kassieren und die eigene Forscherkarriere voranzubringen". "Wir hören seit Jahrzehnten, dass diese Experimente dazu beitragen sollen, Krankheiten wie Alzheimer zu heilen. Doch noch immer ist die Krankheit unheilbar", ergänzt sie.

Strittmatter verweist auf eine Studie der amerikanischen Arzneimittelbehörde, nach der 92 Prozent aller im Tierversuch als wirksam getesteten Medikamente nicht für Menschen geeignet waren. Die Forderung der rund 1800 Mitglieder von "Ärzte ohne Tierversuche" ist daher eindeutig: "Wir protestieren so lange, bis die Affenhirnforschung in Tübingen aufhört."

Dass die Morddrohungen gegen Logothetis aus den eigenen Reihen kommen, hält Strittmatter für ausgeschlossen. "So etwas ist kontraproduktiv und dient der Sache nicht. Wir argumentieren ausschließlich mit wissenschaftlichen Fakten", sagt die Sprecherin. "Dass es Morddrohungen gab, kann auch erfunden sein, um vom Kern, nämlich den qualvollen Affenversuchen, abzulenken", meint sie.

Dass Wissenschaftler aufgrund von Tierversuchen bedroht werden, sei kein neues Phänomen, weiß Christina Beck von der Max-Planck-Gesellschaft. "Neu ist die Qualität der Undercover-Recherche von Mitarbeitern", sagt sie und spielt auf einen ehemaligen Tierpfleger an, der heimlich Filmaufnahmen der Versuchstiere gemacht und damit für Aufsehen gesorgt hatte. Ihrer Meinung nach habe der Tierschutzaktivist die Tiere manipuliert, um bestimmte Aufnahmen zu erzeugen. "Derzeit läuft ein interner Beratungsprozess, welche Konsequenzen wir für die zukünftige Einstellung von Mitarbeitern daraus ziehen", sagt Beck. Anzeige habe das Institut wegen der schwierigen Beweislage nicht erstattet.

Was die Morddrohungen gegen Logothetis angeht, hat die Polizei ermittelt und das Verfahren einem Sprecher zufolge der Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Die ermittelt derzeit auch gegen das Max-Planck-Institut wegen des Vorwurfs der Tierquälerei. "Die Ermittlungen dauern an", erklärt Sprecher Ronny Stengel knapp.

Ausführlicher äußerte sich die Landestierschutzbeauftragte Cornelie Jäger zu den Geschehnissen. Sie begrüßte Logothetis’ Entscheidung und hinterfragte die Notwendigkeit von Tierversuchen. "Die Aussagen von Frau Jäger haben uns geärgert", sagt Beck. "Diese Entscheidung politisch zu instrumentalisieren, ist nicht richtig."